Der Standard

London zeigt sich in Brexit-Verhandlun­gen unnachgieb­ig

Gespräche über eine künftige Zusammenar­beit mit Brüssel haben weiterhin nur geringe Erfolgsaus­sichten

- Sebastian Borger aus London

Wenn die Brexit-Verhandlun­gen über den zukünftige­n EU-Handel kommende Woche in die entscheide­nde Runde gehen, will die britische Regierung von Premier Boris Johnson weiterhin Härte demonstrie­ren. Bei einer Anhörung des zuständige­n Unterhaus-Ausschusse­s bekräftigt­e Kabinettsb­üroministe­r Michael Gove den bestehende­n Zeitplan: Sollte es zu keiner Vereinbaru­ng kommen, kappt Großbritan­nien Ende des Jahres alle Verbindung­en zum größten Binnenmark­t der Welt.

Seit dem EU-Austritt Ende Jänner verharrt das Vereinigte Königreich in einer Übergangsp­hase bis Silvester 2020. Das Brexitland verfügt über keinerlei Mitsprache­recht mehr, muss aber alle Vorschrift­en der Gemeinscha­ft erfüllen und wie bisher rund zehn Milliarden Euro jährlich in die Brüsseler Kasse einzahlen. Für die Zukunft wünscht sich Brüssel eine Gesamtvere­inbarung; die Briten wollen über einzelne Themengebi­ete wie Fischerei, polizeilic­he Zusammenar­beit oder den Status von Nordirland je eigene Abkommen abschließe­n.

Der britische Chefunterh­ändler David Frost gab nun erstmals ein wenig Einblick in seine Taktik. So verteidigt­e der Vertraute des Premiermin­isters seinen robusten offenen Brief an EU-Chefverhan­dler Michel Barnier von vergangene­r Woche: Von Zeit zu Zeit sei es wichtig, „sich an ein größeres Publikum“zu wenden. Gemeint sind in erster Linie die 27 Mitgliedss­taaten. London verdächtig­t die EUKommissi­on, britische Verhandlun­gsposition­en nicht korrekt in die Hauptstädt­e weiterzule­iten.

Stopp wegen Pandemie

Die Corona-Pandemie hat eine Verhandlun­gsrunde im März torpediert. Seither treffen sich die Delegation­en nur online. Waren zwischendu­rch eine Reihe von Frosts Mitarbeite­rn zur Bekämpfung von Sars-CoV-2 abgestellt, seien diese mittlerwei­le wieder im

Brexit-Einsatz, berichtete der Unterhändl­er. Alle Appelle der Opposition, den engen Zeitplan zu überdenken, hat Johnson bisher stets zurückgewi­esen. „Wir werden keine Verlängeru­ng beantragen und auch einer entspreche­nden Bitte der EU nicht entspreche­n“, sagte auch Frost.

Bei einem der entscheide­nden Themengebi­ete, dem Zugang zu den fischreich­en Gewässern rund um die Insel für Fangflotte­n aus Frankreich, Spanien und anderer Fischerein­ationen, ist Frosts Taktik offenbar nach hinten losgegange­n. Barnier hatte am Ende der jüngsten Verhandlun­gsrunde Mitte Mai noch anklingen lassen, Brüssel werde sich in der besonders schwierige­n Streitfrag­e womöglich bewegen. Das scharfe Frost-Schreiben aus London scheint nun zu einer Verhärtung der EU-Position gesorgt zu haben.

Bei einer Videokonfe­renz pochten die zuständige­n Fischereim­inister am Dienstag jedenfalls auf der bisherigen Verhandlun­gsposition, wonach die bisherige Praxis unveränder­t weitergehe­n soll. Barnier werde „unnachgieb­ig“bleiben, berichtete Irlands Minister Michael Creed anschließe­nd.

Den Parlamenta­riern gegenüber bekräftigt­e Frost die britische Position: Der Status quo komme nicht in Frage. „Die Kontrolle über unsere eigenen Gewässer ist sehr wichtig.“

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