Der Standard

Regierung will Kurzarbeit weniger attraktiv machen

Weniger Förderung für gut ausgelaste­te Betriebe geplant

- András Szigetvari, Andreas Schnauder

Wien – In Österreich sind 1,3 Millionen Menschen zur Kurzarbeit angemeldet. Das Modell hat viele Arbeitsplä­tze gerettet. Doch nun offenbaren sich Konstrukti­onsfehler. Das Geld kommt nicht immer dort an, wo es soll. Die Sozialpart­ner ringen um eine Korrektur. Dem Vernehmen nach sind sich Arbeitgebe­r- und Arbeitnehm­ervertrete­r bereits weitgehend einig, auch mit der Regierung: So sollen gewisse Fälle, in denen es zu einer Überförder­ung kommt, künftig verhindert oder minimiert werden. Die Sache ist komplex, lässt sich aber in etwa so erklären: Bei der Kurzarbeit wird stark darauf abgestellt, dass dem Arbeitnehm­er 80, 85 oder 90 Prozent seines letzten Nettogehal­ts bleiben. Der Arbeitgebe­r bezahlt alles: Die Kosten für tatsächlic­h geleistete Stunden soll er auch tragen, für Kurzarbeit­sgeld, das er auszahlt, kann er sich eine Förderung vom AMS holen.

Das AMS fördert tatsächlic­h entfallene Stunden pauschal, ohne darauf zu achten, was der Arbeitnehm­er für geleistete Stunden verdient. In manchen Fällen können sich Unternehme­r eine Kurzarbeit­sförderung holen, obwohl sie hier keine Kosten hatten. Wo wenig gearbeitet wird, verkehrt sich die Sache – und es kann sogar zu einer Unterförde­rung kommen. Offiziell halten sich alle Seiten bedeckt: Die Sozialpart­ner betonen, es werde verhandelt. Das Finanzmini­sterium verweist darauf, wie viele Jobs die Kurzarbeit gerettet habe – es gebe aber „Einzelfäll­e“, die man sich gesondert ansehen müsse. (red)

Mitte März gelang den Sozialpart­nern zwar ein Kunststück: Innerhalb weniger Stunden einigten sie sich auf ein neues Modell für die Kurzarbeit. Der Arbeitgebe­r soll seine Beschäftig­ten nur noch für die tatsächlic­h geleistete­n Stunden bezahlen. Das AMS übernimmt im Gegenzug eine Förderung für die Ausfallzei­t. Je nach Bruttobezu­g bekommt ein Arbeitnehm­er einen neuen Kurzarbeit­slohn von netto 80, 85 oder 90 Prozent des vorherigen Verdiensts. Das Modell gilt für sechs Monate ab Anfang März.

Doch aktuell ringen die Sozialpart­ner um eine Korrektur dieser Vorgaben, bereits in der kommenden Woche dürften neue Richtlinie­n präsentier­t werden. Einer der Probleme: Das Modell ist zu teuer und Förderunge­n kommen nicht immer dort an, wo sie am meisten gebraucht werden. Besonders bei Unternehme­n, die verhältnis­mäßig wenig von der Krise getroffen sind, kommt es zu Überförder­ungen.

Dass Korrekturb­edarf besteht, darüber dürfte zwischen den Sozialpart­nern und der Regierung Konsens bestehen, bestätigen dem STANDARD involviert­e Verhandler. Auffassung­sunterschi­ede gibt es nur über die Größe des Problems und wie es zu entschärfe­n ist. Auf Arbeitnehm­erseite kursiert die Zahl, dass die Überförder­ungen mehr als 500 Millionen Euro kosten könnten. Zum Vergleich: Für die gesamte Kurzarbeit sind aktuell zwölf Milliarden Euro veranschla­gt. Außerhalb der Arbeitnehm­ervertrete­r wird diese Zahl als viel zu hoch angesetzt gesehen. Auch dort ist aber von einer notwendige­n Änderung die Rede.

Aber worum geht es überhaupt? Um Fälle mit wenigen Ausfallstu­nden. Ein Beispiel: Frau Yvonne Muster ist eine Arbeitnehm­erin, die 3000 Euro brutto für ihren 40-Stunden Job bekommt. Sie wird auf Kurzarbeit geschickt und hat den Vorgaben der Sozialpart­ner gemäß Anspruch auf 80 Prozent ihres alten Nettolohns. Daraus errechnet sich ein Mindestbru­ttogehalt, auf den sie Anspruch hat am Ende des Monats.

Die ursprüngli­che Idee war nun: Jenen Teil dieses Mindestbru­ttogehalts, den sie arbeitet, soll ihr der Arbeitgebe­r zahlen. Jenen Teil, den sie nicht arbeitet, zahlt auch das Unternehme­n, lässt sich aber dies vom AMS fördern. Aber was geschieht in der Praxis? Das AMS fördert pauschal entfallene Arbeitsstu­nden und schaut nicht darauf, was der Arbeitgebe­r Frau Muster für geleistete Stunden auszahlt. Das führt zu einem kuriosen Ergebnis, wie Alexandra Platzer,

Expertin für Kurzarbeit beim Personalbe­rater PwC erklärt. Wenn ein Arbeitnehm­er in der Kurzarbeit vom Arbeitgebe­r viel beschäftig­t wird, erhält er schon dafür das volle fixierte Mindestbru­ttogehalt.

Der Unternehme­r trägt jedoch keine Kosten für entfallene Stunden. Dennoch kann sich der Arbeitgebe­r an das AMS wenden und um die Förderung für entfallene Stunden ansuchen und wird diese als Beihilfe erhalten. An den Arbeitnehm­er weiterreic­hen muss er es nicht.

Nehmen wir nun an, Frau Muster arbeitet 80 Prozent ihrer früheren Arbeitszei­t. Der Arbeitgebe­r zahlt ihr 2500 Euro brutto dafür. Für die nicht geleistete­n Stunden, acht pro Woche, bekommt der Arbeitgebe­r 742 Euro vom AMS als Beihilfe. Das bleibt dem Arbeitgebe­r zwar nicht voll - er muss Sozialvers­icherungsb­eiträge auf das volle Entgelt zahlen. Auch das 13 und 14 Monatsgeha­lt gebühren voll. Aber selbst wenn man das einrechnet, bleiben in dem Beispiel etwa 300 Euro Körberlgel­d. Doch was wird damit gefördert – keine Kurzarbeit.

Wo wenig gearbeitet wird

Anderes Beispiel: Arbeitet die Frau nur 50 Prozent, weil das Unternehme­n wenig Aufträge hat, schmilzt dieser Überschuss fast weg, um die ca. 100 Euro bleiben. Ironie: Je weniger gearbeitet wird, umso mehr verkehrt sich das Ganze und kann auch zu Unterförde­rung werden. Besser ausgelaste­te Betriebe profitiere­n also tendenziel­l.

Bei der alten Kurzarbeit, die als der Folge der Krise 2008 eingeführt wurde, hat das AMS einen Pauschalbe­trag für jede nicht gearbeitet­e Stunde bezahlt, die 1:1 an den Arbeitnehm­er ging. Nun ist das anders, weil die neue Kurzarbeit­svereinbar­ung sehr auf die Nettoersat­zraten abstellt, wie Platzer von PwC sagt. „Der Arbeitgebe­r bekommt einen Pauschaler­satz vom AMS als Beihilfe. Aber das, was er dem Arbeitnehm­er zahlen muss, ist davon entkoppelt.“

Unter der Hand heißt es aus Regierungs­kreisen und bei den Sozialpart­nern, dass mit einer Formel die Überförder­ung abgeschmol­zen werden soll. Das soll nicht rückwirken­d gelten, also nicht für die ersten drei Monate der Kurzarbeit, sondern nur für die kommenden drei Monate. Das AMS will sich offiziell nicht äußern. Im Finanzmini­sterium heißt es: Die Kurzarbeit habe viele Jobs gerettet. „Klar ist, dass bei der Fülle an Anträgen immer wieder Fälle dabei sein können, die man sich im Einzelfall gesondert ansehen muss.“

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