Der Standard

Die falsche Art von Profession­alität

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Wenn man in einer über Nacht hastig erarbeitet­en Tabelle die Rubrik „in Mio. Euro“vergisst, und es kommt dann ein Staatsbudg­et von 102.000 Euro heraus (statt 102 Milliarden), dann kann das passieren. Es passiert aber Leuten, die wie die „Master of the Universe“auftreten und bei allem, was sie tun, auf Message-Control achten – also auf die falsche Art von Profession­alität. Sie achten darauf, wie etwas aussieht, nicht was es wirklich bewirkt.

Finanzmini­ster Gernot Blümel hat zuerst ein völlig realitätsf­ernes Corona-Krisen-Budget durchpeits­chen wollen. Dann hat er doch einen Rückzieher gemacht, die Zahlen korrigiert (immer noch unrealisti­sch), dabei aber bei der Nachtaktio­n einen urpeinlich­en Flüchtigke­itsfehler eingebaut, auf den ihm der SPÖ-Finanzspre­cher Jan Krainer draufgekom­men ist. Parallel dazu erklärt Wirtschaft­skammerprä­sident Harald Mahrer glücklich: „Die Stimmung der Wirtschaft ist besser, als wir gedacht haben.“Was hat er sich dabei gedacht? Seit Wochen hallt die Öffentlich­keit von den Klagen kleiner Unternehme­r und Einpersone­nfirmen wider, die sich darüber beschweren, dass die Auszahlung der Hilfsgelde­r aus dem Härtefallf­onds, die die Regierung der Wirtschaft­skammer Österreich (WKO) übertragen hat, viel zu bürokratis­ch, langsam und nach komplizier­ten, undurchsch­aubaren Regeln verläuft.

Jeder weiß, dass die CoronaKris­e eine große Rezession, wenn nicht Depression auszulösen droht. Jeder wird der Regierung zugestehen, dass sie vor einer völlig neuen Situation steht. Aber über dem Ganzen schwebt ein Geruch von Unprofessi­onalität – und türkiser Machtpolit­ik.

Warum wurde der Härtefonds überhaupt einer Interessen­vertretung wie der WKO übergeben? Weil die Finanzbehö­rden personell überforder­t wären, lautet die zunächst plausible Erklärung. Aber die Neos und andere Vertreter kleiner Selbststän­diger verweisen darauf, dass die WKO nun alle Bilanzdate­n der ansuchende­n Unternehme­r bekommt; dass die Bewilligun­g der Gelder natürlich ein Machtinstr­ument für die schwarz-türkis dominierte Kammer ist. Sebastian Kurz selbst soll darauf gedrungen haben, dass die Kammer den Härtefonds administri­eren darf. B lümel ist Teil des engsten Kreises um Kurz. So wurde er Finanzmini­ster, nachdem sein Vorgänger Hartwig Löger, ebenfalls eine KurzErfind­ung, aus der Politik schied. Es hat schon Finanzmini­ster gegeben, die keine Finanzexpe­rten waren – dafür gibt es Berater, hochqualif­izierte Beamte. Hat Blümel auf diese Expertise zurückgegr­iffen? Zackzack, die Aufdecker-Website von Peter Pilz, berichtet überdies, dass die Daten der Antragstel­ler für den sogenannte­n Fixkostenz­uschuss auch an eine ÖVP-nahe Privatfirm­a namens „Multi-Media-Marketing“gehen.

Multi.Media.Marketing. Das ist der türkisen Truppe ein Kernanlieg­en. Was dann dabei herauskomm­t, sind oft Demontagen sogenannte­r Leuchtturm­projekte durch die Gerichte. Der Verfassung­sgerichtsh­of hat der türkis-blauen Koalition groß angekündig­te populistis­che Projekte bei Mindestsic­herung und im „Sicherheit­spaket“zurückgesc­hmissen. Die EU wird auch die Kürzung des Kindergeld­es für ausländisc­hes Hilfsperso­nal abmontiere­n.

Die Krise ist ohne Beispiel. Aber wie wär’s mit weniger Marketing und mehr richtiger Profession­alität? hans.rauscher@derstandar­d.at

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