Wer zahlt Wiederaufbau?
Die EU-Kommission heizt seit Tagen Gerüchte um den Wiederaufbaufonds an. Präsidentin Ursula von der Leyen wollte ihre Pläne erst im Parlament in Brüssel platzieren – und schuf damit Chaos.
Die EU-Kommission will 500 Miliarden Euro für den Wiederaufbaufonds aufstellen. Die Nettozahler sind nicht erfreut.
Seit gut zwei Wochen bemühten sich dutzende Sprecher und Spindoktoren der Kommission darum, das Konzept für einen adaptierten EU-Budgetrahmen von 2021 bis 2027 und einen neuartigen „Wiederaufbaufonds“(Recovery Fund) in der Öffentlichkeit gut zu „verkaufen“. Präsidentin Ursula von der Leyen erklärte die Causa zur Chefsache.
Aber: Selbst Kommissare sollten die Zahlen zu den gigantischen Mitteln, mit denen man Europas Wirtschaft nach der Corona-Krise auf die Beine helfen will, erst im letzten Moment erfahren. Von der Leyen will sie Mittwoch um 14 Uhr im EU-Parlament persönlich und exklusiv vorstellen. Der Superspin um Billionen ging jedoch schief beim „wichtigsten Vorhaben in der Geschichte“, wie Sprecher Eric Mamer am Dienstag sagte.
Ausgerechnet der Vertreter der Kommission in Wien, Martin Selmayr, gewährte am Montag bei einem Pressegespräch Einblick in die Pläne, die seit dem deutschfranzösischen Vorstoß vor einer
Woche ohnehin kursieren. Berlin und Paris wollen, dass die Kommission 500 Milliarden Euro an Krediten aufnimmt und an bedürftige EU-Länder vergibt.
Selmayr hat die Eckpfeiler des Wiederaufbauplans bekanntgegeben und dabei diese Zahl genannt. Der Fonds soll demnach in den EU-Haushalt integriert werden. Weil das EU-Budget in großen Teilen in Zuschüsse fließt, soll dies auch beim Recovery Fund nicht anders sein. Das Gegenteil hatten zuletzt die soge
nannten „Sparsamen Vier“gefordert. Österreich, Niederlande, Dänemark und Schweden hatten auf kurzfristigen Kredithilfen beharrt. Zuschüsse lehne man ab, hieß es.
Laut Selmayr werde die Kommission vorschlagen, Zuschüsse und Kredite im Verhältnis von 60:40 oder 70:30 zu vergeben. Damit in Brüssel konfrontiert, bestätigte Mamer die Zahlen nicht, dementierte aber auch nicht. Es gelte, was von der Leyen im Parlament sagen werde. Inoffiziell heißt es, das Volumen des Wiederaufbauplans werde deutlich höher sein, was vermutlich damit zu tun hat, dass von der Leyen sämtliche Investitionen – auch von Privaten und Kreditgarantien der Kommission – einrechnen wird. So kommt man rasch auf 1500 bis 2000 Milliarden Euro.
Taktieren
Eine Einigung in der Nähe von von der Leyens Vorschlags gilt als sehr wahrscheinlich. Österreichs Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) wich in der ZiB 2 am Montagabend bereits von der anfänglichen Position der „Sparsamen Vier“ab. Zuschüsse ja, aber nicht ausschließlich, sagte er. Den Vorstoß der „Sparsamen Vier“interpretieren viele als Verhandlungsmanöver. Es geht auch um Rabatte bei den Beiträgen zum EU-Budget. Denn die Kommission wird auch ein schrittweises Auslaufen der Rabatte bei den Beiträgen vorschlagen, was nicht nur Österreich, sondern vor allem den Niederlanden und Schweden mit Beitragsreduktionen von hunderten Millionen entgegenkäme.
Brüssel will sich künftig ohnehin ein bisschen weniger über Beiträge und stärker über sogenannte Eigenmittel finanzieren. Neue Einnahmequellen sind angedacht – und zwar über den Budgetplan 2021 bis 2027 hinaus. Schon allein, um Anleihen für den Wiederaufbaufonds begeben zu können, sei das notwendig. Im Gespräch sind eine Binnenmarktsteuer für große Unternehmen, eine Plastikabgabe, eine Emissionsabgabe und eine Digitalsteuer.
Wenn es in Österreich an die juristische oder politische Aufklärung von Korruptionsverdacht geht, sind merkwürdige Komplikationen so sicher wie das Amen im Gebet. Natürlich stellt auch der Ibiza-U-Ausschuss da keine Ausnahme dar. Er ist bereits vor seinem richtigen Start leidgeprüft: Zuerst wollten ÖVP und Grüne wichtige Untersuchungsthemen blockieren, dann düpierte Nationalratspräsident und damit der Ausschussvorsitzende Wolfgang Sobotka die Opposition mit einem sehr bescheidenen Terminplan – der jetzt raufverhandelt wurde.
Jetzt wird Sobotka selbst zum Streitfall. Er traf vergangenes Jahr zweimal Vertreter der Novomatic, um die es im U-Ausschuss gehen wird. Das Alois-Mock-Institut, dessen Präsident er ist, kooperierte mit dem Glücksspielkonzern – und ließ sich durch Inserate mitfinanzieren. Das ist eine suboptimale Ausgangslage. Sobotka macht es sich selbst schwer, wenn er jetzt auf den Vorsitz besteht.
Dazu kommt das Gemurks rund um ein geeignetes Ausschusslokal. Nach bisherigen Erfahrungswerten aus dem BVT- und dem Eurofighter-Ausschuss ist die geplante Lokalität für Zeiten der Pandemie nicht besonders gut geeignet, wie beispielsweise die SPÖ anmerkt. Es wäre Zeit, hier einen Digitalisierungsschub zu leisten und Journalisten den Fernzugang zu Videostream zu ermöglichen – oder am besten gleich der ganzen Bevölkerung. Aber bis es so weit ist, werden wohl noch einige U-Ausschüsse geführt werden.