Maskenpflicht fällt ab 15. Juni in fast allen Bereichen
Ein Meter Abstand bleibt weiter aufrecht Sperrstunde wird auf ein Uhr nachts verlegt
Wien – Die Bundesregierung kündigte am Freitag weitere Lockerungen der Maßnahmen gegen das Coronavirus an. In der nächsten Phase wolle man auf „weniger Regeln, mehr Eigenverantwortung“setzen. Ab 15. Juni fällt daher großteils die Pflicht zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes in der Öffentlichkeit, wie Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) bekanntgab. Der Mindestabstand bleibt.
Die angekündigten Lockerungen seien ein weiterer Schritt zurück zur Normalität. Diese könne man nicht gleich von null auf hundert erreichen. Jedoch: Wenn sich die Situation wieder verschlechtert, würden wieder härtere Maßnahmen folgen, mahnte Kurz.
Was gilt also ab Mitte Juni?
■ Dreimal Maske Ab 15. Juni ist der
Mund-Nasen-Schutz nur noch in drei Bereichen verpflichtend: in öffentlichen Verkehrsmitteln, im Gesundheitsbereich – dazu zählen auch Apotheken – und bei Dienstleistungen, wo der Mindestabstand von einem Meter nicht eingehalten werden kann (etwa Friseure oder Mitarbeiter der Gastronomie). Auch in den Schulen wird die Maske wegfallen.
■ Sperrstunde verschoben Ebenfalls ab 15. Juni werden die Öffnungszeiten in der Gastronomie ausgedehnt. Statt wie bisher nur bis 23 Uhr darf man dann bis ein Uhr nachts in der Gaststätte verweilen.
■ Keine Beschränkung für Lokaltisch Ebenso fällt die Vier-Personen-Beschränkung in der Gastronomie. Zwischen Gruppen, egal welcher Größe, die nichts mit einander zu tun haben, muss weiterhin ein Tischabstand von mindestens einem Meter gehalten werden.
■ Einreisequarantäne fällt Ab 15.
Juni wird für Reisende aus jenen Staaten, mit denen Österreich eine Vereinbarung hat, der Grenzübertritt erleichtert. Die Einreise nach Österreich ist dann ohne Gesundheitszertifikat und ohne 14tägige Quarantäne möglich. Bis dahin bleibt es bei Stichproben. Ein regional unterschiedliches Tempo bei den Lockerungen, wie es zuletzt von Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) aus Kärnten gefordert wurde, wird es nicht geben. Allerdings kündigte Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) diesbezüglich an, wenn nötig, individuell mit einem Bezirk oder Bundesland zusammenzuarbeiten, wenn die Zahlen regional wieder steigen. Allfällige neuerliche Verschärfungen können also nur einzelne Regionen treffen.
Die Maske wird „Schritt für Schritt ein Stück weit abgelegt“. Das war die Kernbotschaft von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP), der am Freitag auf die nach wie vor sehr niedrigen Corona-Ansteckungszahlen in Österreich verwies. Das mache den angekündigten Start einer neuen Phase hin zu „weniger Regeln, mehr Eigenverantwortung“möglich: Ab 15. Juni, also in zwei Wochen, muss ein Mund-NasenSchutz nur noch in bestimmten Bereichen getragen werden: in Öffis, im Gesundheitsbereich inklusive Apotheken sowie in jenen Dienstleistungsbereichen, wo der Mindestabstand nicht eingehalten werden kann.
Die Maskenpflicht gilt laut Kurz dann aber nur noch für Mitarbeiter etwa in Friseurläden oder der Gastronomie – aber nicht mehr für Kunden. Nicht mehr benötigt wird die Maske also beim Einkaufen in Supermärkten und Geschäften, in der Schule oder auch im Tourismus. Auch für Polizisten wird es Erleichterungen geben.
Zudem gibt es weitere Lockerungen in der Gastronomie: Die Sperrstunde wird von 23 Uhr auf 1 Uhr verlängert. Und die VierPersonen-Regel pro Tisch wird gekippt. Künftig sind also auch größere gesellige Runden wieder möglich. Was bleibt, ist der Mindestabstand zwischen den Tischen verschiedener Gruppen.
Keine regionale Lockerung
Diese Maßnahmen gelten für ganz Österreich. Regionale Lockerungen für Bundesländer, die fast nicht mehr von Corona betroffen sind, wird es vorerst damit nicht geben. An einem entsprechenden Paket wurde zuletzt von den Landeshauptmännern Peter Kaiser (SPÖ) aus Kärnten und Oberösterreichs Thomas Stelzer (ÖVP) gewerkt. Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) versicherte aber, dass dieses Konzept „weitgehend eingearbeitet“wurde.
Die Regierung wählte den anderen Weg: Denn laut Anschober kann es bei einem regional signifikanten Anstieg von Zahlen durchaus auch zu Verschärfungen in nur einigen Bundesländern kommen. Der Minister nannte es „länderspezifische Reaktionen“.
Zuletzt wurde ein großer Ansteckungscluster rund um Postverteilzentren und Asylunterkünfte in Wien und Niederösterreich bekannt. Bisher seien die Bundesländer bei der Entwicklung von Maßnahmen aber „höchst kooperativ“gewesen. Das Hauptziel sei laut Anschober, eine zweite Welle zu vermeiden. Bei dem angeführten Cluster habe es mehr als 200 Erkrankungsfälle gegeben. Das Bemerkenswerte: Mehr als zwei Drittel der Fälle seien asymptomatisch gewesen. „Das Virus ist nicht auf Urlaub“, so Anschober.
Zuletzt gab es laut Kurz österreichweit nur noch insgesamt 27 Neuinfektionen in 24 Stunden. 23 Neuerkrankungen davon betrafen ein Bundesland: Wien. In fünf Ländern gab es gar keine Neuinfektionen mehr. Weil es aber auch 61 neu Genesene gab, ist die Zahl der Erkrankten weiterhin am Sinken: Zuletzt waren es laut Anschober nur noch 640 aktiv Erkrankte. Mit möglichen regionalen Verschärfungen müsste sich bei einem größeren Anstieg der Neuinfektionen nach derzeitigem Stand also nur Wien als einzige Millionenstadt des Landes beschäftigen.
Quarantänepflicht gelockert
Kurz gab zudem bekannt, dass ab 15. Juni auch die 14-tägige Quarantänepflicht – oder ein notwendiger negativer Corona-Test – bei der Einreise aus Deutschland, Liechtenstein und der Schweiz fällt. Eine vollständige Grenzöffnung ohne Kontrollen ist hier vorgesehen. Mit den weiteren Nachbarstaaten gebe es gute Gespräche und teils auch akkordierte Lösungen. Mit Italien gibt es aber noch größeren Diskussionsbedarf. Am Mittwoch sollen hier weitere Details präsentiert werden.
Bezüglich der Aufhebung der Maskenpflicht an Schulen verwies Kurz auch auf eine Pressekonferenz von Bildungsminister Heinz Faßmann am Samstag.
Denn dem Vernehmen nach könnte das Aus für die Maske an Schulen auch früher kommen. Anbieten würde sich etwa der Mittwoch nach Pfingsten. Was hingegen bis zum Sommer durchgehalten wird: Abstandsregeln und Schichtbetrieb. Wobei es auch bei Letzerem noch zu Änderungen kommen könnte – so wird etwa an eine freiwillige Bewegungseinheit am Nachmittag gedacht. Was vorerst noch offenbleibt, ist, ob auch die Dauer des Unterrichts wieder ausgeweitet wird. Außerdem will man für Maturafeiern und den letzten Schultag lebbare Regelungen finden.
Am Freitag sperrten übrigens erstmals seit dem Lockdown Mitte März Hotels, Freibäder und Thermen sowie Fitnessstudios wieder auf. Beim Betreten und Verlassen der Einrichtungen ist ein MNS-Schutz verpflichtend. Auch Freizeiteinrichtungen wie die Fahrgeschäfte im Prater, das Riesenrad oder die Aussichtsplattformen auf dem Donauturm haben geöffnet.
David Meixner hält mit seinen Haustechnikern im Hotel Ibis seit Wochen zwischen dem Wiener Gürtel und Wien-Döbling die Stellung. Das Haus ist geschlossen, die Glocke ausgeschaltet. Der Journalistin, die durch die Glastür späht, gewährt er über die Garage Einlass. Blitzblank geputzt harren hier Frühstückstische auf Gäste. Eigentlich dürfen seit ein paar Stunden die Pensionen und Hotels wieder Gäste empfangen. Allein es kommt keiner.
Ursprünglich wollte der Hoteldirektor Ende Mai aufsperren. Die Buchungslage blieb aber so dünn, dass er den Neustart wie viele Kollegen auf 17. Juni verschob. Die wenigen österreichischen Stammgäste, die sich ansagten, lasten den Betrieb nicht aus, bedauert Meixner, wirft die Kaffeemaschine an und streicht bunte Stoffmasken glatt, die er hat fertigen lassen. „Wir haben hohe Fixkosten, jetzt zu öffnen rechnet sich nicht.“
Das Ibis sticht nicht heraus. Mehr als die Hälfte der Wiener Beherbergungsbetriebe bleiben am offiziellen „Tag der Öffnung“vorerst geschlossen. „2020 wird kein Jahr des Wirtschaftens, sondern des Überlebens“, resümiert WienTourismus-Chef Norbert Kettner. Die Hoffnung liegt auf der geplanten Grenzöffnung am 15. Juni für Deutsche und Schweizer. Andernorts wagt man sich daher an die Wiedereröffnung. „In normalen Zeiten hätten wir über diese Buchungslage geweint, jetzt freuen wir uns.“Mit diesen Worten fasst Lisa Wiesenthal, Managerin im Hotel Altstadt Vienna Gemütsund Wirtschaftslage des Betriebs in Wien-Neubau zusammen. Hier wird noch letzte Hand angelegt, die ersten Gäste sollen demnächst einchecken. Wie viele werden es am ersten Tag sein? 16 Anreisen aus Österreich sind es, „wir freuen uns sehr, auch wenn jemand nur eine Nacht bleibt“, wiederholt die Hotelmanagerin. 60 Zimmer hat das Boutiquehotel, um diese Jahreszeit liegt die Auslastung üblicherweise bei rund 90 Prozent.
Ähnlich sieht das Behrouz Sayahpour, der ein paar Gehminuten entfernt beim Volkstheater die HotelPension Museum betreibt. Ein Dreisternehaus mit 20 Zimmern, die zum Teil einen beeindruckenden Blick auf die Stadt gewähren; Der Blick aufs Hotelgeschäft ist getrübt. Im Frühstückszimmer sitzt ein Gast, eine Deutsche, „normalerweise wären hier jetzt alle Tische besetzt“, sagt der Hotelier. Nach null Euro Umsatz in den vergangenen Monaten hat er vom ersten Öffnungstag bis Pfingstmontag vier Zimmer vermietet, für die Monate danach rechnet er erneut mit: Flaute.
Wie er selbst über die Runden kam? Mit einem zu 80 Prozent staatlich garantierten Kredit und einmal 1000 und einmal 500 Euro aus dem Härtefallfonds.
Gleich ums Eck, im Fünfsternehotel Sans Souci Wien mit seinen 63 Zimmern und zwei Apartments und Spa, geizt man mit Zahlen, gesteht das Unübersehbare aber ein. Die Buchungslage sei trotz spezieller Angebote nicht gut. Eine Managerin des Luxusetablissements bringt es auf den Punkt: „Jede Buchung ist ein Geschenk.“
Übers Jahr gerechnet gehen die Wiener Hoteliers von einem Umsatzverlust von 50 Prozent aus – je nachdem, wie es mit den Lockerungen weitergeht. Stadthotels leben vor allem vom kulturellen Angebot, von Kongressen und anderen Veranstaltungen. Altstadt-Managerin Wiesenthal wagt daher keine Prognosen. Alles geschehe nun kurzfristig. Auf das neue Buchungsverhalten werde man sich eben einstellen müssen.
In Salzburg gibt es bei den Buchungszahlen ein großes StadtLand-Gefälle. In der Stadt sperren einige Hotel erst gar nicht auf. Die Ferienhotellerie auf dem Land geht hingegen zuversichtlich in die Neueröffnung. Herta Idinger vom Seehotel Schlick am Fuschlsee hat am Freitag bereits die ersten 26 Gäste begrüßt. „Die Leute sind total entspannt, niemand war hysterisch.“
Mit den Regeln und Hygienebestimmungen gebe es keine Probleme. Der Gastgarten am See biete genug Platz. Das Pfingstwochenende sei sogar sehr gut gebucht. „Aber danach rasseln wir runter.“
Gute Aussichten haben Betriebe im Pongauer Bergdorf Filzmoos. Die Wandersaison im Spätsommer und Herbst sei ausgezeichnet gebucht, vor allem von Urlaubern aus Deutschland und Österreich, sagt Tourismusdirektor Peter Donabauer. Man profitiere von einem treuen Stammpublikum. Er rechnet mit einem Sommerminus von nur zehn Prozent.
In Wien will das Hotel Ibis die erzwungene Pause nicht zu lange ausdehnen. Das Risiko, Stammkunden zu verlieren, sei zu groß, sagt Meixner. Zur Ruhe gekommen ist er in den vergangenen Wochen nicht. Die Vollbremsung des Betriebs ging mit einer fünfseitigen Checkliste einher, die abzuhaken war. Das regelmäßige Aufdrehen der Hähne, um Wasserkreisläufe in Schwung zu halten, zählte dabei zu den kleinsten unerlässlichen Aufgaben. Von der Krise unbeeindruckt blieben allein die Bienen am Dach des Hotels. Sie sammeln von der luftigen Höhe aus Biohonig für künftige Gäste.