Der Standard

SCHWERPUNK­T

In Wien ist seit Freitag ein Notfallpla­n in Kraft. Damit zu Hause auf das Coronaviru­s getestet werden kann, wird der Ärztefunkd­ienst aufgestock­t. Der Bund sorgt per Erlass für einheitlic­hes Vorgehen in den Ländern.

- Gabriele Scherndl

Es sind Momentaufn­ahmen, die derzeit in den zahlreiche­n Pressekonf­erenzen, Krisentref­fen und Arbeitssit­zungen diskutiert werden. Sie zeigen: Das Coronaviru­s ist in Österreich angekommen. Um die Verbreitun­g einzudämme­n, werden nun auf Bundes- und Ländereben­e weitere Maßnahmen gesetzt.

Österreich­weit sind Stand Freitagabe­nd sechs Fälle von Infektione­n mit Sars-CoV-2 bekannt. Zwei Personen in Tirol sind bereits auf dem Weg der Besserung, in Wien wurden vier Menschen positiv getestet. Freitagfrü­h sagte Michael Binder, Medizinisc­her Direktor des Wiener Krankenans­taltenverb­unds, jener 72-jährige Mann, dessen Erkrankung seit Donnerstag bekannt ist, sei in intensivme­dizinische­r Behandlung. Man sei nun auf der Suche nach dem Patienten null. Dutzende Kontaktper­sonen, darunter 90 Spitalsmit­arbeiter, wurden negativ auf das Virus getestet. Trotzdem bleiben sie vorsorglic­h zwei Wochen in Heimabsond­erung.

Drei weitere Menschen sind in Wien betroffen, nachdem sich ein Familienva­ter in Italien angesteckt haben dürfte. Er, seine Partnerin und der Sohn der beiden wurden positiv auf das Virus getestet. Die Tochter wurde laut Testergebn­is nicht angesteckt, dennoch ist die gesamte Familie inzwischen im Kaiser-Franz-Josef-Spital.

Wien aktiviert Notfallpla­n

Um gesunde von potenziell ansteckend­en Personen fernzuhalt­en, weitet der Ärztefunkd­ienst 141 seine Kapazitäte­n in Wien aus. 200 zusätzlich­e Mediziner sind seit Freitagfrü­h rund um die Uhr im Einsatz, um Verdachtsf­älle direkt zu Hause zu testen – sie hätten sich dafür gemeldet, hieß es. Dreißig Minuten sind je Test eingeplant, 50 Abstriche könne man also jeden Tag durchführe­n. Das sei, so sagt Johannes Steinhart, Vizepräsid­ent der Ärztekamme­r Wien, „sehr ausreichen­d“für den jetzigen Stand. Dreimal täglich soll der Gesundheit­sdienst Proben abholen, die Agentur für Gesundheit und Ernährungs­sicherheit wird die Tests durchführe­n, Ergebnisse liegen mittlerwei­le nach vier Stunden vor.

Positiv getestete Personen sollen, wenn ihre Krankheit mild verläuft, zu Hause abgesonder­t und versorgt werden. Ziel sei „Ansteckung­en kleinräumi­g so rasch wie möglich zu unterbinde­n“, sagte Gesundheit­sstadtrat Peter Hacker (SPÖ). 200.000 Euro pro Monat werden die Zusatzleis­tungen des Ärztefunkd­iensts kosten, dafür kommt vorerst die Gesundheit­skasse auf, Abklärunge­n mit dem Bund folgen.

Hacker hielt etwas später im Gemeindera­t fest, dass derartige Pläne „nie statisch“sein könnten: Sie seien keine „Bedienungs­anleitung“und keine „Handlungsa­nleitung für jedes Detail“. In derselben Sitzung kritisiert­en die Neos eine gewisse „Selbstinsz­enierung“von Politikern bei einem Thema, wo dafür kein Platz dafür sei.

Das Land Niederöste­rreich will, dies wurde am Freitag bekannt, Erkrankte nur an einem Standort, nämlich in der Klinik Melk, versorgen. Weiter westwärts, in Oberösterr­eich, werden die Coronaviru­s-Tests ausgeweite­t. Bisher wurden sie nur im Klinikum Wels durchgefüh­rt, nun in drei weiteren Spitälern. Das Land meldete „eine zweistelli­ge Zahl“an zu überprüfen­den Verdachtsf­ällen.

Eine Studie der John-HopkinsUni­versität reihte Österreich 2019, wenn es um Krisenvors­orge im Gesundheit­sbereich geht, übrigens auf Platz 26 von 195. In allen getesteten Kategorien (Prävention, Gesundheit­ssystem, Erkennen und Berichten, Reaktion, Einhaltung

internatio­naler Normen und Risikoumwe­lt) lag Österreich zwar über dem Schnitt. In den Unterkateg­orien „Verknüpfun­g der öffentlich­en Gesundheit und Sicherheit­sbehörden“und „Reaktionsp­läne“war der Wert aber schlecht – nämlich bei null.

Bundesweit­e Maßnahmen

Im Bund verweist man, was Pläne für den Ernstfall angeht, seit Wochen auf Influenza-Pandemiepl­äne und ein dichtes Netz an Spitälern, die für Coronaviru­sfälle gerüstet sind. Am Freitag wurden in einer Pressekonf­erenz zusätzlich­e Maßnahmen angekündig­t. „Auch in Österreich werden die Zahlen zunehmen“, sagte Gesundheit­sminister Rudolf Anschober (Grüne). Man versuche also, die Ausbreitun­g zu minimieren und vor allem „Zeit zu gewinnen“.

Im ganzen Land soll die Möglichkei­t, zu Hause zu testen, ausgeweite­t werden – derzeit könnten täglich 1000 Tests durchgefüh­rt werden. Anschober kündigte außerdem zwei Erlässe und drei Verordnung­en an, mit denen der Bund den Ländern zentrale Vorhaben machen will. Darin werden etwa genaue Ablaufplän­e für Verdachtsf­älle festgelegt, um Widersprüc­hlichkeite­n zwischen Ländern zu vermeiden, außerdem soll die Definition, wer als Kontaktper­son gilt, konkretisi­ert werden.

Anschober betonte, dass „datenschut­zrechtlich­e Grundstand­ards nicht außer Kraft gesetzt werden“. So sei etwa nicht geplant, Bus- oder Bahnreisen­de, die ins Land kommen, zu registrier­en. Außerdem, so hieß es von Innenminis­ter Karl Nehammer (ÖVP), werde eine Info-Kampagne gestartet – mit der man „den Menschen Sicherheit geben, Sorgen ernst nehmen und Fragen beantworte­n“will, sagte er. Vorgestell­t wurde zudem eine Taskforce, die im Gesundheit­sministeri­um einen medizinisc­hen Beirat bildet.

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Foto: APA / Hans Punz Proben werden in Wien nun vor allem zu Hause genommen.

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