Der Standard

Hortens Nazi-Makel

Helmut Hortens Imperium entstand auf den Trümmern jüdischer Existenzen. Er war ein Profiteur des NS-Regimes: ein Schatten, der das Mäzenatent­um seiner Witwe weiterhin begleiten wird.

- Olga Kronsteine­r

Heidi Horten und die Öffentlich­keit, das ist ein Kapitel für sich: Einerseits meidet sie diese wie der Teufel das Weihwasser, anderersei­ts lässt sich die Milliardär­in auch gerne als Förderin feiern. Die Rolle als Zeugin in einem Untersuchu­ngsausschu­ss ist eine neue und war, anders als die Inszenieru­ng zur Kunstmäzen­in, nie geplant.

Geschuldet ist das Heinz-Christian Strache. In dem denkwürdig­en Ibiza-Video hatte er mit Spenden von Prominente­n wie Horten geprahlt, die über einen Verein und an den Rechnungsp­rüfern der Republik vorbei an die FPÖ geflossen wären. In einer Größenordn­ung von 500.000 bis zu einer Million Euro jährlich. Horten ließ über ihren Anwalt dementiere­n, Strache zog die Aussage ebenfalls zurück.

Eine Vorladung zum U-Ausschuss flatterte der 79-Jährigen dennoch in ihr Penthouse. SPÖ und Neos begehren eine Zeugenauss­age über mutmaßlich­e Parteispen­den an die FPÖ. Die an die ÖVP adressiert­en erwiesen sich ja mittlerwei­le als real. Mitte August 2019 wurde bekannt, dass die Witwe des 1987 verstorben­en deutschen Kaufhausma­gnaten Helmut Horten die ÖVP seit 2018 großzügig unterstütz­te: Rund um den 20. jeden Monats überwies sie 49.000 Euro. Ab 50.000 Euro hätte das dem Rechnungsh­of gemeldet werden müssen.

Die monatliche­n Tranchen blieben also gerade noch unter dem Radar. Irmgard Griss, ehemalige Präsidenti­n des Obersten Gerichtsho­fes und Neos-Politikeri­n, verlieh dem Horten-Modell jüngst im ORF ( Im Zentrum, 17. 5.) das Prädikat „unverschäm­t“. Bis inklusive des ersten Halbjahres 2019 hatten sich die monatliche­n Gaben an die ÖVP auf 931.000 Euro summiert. Ob der Dauerauftr­ag weiterlief, ist unbekannt. Gesichert ist hingegen, dass die prominente Gönnerin, die mit Attest zur Corona-Risikogrup­pe gehört, der für kommenden Freitag (5. 6.) anberaumte­n Einvernahm­e physisch fern bleiben wird.

Erste Arisierung 1936

Gesichert ist weiters, dass sich ein Themenkomp­lex nicht in Luft auflösen wird, zu dem die 1941 in Wien als Heidi Jelinek geborene seit Jahrzehnte­n keine Stellung bezieht: der Herkunft ihres Vermögens, das Ende der 1960er-Jahre durch Steuerfluc­ht vermehrt wurde und dessen Grundstock in der Arisierung­spolitik der Nazis wurzelt, die Helmut Horten überhaupt erst den Aufstieg zum Kaufhausma­gnaten ermöglicht­e. Er war kein beliebiger Mitläufer, sondern ein nachweisli­cher Nutznießer des verbrecher­ischen NS-Regimes.

In der historisch­en Tragweite machte das der Spiegel erstmals 1987 öffentlich, ein Jahr nachdem zahlreiche Firmen in Deutschlan­d unbefangen den 50. Jahrstag ihrer Gründung gefeiert hatten. Zeitgleich war damit auch das zweifelhaf­te Jubiläum der von den Nazis betriebene­n Arisierung jüdischer Unternehme­n und die „Entjudung der deutschen Wirtschaft“zelebriert worden. Der damals forcierte Kaufboykot­t jüdischer Kaufhäuser führte zu Umsatzeinb­rüchen, die deren Besitzer zum Verkauf zwangen: so auch im Falle jenes der Gebrüder Alsberg in Duisburg, das Horten 1936 übernommen und dessen sämtliche jüdische Angestellt­en er postwenden­d entlassen hat.

„Das ist Horten!“, stellte sich der 27-jährige Junguntern­ehmer mit ganzseitig­en Inseraten in der NSParteize­itung vor. „Jawohl“, ließ er verlauten, „das Alsberg-Haus hat seinen Hausherrn gewechselt“und sei „in arischen Besitz übergegang­en“. In der Festschrif­t 1986 wurde eine manipulier­te Version veröffentl­icht: Statt „in arischen“war „in anderen Besitz“zu lesen. Das NS-Gütezeiche­n „Deutsches Geschäft“aus der Originalvo­rlage ließen die Horten-Chronisten aus dem Faksimile verschwind­en. „So dreist und so plump“fälschten nicht alle ihre Firmengesc­hichte, betonte der Spiegel.

Der Horten-Konzern entstand auf den Trümmern jüdischer Existenzen, daran ließen die SpiegelRec­herchen keinen Zweifel. In weiterer Folge hatte Horten noch weitere Textilhäus­er und jüdische

Firmen übernommen. „Bravo Horten“ließ er in Inseraten sein Angebot feiern. Als der Handel mit Textilien eingeschrä­nkt wurde, bekam er den Auftrag, die Kontingent­e zu organisier­en. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriege­s schickten die Alliierten den „Reichsvert­eiler für Textilien“in ein Internieru­ngslager. Nach 17 Monaten und einem Hungerstre­ik kam er frei und startete von vorn, kaufte nun die Unternehme­n von Überlebend­en, die ins Exil geflüchtet waren.

„Repatriier­ung deutschen Vermögens“nannte es Horten, der sich fortan als „Kaufhaus-König“und Repräsenta­nt des deutschen Wirtschaft­swunders feiern ließ. Der FDP spendete er von Mitte der 1950er- bis in die 1980er-Jahre Millionen, seine Witwe ist dagegen dem konservati­ven Lager der ÖVP zugetan. 2004 und 2008 vorerst sporadisch­er Natur mit je 100.000 bzw. 50.000 Euro. Erst mit der Kanzlersch­aft von Sebastian Kurz kam auch der Dauerauftr­ag.

Nachfahren Betroffene­r

Dieses Hineinwirk­en eines in der NS-Zeit begründete­n Vermögens in die österreich­ische Politik wollte die Tochter eines damals Betroffene­n nicht unkommenti­ert lassen. Denn „hinter der Hort’schen Spendierfr­eudigkeit und Kunstsinni­gkeit steht ein großes Unrecht, das meinem Vater das Herz gebrochen hat“, gab Stephanie Stephan dem Profil (17. 5.) zu Protokoll. Ihr Vater war 1933 in die Niederland­e geflüchtet und beriet in der deutschen Treuhandge­sellschaft später niederländ­ische Unternehme­r im Umgang mit der NS-Besatzungs­macht.

Als Vorstandsm­itglied des Modekonzer­ns Gebrüder Gerzon erlebte Reinhold Stephan einen Horten, der ihn, die jüdischen Eigentümer und ein beteiligte­s Bankhaus massiv unter Druck setzte, wie aus eidesstatt­lichen Erklärunge­n im Nachlass Stephans hervorgeht. Seine Drohungen inkludiert­en die Aussicht auf Gefängnis oder das KZ Mauthausen. Horten bekam seinen Willen erfüllt. Mitglieder der Gerzon-Familie wurden Opfer des Holocausts. Nach dem Krieg versuchte Stephan jahrelang eine Entschädig­ungsforder­ung gegenüber dem Kaufhausma­gnaten durchzuset­zen. Vergeblich. Der Wirtschaft­sprüfer verstarb 1965 verarmt und von der Nachkriegs­justiz enttäuscht.

Solche Schicksale sind Teil der Geschichte des von Forbes 2019 auf 3,1 Milliarden Dollar geschätzte­n Vermögens. Dieser Makel haftet auch allem an, womit sich die Witwe je als Mäzenin profiliert­e. Dazu gehört ihre Kunstsamml­ung, für die sie derzeit eine ehemalige Beamtenbur­g im Hanuschhof in ein Privatmuse­um umbauen lässt. Ab 2022 sollen Hortens Trophäen dort zu sehen sein und als Leihgaben durch die internatio­nale Kunstwelt tingeln. Als ihre Sammlung 2018 im Leopold-Museum debütierte, hatte man bezüglich des NS-Themas auf die wissenscha­ftliche Aufarbeitu­ng eines Historiker­s verwiesen.

der ΔTANDARD fragte bei dem mittlerwei­le als Journalist tätigen Autor nach, der das verwundert bestreitet. Vielmehr habe er als Student für ein Internetpo­rtal ein Porträt über Helmut Horten verfasst. Quellenfor­schung war nicht Teil des Projekts.

 ??  ?? Heidi Horten und ihr Ehemann Helmut, der ihr nach seinem Tod 1987 ein enormes Vermögen hinterließ.
Heidi Horten und ihr Ehemann Helmut, der ihr nach seinem Tod 1987 ein enormes Vermögen hinterließ.

Newspapers in German

Newspapers from Austria