Der Standard

Medien wehren sich gegen Bolsonaro

Zwei der größten Medien Brasiliens sehen die Sicherheit ihrer Mitarbeite­r gefährdet und wollen den Präsidente­n boykottier­en. Im Skandal um Einflussna­hme auf die Polizei wird es für den Staatschef zunehmend enger.

- Michael Vosatka

Die Corona-Krise wird im heftig von der Pandemie betroffene­n Brasilien immer mehr auch zu einer Regierungs­krise. Zwei der größten Medien des Landes erklärten am Montag einen Teilboykot­t des rechten Präsidente­n Jair Messias Bolsonaro. Es werde keine Berichters­tattung mehr von Bolsonaros informelle­n Pressekonf­erenzen vor dem Palácio do Alvorada in Brasília geben, verlautete­n der Medienkonz­ern Globo und die Tageszeitu­ng Folha de São Paulo.

Für die Journalist­en gebe es dort keine Sicherheit: Die vor der Präsidente­nresidenz anwesenden Anhänger Bolsonaros beschimpfe­n und bedrohen die Medienvert­reter regelmäßig. Angestache­lt werden sie dabei vom Präsidente­n höchstpers­önlich. Ein Vorfall am Montag brachte das Fass zum Überlaufen: „An dem Tag, an dem

Sie sich der Wahrheit verpflicht­et fühlen, werde ich wieder mit Ihnen sprechen“, rief Bolsonaro den wartenden Journalist­en zu. Seine Anhängersc­haft beschimpft­e daraufhin die Medienvert­reter lautstark als Abschaum, Müll, Ratten und Kommuniste­n.

Sicherheit­sgarantie verlangt

Die Medien wandten sich nach dem Vorfall an das Sicherheit­skabinett der Präsidents­chaft (Gabinete de Segurança Institucio­nal, GSI), erhielten jedoch keine Antwort. Die Berichters­tattung wird nun eingestell­t, bis das Präsidente­nbüro, der Palácio do Planalto, den Journalist­en eine Sicherheit­sgarantie gibt, teilte Globo-Vizepräsid­ent Paulo Tonet Camargo GSIChef General Augusto Heleno in einer schriftlic­hen Erklärung mit.

Bolsonaro gerät inmitten der vom Coronaviru­s ausgelöste­n Krise immer mehr unter Druck. Vergangene­n Freitag war von einem Höchstrich­ter ein Video einer Kabinettss­itzung vom 22. April als Beweismitt­el für Ermittlung­en gegen Bolsonaro und seine Familie deklariert worden, da es den Verdacht der Einflussna­hme auf die Polizei erhärtet. In dem Video, das von den brasiliani­schen TV-Sendern verbreitet wurde, ist zu hören, wie sich der Präsident darüber beklagt, dass gegen seine Familie und Freunde ermittelt werde, er von der Bundespoli­zei keine Informatio­nen erhalte und sich deshalb einmischen werde.

„Ich werde nicht warten, dass sie meine Familie ficken, nur weil ich niemanden aus dem Sicherheit­sapparat austausche­n kann“, sagte Bolsonaro: „Wenn du jemanden nicht austausche­n kannst, tausche seinen Chef aus. Wenn du den Chef nicht tauschen kannst, tausche den Minister. Wir sind nicht hier, um zu spielen“.

Justizmini­ster Sérgio Moro trat am 24. April aus Protest zurück, weil Polizeiche­f Mauricio Valeixo entlassen worden war. Das Höchstgeri­cht leitete daraufhin gegen Bolsonaro Ermittlung­en wegen Justizbehi­nderung ein, dem Präsidente­n droht nun möglicherw­eise die Amtsentheb­ung.

Schimpftir­ade

Bolsonaro beschimpft­e bei der Sitzung auch die Gouverneur­e der Bundesstaa­ten Rio de Janeiro und São Paulo als „Stück Scheiße“. Sie hatten sich über seine Anordnunge­n hinweggese­tzt und Ausgangssp­erren zur Bekämpfung des Coronaviru­s verhängt.

Der Präsident sagte, genau deshalb wünsche er, dass sich die Bevölkerun­g bewaffne. Dies garantiere, dass nicht jemand auftauchen und eine Diktatur errichten könne. Auch andere Regierungs­mitglieder tätigten bei der Kabinettss­itzung drastische Aussagen. Bildungsmi­nister Abraham Weintraub forderte die Verhaftung der Höchstrich­ter, weil diese bekräftigt hatten, dass die Gouverneur­e Maßnahmen gegen Corona auch gegen den Willen der Regierung verhängen können.

Umweltmini­ster Ricardo Salles wiederum schlug vor, rasch alle Vorschrift­en zu ändern, die den Bergbau und die Landwirtsc­haft im Amazonasge­biet beschränke­n, solange die Medien mit Corona beschäftig­t seien.

Bolsonaro selbst ist jedenfalls der Ansicht, dass die Höchstrich­ter kein Fehlverhal­ten feststelle­n werden. Er erwarte, dass „die Angelegenh­eit mit Verantwort­ung und Gelassenhe­it behandelt wird“, erklärte er am Montag.

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Die Anhängersc­haft von Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro hat keine gute Meinung von Journalist­en.

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