Regierung will Kurzarbeit weniger attraktiv machen
Weniger Förderung für gut ausgelastete Betriebe geplant
Wien – In Österreich sind 1,3 Millionen Menschen zur Kurzarbeit angemeldet. Das Modell hat viele Arbeitsplätze gerettet. Doch nun offenbaren sich Konstruktionsfehler. Das Geld kommt nicht immer dort an, wo es soll. Die Sozialpartner ringen um eine Korrektur. Dem Vernehmen nach sind sich Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertreter bereits weitgehend einig, auch mit der Regierung: So sollen gewisse Fälle, in denen es zu einer Überförderung kommt, künftig verhindert oder minimiert werden. Die Sache ist komplex, lässt sich aber in etwa so erklären: Bei der Kurzarbeit wird stark darauf abgestellt, dass dem Arbeitnehmer 80, 85 oder 90 Prozent seines letzten Nettogehalts bleiben. Der Arbeitgeber bezahlt alles: Die Kosten für tatsächlich geleistete Stunden soll er auch tragen, für Kurzarbeitsgeld, das er auszahlt, kann er sich eine Förderung vom AMS holen.
Das AMS fördert tatsächlich entfallene Stunden pauschal, ohne darauf zu achten, was der Arbeitnehmer für geleistete Stunden verdient. In manchen Fällen können sich Unternehmer eine Kurzarbeitsförderung holen, obwohl sie hier keine Kosten hatten. Wo wenig gearbeitet wird, verkehrt sich die Sache – und es kann sogar zu einer Unterförderung kommen. Offiziell halten sich alle Seiten bedeckt: Die Sozialpartner betonen, es werde verhandelt. Das Finanzministerium verweist darauf, wie viele Jobs die Kurzarbeit gerettet habe – es gebe aber „Einzelfälle“, die man sich gesondert ansehen müsse. (red)
Mitte März gelang den Sozialpartnern zwar ein Kunststück: Innerhalb weniger Stunden einigten sie sich auf ein neues Modell für die Kurzarbeit. Der Arbeitgeber soll seine Beschäftigten nur noch für die tatsächlich geleisteten Stunden bezahlen. Das AMS übernimmt im Gegenzug eine Förderung für die Ausfallzeit. Je nach Bruttobezug bekommt ein Arbeitnehmer einen neuen Kurzarbeitslohn von netto 80, 85 oder 90 Prozent des vorherigen Verdiensts. Das Modell gilt für sechs Monate ab Anfang März.
Doch aktuell ringen die Sozialpartner um eine Korrektur dieser Vorgaben, bereits in der kommenden Woche dürften neue Richtlinien präsentiert werden. Einer der Probleme: Das Modell ist zu teuer und Förderungen kommen nicht immer dort an, wo sie am meisten gebraucht werden. Besonders bei Unternehmen, die verhältnismäßig wenig von der Krise getroffen sind, kommt es zu Überförderungen.
Dass Korrekturbedarf besteht, darüber dürfte zwischen den Sozialpartnern und der Regierung Konsens bestehen, bestätigen dem STANDARD involvierte Verhandler. Auffassungsunterschiede gibt es nur über die Größe des Problems und wie es zu entschärfen ist. Auf Arbeitnehmerseite kursiert die Zahl, dass die Überförderungen mehr als 500 Millionen Euro kosten könnten. Zum Vergleich: Für die gesamte Kurzarbeit sind aktuell zwölf Milliarden Euro veranschlagt. Außerhalb der Arbeitnehmervertreter wird diese Zahl als viel zu hoch angesetzt gesehen. Auch dort ist aber von einer notwendigen Änderung die Rede.
Aber worum geht es überhaupt? Um Fälle mit wenigen Ausfallstunden. Ein Beispiel: Frau Yvonne Muster ist eine Arbeitnehmerin, die 3000 Euro brutto für ihren 40-Stunden Job bekommt. Sie wird auf Kurzarbeit geschickt und hat den Vorgaben der Sozialpartner gemäß Anspruch auf 80 Prozent ihres alten Nettolohns. Daraus errechnet sich ein Mindestbruttogehalt, auf den sie Anspruch hat am Ende des Monats.
Die ursprüngliche Idee war nun: Jenen Teil dieses Mindestbruttogehalts, den sie arbeitet, soll ihr der Arbeitgeber zahlen. Jenen Teil, den sie nicht arbeitet, zahlt auch das Unternehmen, lässt sich aber dies vom AMS fördern. Aber was geschieht in der Praxis? Das AMS fördert pauschal entfallene Arbeitsstunden und schaut nicht darauf, was der Arbeitgeber Frau Muster für geleistete Stunden auszahlt. Das führt zu einem kuriosen Ergebnis, wie Alexandra Platzer,
Expertin für Kurzarbeit beim Personalberater PwC erklärt. Wenn ein Arbeitnehmer in der Kurzarbeit vom Arbeitgeber viel beschäftigt wird, erhält er schon dafür das volle fixierte Mindestbruttogehalt.
Der Unternehmer trägt jedoch keine Kosten für entfallene Stunden. Dennoch kann sich der Arbeitgeber an das AMS wenden und um die Förderung für entfallene Stunden ansuchen und wird diese als Beihilfe erhalten. An den Arbeitnehmer weiterreichen muss er es nicht.
Nehmen wir nun an, Frau Muster arbeitet 80 Prozent ihrer früheren Arbeitszeit. Der Arbeitgeber zahlt ihr 2500 Euro brutto dafür. Für die nicht geleisteten Stunden, acht pro Woche, bekommt der Arbeitgeber 742 Euro vom AMS als Beihilfe. Das bleibt dem Arbeitgeber zwar nicht voll - er muss Sozialversicherungsbeiträge auf das volle Entgelt zahlen. Auch das 13 und 14 Monatsgehalt gebühren voll. Aber selbst wenn man das einrechnet, bleiben in dem Beispiel etwa 300 Euro Körberlgeld. Doch was wird damit gefördert – keine Kurzarbeit.
Wo wenig gearbeitet wird
Anderes Beispiel: Arbeitet die Frau nur 50 Prozent, weil das Unternehmen wenig Aufträge hat, schmilzt dieser Überschuss fast weg, um die ca. 100 Euro bleiben. Ironie: Je weniger gearbeitet wird, umso mehr verkehrt sich das Ganze und kann auch zu Unterförderung werden. Besser ausgelastete Betriebe profitieren also tendenziell.
Bei der alten Kurzarbeit, die als der Folge der Krise 2008 eingeführt wurde, hat das AMS einen Pauschalbetrag für jede nicht gearbeitete Stunde bezahlt, die 1:1 an den Arbeitnehmer ging. Nun ist das anders, weil die neue Kurzarbeitsvereinbarung sehr auf die Nettoersatzraten abstellt, wie Platzer von PwC sagt. „Der Arbeitgeber bekommt einen Pauschalersatz vom AMS als Beihilfe. Aber das, was er dem Arbeitnehmer zahlen muss, ist davon entkoppelt.“
Unter der Hand heißt es aus Regierungskreisen und bei den Sozialpartnern, dass mit einer Formel die Überförderung abgeschmolzen werden soll. Das soll nicht rückwirkend gelten, also nicht für die ersten drei Monate der Kurzarbeit, sondern nur für die kommenden drei Monate. Das AMS will sich offiziell nicht äußern. Im Finanzministerium heißt es: Die Kurzarbeit habe viele Jobs gerettet. „Klar ist, dass bei der Fülle an Anträgen immer wieder Fälle dabei sein können, die man sich im Einzelfall gesondert ansehen muss.“