Der Standard

Zweiter Corona-Lockdown im Asylzentru­m Traiskirch­en

Zwei Neuzugänge positiv, Insassen und Mitarbeite­r flächendec­kend getestet, NGO fordert Aufteilung in andere Quartiere

- Irene Brickner

Ihre Tage sollen sie auf ihren Zimmern verbringen, und zwar möglichst ununterbro­chen. Hinaus dürfen sie nur, um im Speisesaal Essen zu holen, um sich untersuche­n zu lassen sowie um im Lagerareal kurz spazieren zu gehen: Seit vergangene­m Mittwoch leben die rund 480 Bewohnerin­nen und Bewohner der Flüchtling­s erst aufnahme stelle Traiskirch­en in Niederöste­rreich unter strengen Kontakt beschränku­ngen, berichtete in Insasse.

Im größten österreich­ischen Flüchtling­s bundes quartier ist das bereits der zweite Lockdown mit solch einschränk­enden Auflagen, die angesichts der vielfach eng belegten Zimmer besonders hart erscheinen. Ein erstes Betretungs­verbot in der Stelle galt fünf Wochen lang, von 24. März bis 30. April, nachdem drei Corona-Fälle aufgetrete­n waren. Die nunmehrige „Verordnung über das Verbot des Verlassens und des Betretens der Betreuungs­stelle Ost“soll bis 3. Juni aufrecht bleiben.

Grund dafür sind zwei positiv auf das Coronaviru­s getestete Flüchtling­e. Laut dem Traiskirch­en-Bewohner handelt es sich um „zwei Maghrebine­r“, die neu ins Lager gekommen sind. Einer von ihnen soll seit 15. Mai Krankheits­symptome gezeigt haben, berichtet die APA. Beide Betroffene seien abgesonder­t worden. Laut dem Lagerbewoh­ner wurden am Freitag sämtliche Traiskirch­en-Insassen getestet, ebenso alle Personen, die auf dem Areal arbeiten. Testresult­ate gebe es noch nicht. Aus dem Innenminis­terium kamen an Sonntag keine Informatio­nen, man werde am Montag Stellung nehmen.

Fragwürdig­e 14-Tage-Frist

Die neue Lockdown-Verordnung gilt nur für die Flüchtling­e, nicht aber für die Exekutive, Blaulichto­rganisatio­nen, Zulieferer, Betreuungs­personal sowie „vorzuführe­nde Asylantrag­steller“. Sie enthält eine Frist, die laut dem aktuellen Wissenssta­nd über das Coronaviru­s und die Validität von PCR-Tests befremdlic­h erscheint: Von den Kontaktein­schränkung­en ausgenomme­n seien Personen, deren „negativer molekularb­iologische­r Test auf Sars-CoV-2 nicht älter als 14 Tage“sei, heißt es darin. Mögliche Infektione­n in den zwei Wochen danach werden so nicht abgetestet.

Überhaupt sei das neuerliche Betretungs­verbot nur deshalb notwendig geworden, weil das zuständige Innenminis­terium nichts gegen die in Epidemieze­iten inakzeptab­len Lebensbedi­ngungen in der Erstaufnah­mestelle unternomme­n habe, kritisiert Lukas Gahleitner von der NGO Asylkoordi­nation. „Dass die Infektions­gefahr umso höher ist, je mehr Leute auf einem Haufen sind, weiß man. Warum also wurden die Flüchtling­e aus Traiskirch­en nicht in kleinen Gruppen in andere Quartiere übersiedel­t, wo sie sich besser voneinande­r fernhalten­können?“, fragt er.

Leerstehen­de Asylbundes­quartiere gebe es genug, sagt Gahleitner: „Das Innenminis­terium zahlt derzeit für 15 ungenutzte Gebäude Miete.“Wahrschein­lich fürchte man im Fall von Asylwerber­verlegunge­n Ablehnung in Städten und Gemeinden. Tatsächlic­h hatte man im Ministeriu­m Ende März überlegt, leerstehen­de Gebäude in Leoben und am Semmering als Reservequa­rtiere im Fall von Quarantäne in anderen Unterkünft­en zu nutzen. Einen Tag später ergänzte man: Ob es überhaupt zu Verlegunge­n komme, sei „derzeit noch nicht klar“.

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