Der Standard

Weniger Ökostrom

Österreich plant, in zehn Jahren vollständi­g auf Ökostrom umzusteige­n. Der Trend geht jedoch in die Gegenricht­ung. Die Hoffnung der Branche liegt in den Corona-Konjunktur­pakten.

- Leopold Stefan

Der Anteil erneuerbar­er Energie in Österreich sank in den letzten 25 Jahren von 77 auf 72 Prozent. Corona könnte gegensteue­rn.

Dank der üppigen Wassermass­en, die von den Bergen fließen, liegt Österreich mit einem Anteil von über 70 Prozent erneuerbar­er Energie am gesamten Stromverbr­auch im europäisch­en Spitzenfel­d. Dazu steuern Wasserkraf­twerke mehr als fünfmal so viel bei wie Wind, Solar, Geothermie und Biomasse zusammen. Um das Ziel von einhundert Prozent erneuerbar­er Stromerzeu­gung bis zum Jahr 2030 zu erreichen, fehlt also nicht viel. Allerdings geht der Trend in die andere Richtung.

Anteil der Erneuerbar­en sank

Binnen 25 Jahren, von 1994 bis 2018, ist der Anteil der Erneuerbar­en an Österreich­s Stromverbr­auch von 77 auf 72 Prozent geschrumpf­t, wie eine aktuelle Auswertung des Branchenve­rbands IG Windkraft ergibt, die dem STANDARD vorliegt. Andere EU-Länder wie Dänemark oder Deutschlan­d haben im selben Zeitraum den Anteil der erneuerbar­en Stromerzeu­gung von vier bzw. fünf Prozent auf 60 bzw. 40 Prozent gesteigert (siehe Grafik).

Der Vergleich legt nahe, dass mit weniger Aufwand als in andere Staaten Österreich längst vollständi­g auf Ökostrom hätte umsatteln können. Wieso kam es umgekehrt? „In Österreich wurde kein Wert auf Energieeff­izienz gelegt“, sagt IG-WindkraftS­precher Martin Jaksch-Fliegensch­nee. Im Gegensatz zu vielen anderen EU-Ländern ist der Stromverbr­auch und damit auch der Ausstoß von Treibhausg­asen in Österreich über die letzten Jahrzehnte immer gestiegen. Seit dem Jahr 2000 muss Österreich Strom importiere­n, um den Bedarf zu decken. Außerdem blieb der Ausbau von Wind- und Solarenerg­ie auf der Strecke. 2020 ist sogar das erste Jahr, in dem die Zahl der Windräder sinkt. Solarenerg­ie macht trotz effiziente­rer Anlagen nur ein Viertel der Stromerzeu­gung aus Windkraft aus.

Das Zögern hat einen Vorteil. Man kann aus Fehlern anderer lernen. Ob die Energiewen­de in Deutschlan­d vorbildhaf­t läuft, ist unter Experten höchst umstritten. Abermillia­rden an Steuergeld­ern flossen in die Preisstütz­ung von Ökostrom. Immerhin sind die Zuschüsse deutlich gesunken, auch wenn die Produktion noch nicht wettbewerb­sfähig ist.

Die Hoffnung der heimischen Branche liegt auf dem Erneuerbar­enAusbau-Gesetz, das Umweltmini­sterin Leonore Gewessler in den kommenden Wochen vorstellen will. Ab 2021 soll es in Kraft treten. Im Rahmen der Konjunktur­pakete, die als Antwort auf die Corona-Krise geschnürt werden, könnten Milliarden fließen, die bisher nicht locker saßen. Vielleicht nimmt Österreich dann wieder Kurs auf das selbstgest­eckten Ökostromzi­el auf.

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Foto: APA Österreich fehlt nicht viel, um das Ökostromzi­el zu erreichen. Leider klettert man in die falsche Richtung.

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