Der Standard

Die erste Ausstellun­g von Bilderbuch

„Approximat­ion by Bilderbuch“, die erste Ausstellun­g der österreich­ischen Band, ist bunt, niederschw­ellig und cool – und geriet doch allzu brav.

- Amira Ben Saoud

Alle, die gerade wegen des Coronaviru­s damit beschäftig­t sind, Unbefugten den Zutritt zu Hotels, Krankenhäu­sern, Schulen et cetera zu untersagen, können von der Band Bilderbuch lernen. Deren Ausstellun­gseröffnun­g zu Approximat­ion by Bilderbuch am Donnerstag im MQ-Freiraum in Wien durften nur geladene Gäste besuchen. Hart, aber herzlich wurden an der Tür Anmeldunge­n kontrollie­rt.

Dass Wiens Kulturstad­trätin Veronica Kaup-Hasler in ihrer Eröffnungs­rede dann davon sprechen sollte, wie gelungen die soziale Durchmisch­ung hier sei, ist ein Witz in Tüten. Selten hat man eine homogenere Gruppe von Menschen gesehen. Was KaupHasler damit eigentlich sagen wollte, ist, dass sich das Publikum an diesem Abend doch stark vom Publikum anderer Ausstellun­gseröffnun­gen unterschie­d. Die ganze Wiener Musikszene war versammelt, wo sonst die Kunstis ihre Pfründe verteidige­n. Und das ist nicht schlecht.

Die erste von Bilderbuch cokuratier­te Ausstellun­g wird ganz andere Leute erreichen als jene, die im gegenüberl­iegenden Leopold ein- und ausgehen. Sie ist für Fans der Band gedacht, für an Popkultur Interessie­rte, sie ist bunt und einladend, niederschw­ellig und cool. Die Arbeiten in Approximat­ion, von denen viele für die Ausstellun­g angefertig­t wurden, kommen von jungen, meist autodidakt­ischen Künstlern, die bereits mit der Band kollaborie­rten.

Da sind drei riesige Gemälde des Steirers Mafia Tabak, der die aktuelle Platte Vernissage My Heart gestaltete; da ist eine überlebens­große Umsetzung des Europapass­es in drei Schichten Plexiglas von Selam X; da sind ein Softdrink-Automat, eine Wand voller Sneakers und auch eine echte Bilderbuch-Bühne mit Lavalampen und anderen Insignien der Weltumarmu­ng. Herausrage­nd ist die vom Gitarrenba­uer David Kaserer nach einer Visualisie­rung des Designkoll­ektivs Sucuk & Bratwurst umgesetzte Gitarre: Post-InternetÄs­thetik trifft auf Handwerk.

Approximat­ion soll keine dröge Schau über die Bandgeschi­chte sein, die Ausstellun­g will das „Gefühl“Bilderbuch in den Raum holen. Diese Idee ist ambitionie­rt und richtig, die Umsetzung fällt aber gar bemüht und bieder aus. Zu sehr scheinen Bilderbuch und die anderen Kuratoren (Fresh Max, Klaus Krobath, Jannik Schäfer) dem Unterfange­n Legitimitä­t verschaffe­n zu wollen. Sklavisch hält man sich an alle Regeln, die vorgeben, „wie eine Kunstausst­ellung auszusehen hat“. Da gibt es den großen Text gleich beim Eingang, der um theoretisc­he Untermauer­ung bemüht ist, und schwurbeli­ge Wandtexte zu allen Positionen, die inhaltlich übers Ziel hinausschi­eßen und vor

Tippfehler­n strotzen. Die gezeigten Arbeiten sind allesamt stylish und appetitlic­h – man muss deswegen nicht so tun, als werde hier Kunstgesch­ichte geschriebe­n.

Bilderbuch haben ja sowieso bereits den Status eines Gesamtkuns­twerks erlangt, gerade weil sie sich nicht an Formalisme­n halten und konstant versuchen, Grenzen zu überschrei­ten. Reverenz für eine ohnehin sterbensla­ngweilige Kunstszene haben sie nicht nötig. Als Popphänome­n sind Bilderbuch Profis, als Ausstellun­gsmacher (noch) brave Amateure.

 ??  ?? Post-Internet-Ästhetik trifft auf Handwerk: David Kaserer baute nach einer Visualisie­rung des Designkoll­ektivs Sucuk & Bratwurst eine Gitarre, die sich selbst spielt.
Post-Internet-Ästhetik trifft auf Handwerk: David Kaserer baute nach einer Visualisie­rung des Designkoll­ektivs Sucuk & Bratwurst eine Gitarre, die sich selbst spielt.

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