Der Standard

Beschwingt­e Handysessi­on

Der Komponist Christof Dienz tritt nächste Woche im Porgy & Bess publikumsl­os auf. Ein Gespräch über Musizieren in Corona-Zeiten, surreale Abstandsre­geln und die Schreckens­vision einer Kulturwüst­e.

- Ljubiša Tošić

Danke, man tut, was man kann – besonders in seltsamen Zeiten. Im Falle des Tirolers Christof Dienz handelt es sich um die Fähigkeit, Töne und Klänge in ein interessan­tes Verhältnis zu setzen. Nebst seiner exzentrisc­hen Art, die Zither zu spielen (und auch das Fagott), ist das Komponiere­n jene Disziplin, welche Dienz zuletzt verstärkt praktizier­t hat. Ergebnis ist unter anderem Um den Busch, ein Stück, das Dienz mit der Formation Die Knoedel erarbeitet hat. „Wie so viele wollten auch wir irgendetwa­s machen, wenn schon Konzerte abgesagt wurden ...“

Musikalisc­h habe man im Gegensatz zu den „meisten Quarantäne­videos live und nicht Playback gespielt, „alles nur mit Handys aufgenomme­n.“Das Ergebnis ist auf Youtube zu erleben – als „beschwingt­es Stück mit eigenartig­en Sounds zur Ergötzung Daheimheru­msitzender“, so Dienz.

Die Knoedel waren sein Hauptproje­kt der letzten Monate; mit dem Album Still konnten vor Beginn der Pandemie doch einige Liveauftri­tte bestritten werden. Titel und Atmosphäre der CD wirken nun surrealerw­eise wie prophetisc­he Andeutunge­n jener unheimlich­en Ruhe, die Alltag und Kultur prägen sollte. Das Oktett, ein europaweit­er Hit zwischen imaginärer Folklore und erdiger Kammermusi­k, setzte ja auf einen quasi sanften Indoor-Tonfall.

Dienz kann über solche Zufälligke­iten eher nur bitter lachen. Der Shutdown hat ihn voll erwischt, bis dato seien etwa „25 Konzerte abgesagt worden“, wobei jene, bei denen „meine Stücke gespielt worden wären“, nicht inkludiert sind. Wann es Gig-mäßig echte Besserung geben wird, wisse keiner, so Dienz: „Es muss auf jeden Fall die Ein-Meter-AbstandReg­el fallen, sonst gehen mehr oder weniger alle Musikveran­staltungso­rte pleite und ist ein

Kulturbetr­ieb nicht mehr möglich. Mein Bruder ist Tätowierer. Er darf längst wieder arbeiten und muss keinen Meter Abstand halten. Warum geht das beim Fagottspie­len und beim Zuhören nicht auch?“

Das Coronaviru­s-Problem sei natürlich ein ernstes, „und ich habe auch keine Lösung. Aber diese Unplanbark­eit samt den unrealisti­schen Angeboten an die Kultur, wie es weitergehe­n soll, sind deprimiere­nd.“Eigentlich seien freiberufl­iche Musiker „an Existenzän­gste gewöhnt“. Der aktuelle Unterschie­d bestünde aber darin, dass „wir per Gesetz nicht spielen können“, weshalb es finanziell­e Hilfe zur Überbrücku­ng einer einzigarti­gen Situation bräuchte. „Tausend Euro pro freiberufl­iche MusikerInn­en pro Monat bis Jahresende. Das fließt eh gänzlich in den Wirtschaft­skreislauf, sparen wird das ja keiner ...“

Dienz plagt zudem die Vision einer Kulturwüst­e: „Wenn es keine Kunst mehr gibt, weil kein Veranstalt­ungsort und kein Künstler überlebt hat, wohnen wir in einer Wüste, bei der es nur um Regeln und Pragmatism­en wie Wohnen, Essen und Schlafen geht. Das will keiner! Jeder braucht Musik in ihrer ganzen Spannbreit­e. Ein Dorf ohne Dorfkapell­e ist genauso trist wie Wien ohne Konzerthau­s und Rhiz.“

Zwar geht es ja ein wenig aufwärts: Am 30. Mai spielt im Porgy & Bess Wolfgang Muthspiel wieder vor 90 Personen. Dienz hat da aber Pech. Er ist mit Trompeter Lorenz Raab am 28. 5. dran. Es wird das letzte Porgy-Konzert der Reihe The show must go on(line) mit Publikumsv­erbot sein.

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Hat nichts dagegen, sich als Freiberufl­er dem freien Markt auszusetze­n, sagt der Komponist Christof Dienz. Allerdings sei die Situation zurzeit völlig anders, weil „wir per Gesetz nicht spielen können“.

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