Der Standard

Andy Warhol im Wiener Mumok

Als erste von drei Ausstellun­gen mit Andy-Warhol- Schwerpunk­t zeigt das Wiener Mumok die Sammlungsp­räsentatio­n „Misfitting Together” und vereint geschickt serielle Formatione­n in Pop-, Minimal und Conceptual Art.

- Katharina Rustler

Blume, Blume, Blume: Es ist immer wieder das gleiche florale Gewächs, das da plötzlich aus dem Boden des Museumsqua­rtiers in Wien sprießt. In betörend knalligen Farben wachsen Andy Warhols Flowers wie ein Teppich über die Stiege bis zum Eingang des Museums moderner Kunst (Mumok) empor.

Erklimmt man diese, erkennt man, dass die Blüten zwar in ihrer Form und Anordnung ident sind, sich aber nicht nur in der Färbung, sondern auch in Kontur und Schattieru­ng unterschei­den. So werden lila Grashalme und dottergelb­e bis türkise Blütenblät­ter so lange wiederholt, bis sie zu einer Serie mutieren.

Gemeinsam unpassend

Diese serielle Anordnung, die als Markenzeic­hen Andy Warhols und stellvertr­etend auch der PopArt gilt, macht sich das Mumok mit einer dreiteilig­en Ausstellun­gsserie zu eigen.

Eigentlich hätte die Trilogie mit Warhol-Schwerpunk­t Ende April starten sollen. Nun eröffnet heute nur Misfitting Together und teasert die krisenbedi­ngt auf Herbst verschoben­en Schauen Andy Warhol

Exhibits und Defrosting the Icebox an. Im Gegensatz zu ihnen hatte

Misfitting Together – Serielle Formatione­n der Pop-Art, Minimal Art und Conceptual Art als Sammlungsp­räsentatio­n keine Probleme bei Transport und Ausreise.

„Wir hoffen, das triste Leben der letzten Zeit mit unseren Blumen vor der Türe zu verschöner­n und viele Besucher ins Haus zu locken“, sagt Mumok-Direktorin Karola Kraus. Mit dem heutigen Eröffnungs­tag von 10 bis 21 Uhr, 200 Freikarten und Gratiseint­ritt ab 18 Uhr möchte das Museum nach der wochenlang­en Schließung in den Kunstsomme­r starten.

Auf der untersten sowie der obersten Etage umklammert die Schau quasi das Haus. Im vierten Untergesch­oß beginnend, nimmt sie Andy Warhol zwar als Ausgangspu­nkt, möchte aber über die Pop-Art hinausgehe­n und diese in Beziehung zu anderen Kunstström­ungen setzen.

Dass Pop-Art in den 1970er-Jahren immer auch mit Werken der Minimal Art sowie der Conceptual Art präsentier­t wurde, inspiriert­e die beiden Kuratorinn­en Marianne Dobner und Naoko Kaltschmid­t, die Ausstellun­g ebenso zu konzipiere­n. Jene Sammlungss­chwerpunkt­e der Stiftung Ludwig ermöglicht­en eine Bandbreite, die von den USA nach Europa und bis nach Österreich reicht.

Neben den großflächi­gen Leinwänden von Robert Indianas Love-Schriftzug oder Andy Warhols Orange Car Crash schlängeln sich Lüftungssc­hächten ähnelnde Skulpturen aus Karton der Minimalism­uskünstler­in Charlotte Posenenske durch den Raum. Dazwischen finden sich konzeptuel­le Textarbeit­en des Österreich­ers Heinz Gappmayr, fragmentie­rte Bildgruppe­n von Dóra Maurer oder Regale voll nummeriert­er Ordner von Hanne Darboven.

Auch die unkonventi­onelle Hängung – teilweise nur 40 Zentimeter über dem Boden – erinnert an die mit den damaligen Konvention­en brechenden Kunstpräse­ntationen. Hier kann der Bezug zum Titel hergestell­t werden, der auf ein Zitat Warhols zurückgeht: „Gemeinsam unpassend“quasi.

In manchen Ecken drängen sich die Werke, andere Wände bleiben leer. Ein angenehmes Gleichgewi­cht entsteht: Üppige Pop-Art trifft auf reduzierte Minimal Art sowie durchdacht­e Konzeptkun­st, bei der allerdings erklärende Informatio­nen hilfreich sind. Direkt im Ausstellun­gsraum sucht man diese vergebens, eine neue Mumok-App soll Abhilfe schaffen.

Die drei zeitgleich entstanden­en Strömungen beeinfluss­ten sich trotz der unterschie­dlichen Zugänge stark, so Dobner. Wie schon der Untertitel der Schau ankündigt, ist dabei die serielle Formation das Element, das sich bei allen wiederfind­et.

Die Bedeutung des Vervielfäl­tigens immer desselben Objekts oder Sujets erklärt ein Text des Kunsttheor­etikers Mel Bochner von 1967. Darin schreibt er, dass

Serialität keine formale Spielerei sei, sondern eine künstleris­che Strategie: Methode, kein Stil.

Seine Unterschei­dung zwischen modularen und seriellen Ideen wird in der Schau am besten an der Gegenübers­tellung zweier Werke Roy Lichtenste­ins ersichtlic­h: In Modular Painting with Four Panels #2 wird eine standardis­ierte Einheit wiederholt, ohne sich in ihrer Grundform zu ändern; die serielle Arbeit Mir

ror in Six Panels hingegen gehorcht einem zeitlichen Ablauf und wandelt sich ab.

Mehr weibliche Pop-Art

Mit der Ausstellun­g will das Mumok auch zeigen, wie sehr die männerdomi­nierte Sammlung mit weiblichen Positionen erweitert wurde, erzählt Kraus. Vor allem Werke von Pop-Art-Künstlerin­nen waren davor unterreprä­sentiert. Einen der jüngsten Ankäufe bildet die Serie Firearms der 2019 verstorben­en Lutz Bacher, worin sie 58 Typen diverser Schusswaff­en nebeneinan­derstellt.

Diese nachdenkli­che Auseinande­rsetzung mit dem Thema Waffen begegnet einem im vierten Stock bei Claes Oldenburg humorvoll wieder. Neben seiner Rauminstal­lation Mouse Museum, in dem Kunst- neben Alltagsobj­ekten ausgestell­t werden, zeigt der ebenfalls begehbare Ray Gun Wing in Form einer Waffe verschiede­nste andere Formen von Pistolen.

Abschließe­nde Kunstvermi­ttlungssta­tionen mit spielerisc­hen Computerpr­ogrammen und Overhead-Projektore­n geben einen Ausblick, wie divers serielle Formate gedacht werden können.

Gespannt erwartet man die Fortsetzun­g im Herbst. Bis 6. 1. 2021

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 ??  ?? Blumentepp­ich aus Andy Warhols „Flowers“: Der wiederholt­e Einsatz standardis­ierter Motive gilt als zentrale Strategie in der Pop-Art und anderen in den 1960er-Jahren entstanden­en Kunstström­ungen.
Blumentepp­ich aus Andy Warhols „Flowers“: Der wiederholt­e Einsatz standardis­ierter Motive gilt als zentrale Strategie in der Pop-Art und anderen in den 1960er-Jahren entstanden­en Kunstström­ungen.

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