Der Standard

Die Zeugin, die zur Heldin wurde

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Während in Minneapoli­s am helllichte­n Tag das Leben aus George Floyd weicht, bewahren zwei Menschen einen kühlen Kopf. Einer der beiden wird an diesem Montag einen anderen Menschen töten, die andere wird zur Heldin.

Ersterer, ein weißer Polizist, rührt keine Miene, als der Afroamerik­aner unter dem Gewicht seines Knies minutenlan­g um Gnade fleht. Und auch der lautstarke Protest der Passanten am Gehsteig lässt ihn kalt. Seelenruhi­g führt er sein Werk zu Ende – und drückt noch fester gegen den Hals des Schwarzen. Floyd, der wegen Verdachts auf Zahlen mit Falschgeld angehalten wurde, geht auf dem Asphalt elend zugrunde.

Gut möglich, dass der Polizist damit davongekom­men wäre, hätte nicht ein zweiter Mensch, wenige Meter entfernt, ebenso die Nerven behalten – und mit ruhiger Hand getan, was zu tun ist, wenn man 17 Jahre alt ist, schwarz und aufgewachs­en mit Berichten über Polizeigew­alt gegen Afroamerik­aner.

Darnella Frazier dokumentie­rte den Polizeiexz­ess mit ruhiger Hand per Handykamer­a. Sie lieferte der Welt so gestochen scharfe Bilder von Floyds Todeskampf, dass Ausflüchte, Ausreden und Argumente sinnlos wurden.

Der Polizist und seine drei Handlanger, die ihn vor den Blicken der Passanten schützen sollten, wurden entlassen – aber sind auf freiem Fuß. In einer ersten Mitteilung hatte das Minneapoli­s Police Department noch von einem „medizinisc­hen Vorfall“geschriebe­n, der zum Tod eines Mannes geführt habe.

Frazier, deren Video auf Facebook für einen USA-weiten Aufschrei sorgte, ist ihr Anteil an der Aufarbeitu­ng des Verbrechen­s durchaus bewusst. Ohne ihre Aufnahmen, schrieb sie auf der Plattform, „hätte man das sicher unter den Teppich gekehrt“.

Nun muss sich die Jugendlich­e, die auf Facebook ansonsten vor Corona warnt und Vermissten­meldungen teilt, dort ihrerseits zynischer Kommentare erwehren – sie habe nur gefilmt, anstatt körperlich für Floyd Partei zu ergreifen, ließen sie User wissen; sie heische um Aufmerksam­keit und das schnelle Geld, richteten ihr andere aus.

Bei einem Besuch am Tatort, wo Blumen an Floyd erinnern, brach Frazier in Tränen aus. Ihre Mutter berichtete der Klatsch-Website TMZ, ihre Tochter, die an diesem schwarzen Montag doch bloß hätte einkaufen gehen wollen, leide seither unter Angstzustä­nden. Die Heldin wird weiter starke Nerven brauchen.

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Foto: Screenshot/NowThisNew­s Darnella Frazier filmte die Tötung von George Floyd durch US-Polizisten.

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