SCHWERPUNKT
In Wien ist seit Freitag ein Notfallplan in Kraft. Damit zu Hause auf das Coronavirus getestet werden kann, wird der Ärztefunkdienst aufgestockt. Der Bund sorgt per Erlass für einheitliches Vorgehen in den Ländern.
Es sind Momentaufnahmen, die derzeit in den zahlreichen Pressekonferenzen, Krisentreffen und Arbeitssitzungen diskutiert werden. Sie zeigen: Das Coronavirus ist in Österreich angekommen. Um die Verbreitung einzudämmen, werden nun auf Bundes- und Länderebene weitere Maßnahmen gesetzt.
Österreichweit sind Stand Freitagabend sechs Fälle von Infektionen mit Sars-CoV-2 bekannt. Zwei Personen in Tirol sind bereits auf dem Weg der Besserung, in Wien wurden vier Menschen positiv getestet. Freitagfrüh sagte Michael Binder, Medizinischer Direktor des Wiener Krankenanstaltenverbunds, jener 72-jährige Mann, dessen Erkrankung seit Donnerstag bekannt ist, sei in intensivmedizinischer Behandlung. Man sei nun auf der Suche nach dem Patienten null. Dutzende Kontaktpersonen, darunter 90 Spitalsmitarbeiter, wurden negativ auf das Virus getestet. Trotzdem bleiben sie vorsorglich zwei Wochen in Heimabsonderung.
Drei weitere Menschen sind in Wien betroffen, nachdem sich ein Familienvater in Italien angesteckt haben dürfte. Er, seine Partnerin und der Sohn der beiden wurden positiv auf das Virus getestet. Die Tochter wurde laut Testergebnis nicht angesteckt, dennoch ist die gesamte Familie inzwischen im Kaiser-Franz-Josef-Spital.
Wien aktiviert Notfallplan
Um gesunde von potenziell ansteckenden Personen fernzuhalten, weitet der Ärztefunkdienst 141 seine Kapazitäten in Wien aus. 200 zusätzliche Mediziner sind seit Freitagfrüh rund um die Uhr im Einsatz, um Verdachtsfälle direkt zu Hause zu testen – sie hätten sich dafür gemeldet, hieß es. Dreißig Minuten sind je Test eingeplant, 50 Abstriche könne man also jeden Tag durchführen. Das sei, so sagt Johannes Steinhart, Vizepräsident der Ärztekammer Wien, „sehr ausreichend“für den jetzigen Stand. Dreimal täglich soll der Gesundheitsdienst Proben abholen, die Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit wird die Tests durchführen, Ergebnisse liegen mittlerweile nach vier Stunden vor.
Positiv getestete Personen sollen, wenn ihre Krankheit mild verläuft, zu Hause abgesondert und versorgt werden. Ziel sei „Ansteckungen kleinräumig so rasch wie möglich zu unterbinden“, sagte Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ). 200.000 Euro pro Monat werden die Zusatzleistungen des Ärztefunkdiensts kosten, dafür kommt vorerst die Gesundheitskasse auf, Abklärungen mit dem Bund folgen.
Hacker hielt etwas später im Gemeinderat fest, dass derartige Pläne „nie statisch“sein könnten: Sie seien keine „Bedienungsanleitung“und keine „Handlungsanleitung für jedes Detail“. In derselben Sitzung kritisierten die Neos eine gewisse „Selbstinszenierung“von Politikern bei einem Thema, wo dafür kein Platz dafür sei.
Das Land Niederösterreich will, dies wurde am Freitag bekannt, Erkrankte nur an einem Standort, nämlich in der Klinik Melk, versorgen. Weiter westwärts, in Oberösterreich, werden die Coronavirus-Tests ausgeweitet. Bisher wurden sie nur im Klinikum Wels durchgeführt, nun in drei weiteren Spitälern. Das Land meldete „eine zweistellige Zahl“an zu überprüfenden Verdachtsfällen.
Eine Studie der John-HopkinsUniversität reihte Österreich 2019, wenn es um Krisenvorsorge im Gesundheitsbereich geht, übrigens auf Platz 26 von 195. In allen getesteten Kategorien (Prävention, Gesundheitssystem, Erkennen und Berichten, Reaktion, Einhaltung
internationaler Normen und Risikoumwelt) lag Österreich zwar über dem Schnitt. In den Unterkategorien „Verknüpfung der öffentlichen Gesundheit und Sicherheitsbehörden“und „Reaktionspläne“war der Wert aber schlecht – nämlich bei null.
Bundesweite Maßnahmen
Im Bund verweist man, was Pläne für den Ernstfall angeht, seit Wochen auf Influenza-Pandemiepläne und ein dichtes Netz an Spitälern, die für Coronavirusfälle gerüstet sind. Am Freitag wurden in einer Pressekonferenz zusätzliche Maßnahmen angekündigt. „Auch in Österreich werden die Zahlen zunehmen“, sagte Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne). Man versuche also, die Ausbreitung zu minimieren und vor allem „Zeit zu gewinnen“.
Im ganzen Land soll die Möglichkeit, zu Hause zu testen, ausgeweitet werden – derzeit könnten täglich 1000 Tests durchgeführt werden. Anschober kündigte außerdem zwei Erlässe und drei Verordnungen an, mit denen der Bund den Ländern zentrale Vorhaben machen will. Darin werden etwa genaue Ablaufpläne für Verdachtsfälle festgelegt, um Widersprüchlichkeiten zwischen Ländern zu vermeiden, außerdem soll die Definition, wer als Kontaktperson gilt, konkretisiert werden.
Anschober betonte, dass „datenschutzrechtliche Grundstandards nicht außer Kraft gesetzt werden“. So sei etwa nicht geplant, Bus- oder Bahnreisende, die ins Land kommen, zu registrieren. Außerdem, so hieß es von Innenminister Karl Nehammer (ÖVP), werde eine Info-Kampagne gestartet – mit der man „den Menschen Sicherheit geben, Sorgen ernst nehmen und Fragen beantworten“will, sagte er. Vorgestellt wurde zudem eine Taskforce, die im Gesundheitsministerium einen medizinischen Beirat bildet.