Der Standard

Fragen Sie sich, wo die echte Donauquell­e liegt? Dann können Sie im Schwarzwal­d unterhalts­am danach suchen.

In Zeiten von Flugscham und Coronaviru­s entstehen auch kreative Reiseideen. Wer sich schon lange fragt, wo die echte Donauquell­e liegt, kann im Schwarzwal­d unterhalts­am und umweltfreu­ndlich danach suchen.

- QUELLENSTU­DIUM: Dietmar Scherf

Emsig werfen Touristen Münzen über die Schulter ins frisch entsprunge­ne Wasser und fotografie­ren sich mit dem Handy im Fürstlich Fürstenber­gischen Schlosspar­k von Donaueschi­ngen. Hier rinnt angeblich die Donau „reinquille­nd aus den unerschöpf­lichen Röhren“, wie es der deutsche Dichter Friedrich Hölderlin formuliert­e. Dasselbe tun andere Reisende 30 Kilometer weiter nordwestli­ch bei der Martinskap­elle nahe Furtwangen, und sie tun es – wie die Touristen in Donaueschi­ngen – im Glauben, am wahren Ursprung von Europas zweitlängs­tem Strom nach der Wolga zu sein. Verwirrung im Schwarzwal­d: eine „Donauquell­e“hier, eine „Donauquell­e“dort, an beiden Orten mit zig Wegweisern ausgeschil­dert, über Jahrhunder­te in Diskussion­en und als Resümee des Lebenswerk­s vieler Wissenscha­fter immer wieder gegenteili­g proklamier­t.

Kreisrund und kunstvoll eingefasst ist das mächtige Quellbecke­n in Donaueschi­ngen, in dem einst Prinzen und Baronessen gebadet haben sollen. Adolf Heer schuf 1896 die darüber thronende Figurengru­ppe der „Mutter Baar“, die ihrer „Tochter“, der jungen Donau, den Weg in die Ferne weist. Baar heißt die Hügellands­chaft, in der Donaueschi­ngen liegt.

Mickriger Donaukanal

Die prächtig gestaltete Karstquell­e bildet streng genommen aber nur den Ursprung des Donaubachs, der unterirdis­ch kanalisier­t lediglich 100 Meter bis zum Rand des Schlosspar­ks fließt, um in die Brigach zu münden. Die Mündung wird durch ein tempelähnl­iches Bauwerk markiert. Die Brigach vereinigt sich 1,4 Kilometer weiter östlich mit der Breg. Über Jahrzehnte wurde Schülern die Eselsbrück­e eingebläut: „Brigach

und Breg bringen die Donau zu Weg.“Hätten sich alle an diesen Reim gehalten, wäre es für Touristen einfacher.

Nun aber nennen Touristike­r Donaueschi­ngen die „Stadt an der Donauquell­e“, an der „Quelle Europas“, die „ein Muss für jeden Donauliebh­aber“sei. Mithilfe von Historiker­n trieben sie alle möglichen Schriftstü­cke auf, sogar aus der Antike, um die Bedeutung des prunkvolle­n Quelltopfs des Donaubachs zu untermauer­n, beispielsw­eise folgenden „Beweis“: „Der Geograph Strabon berichtet, wie Tiberius vom Bodensee gen Norden ritt und dort nach einer Tagesreise die Quellen der Donau fand.“Dagegen bestätigte die Baden-Württember­gische Landesregi­erung 1982, dass die Quelle in Donaueschi­ngen „aus hydrologis­cher und geographis­cher Sicht sicher nicht die eigentlich­e Quelle der Donau ist“.

Flussgott Danuvius

Die eigentlich­e Quelle könnte die Konkurrenz bei der Martinskap­elle und dem Höhengasth­of Kolmenhof in Furtwangen sein. Im Schatten mächtiger Bäume plätschert dort das Wasser empor und weckt ebenfalls antike Assoziatio­nen. Seit 2017 wacht eine Bronzeskul­ptur des römischen Flussgotts Danuvius über „der einzig wahren Donauquell­e“, wie sie der Furtwangen­er Bürgermeis­ter Josef Herdner nennt. Was hier quillt, ist allerdings die Breg, der längste und wasserreic­hste Zufluss der Donau in ihrem Ursprungsg­ebiet, der jedoch seinen eigenen Namen hat.

Hinter dem Zusammenfl­uss von Brigach und Breg verschwind­et dann auch noch ein Teil des Donauwasse­rs im Boden. An den Donauversi­ckerung genannten Stellen bei Immendinge­n fällt das Flussbett jedes Jahr über Monate komplett trocken. Durch Spalten in Kalkfelsen dringt das Flusswasse­r zum 174 Meter tiefer und zwölf Kilometer weiter südlich gelegenen Aachtopf, von dort zum Bodensee und schließlic­h in den Rhein.

Weiter östlich hinter Mühlheim ist am Fuß der Schwäbisch­en Alb ein wildromant­isches Tal entstanden, wo sich die Donau durch das Weißer-Jura-Gestein gegraben hat und in großen Kurven abwärtssch­wingt. Im Frühling umspielt frisches Buchengrün die hellen Felsen, an den Hängen blühen Kirschbäum­e zartrosaro­t, und ein weißgelber Blütentepp­ich aus Löwenzahn und Gänseblümc­hen bedeckt die Uferfläche­n.

Das duftende Bett der Donau besang schon vor rund 750 Jahren Hugo von Werbenwag, ein Meister der Minne. Werenwag alias Werbenwag heißt auch eine der Burgen im Oberen Donautal, die kühn auf die hohen Felsspitze­n genabelt wurden, „das kain aichhorn könt’ hinauf kommen“, wie Hugo von Werbenwag anmerkte. Unten am Fluss stehen die barocken „Neubauten“des im 11. Jahrhunder­t gegründete­n Klosters Beuron, das die Liturgie der Mönchsorde­n im Mittelalte­r maßgeblich beeinfluss­t hat.

Friedlich beim Kloster auf der Wiese liegend hört man, wie der Fluss leise plätschert und gluckst. Es ist die Donau, die von vielen Wassern gespeist wird – auch von dem der Breg, die ein eigener Radweg begleitet. Die 83 Kilometer lange Route Bregtal–Donauradwe­g führt ohne Touristenm­assen von St. Georgen über die Quellen der Brigach, Elz und Breg am Quellfluss der Donau entlang bis Donaueschi­ngen, wo der klassische Donauradwe­g beginnt. Auf diesem geht es schließlic­h weiter zum Kloster Beuron, von wo der Blick dem Lauf der Donau folgt, wie sie in schönen Schleifen ostwärts zieht, vorbei an Dörfern, Mühlen und Gehöften, hin zu den großen Städten, hin zum Schwarzen Meer.

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„Ein Muss für jeden Donauliebh­aber“ist der hübsche Brunnen in Donaueschi­ngen laut Tourismusw­erbung. Auch wenn er sicher nicht die eigentlich­e Quelle des Stroms ist.
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