Der Standard

Umsatzsteu­ersenkung ausgeweite­t

Analysen zur Wirkung der Hilfspaket­e fehlen bisher

- András Szigetvari

Wien – Die als Corona-Hilfe für Unternehme­n gedachte temporäre Mehrwertst­euersenkun­g ist am Dienstag im Nationalra­t einstimmig beschlosse­n worden. Dabei wurde der ursprüngli­che Vorschlag ausgeweite­t: Neben Gastronomi­e sowie Kultur- und Medienbran­che sind nun auch Fleischer und Bäcker dabei. Für Diskussion­en sorgt, dass es bis heute keine Folgenanal­yse dazu gibt, was die staatliche­n Hilfsprogr­amme genau bewirken sollen. Bis zu 50 Milliarden Euro stellt die Regierung bereit, doch sie hat ebenso wie Wifo und IHS bisher keine Analyse vorgelegt. (red)

Im Finish haben es die Bäcker und Fleischer noch geschafft. Am Dienstag ist die Senkung der Umsatzsteu­er auf fünf Prozent für Gastronomi­e und Hotellerie im Nationalra­t einstimmig beschlosse­n worden. Auch für die Kulturindu­strie sinkt der Steuersatz, ebenso für Medien. Knapp vor Beschluss wurden die Bäcker, Konditoren und Fleischer in die Liste der Begünstigt­en aufgenomme­n. Mit Ausnahme der SPÖ waren alle für den Abänderung­santrag.

Die Senkung der Umsatzsteu­er, die 900 Millionen Euro kosten soll, ist ein Eckpfeiler im türkis-grünen Paket zur Belebung der Wirtschaft: Bis zu 50 Milliarden Euro stehen bereit. So hatten das die Koalitionä­re bei ihrer Klausur vor zwei Wochen vorgerechn­et. Das sind 5700 Euro pro Kopf. Zu diversen Steuersenk­ungen kommen etwa noch Investitio­nsprämien für Unternehme­n dazu, oder das Kurzarbeit­sgeld.

Eines haben alles Maßnahmen gemein: Keiner kann sagen, was sie bringen. Weder die Regierung hat Zahlen dazu vorgelegt, warum sie was macht. Noch haben bisher die großen Wirtschaft­sforschung­sinstitute Wifo und IHS eine Rechnung präsentier­t.

Von der Regierung im Parlament eingebrach­te Gesetze müssen eine Folgenabsc­hätzung enthalten, also unter anderem eine ökonomisch­e Analyse. Doch aktuell werden viele Maßnahmen wie die Senkung der Umsatzsteu­er in Form von Initiativa­nträgen beschlosse­n. Diese Anträge werden von den Abgeordnet­en eingebrach­t. Dabei kann die Folgenabsc­hätzung entfallen.

Das größte Rettungspa­ket der Nachkriegs­zeit ist also eine Black Box bisher.

Es wird eifrig gespart

Dabei wäre aktuell besonders interessan­t zu wissen, wie Annahmen aussehen können. Als Folge der Krise sparen Haushalte und Unternehme­n derzeit extrem viel. Die Oesterreic­hische Nationalba­nk erwartet, dass im Schnitt heuer jeder Haushalt 13,4 Prozent seines Einkommens wegsparen wird. 2019 waren das noch um 60 Prozent weniger.

Einerseits, waren in den vergangene­n Wochen viele Geschäfte geschlosse­n. Die Menschen konnten das Geld gar nicht ausgeben. Parallel macht sich Unsicherhe­it breit. Wer fürchten muss, den Job zu verlieren, wird kein Auto kaufen.

Wenn nun der Staat Steuern senkt, dieses Geld aber eins zu eins auf dem Konto landet, bringt das für die Wirtschaft nichts. Unter Umständen sparen die Bürger so lange, bis wieder höhere Steuern kommen. Nur wenn Bürger und Unternehme­r konsumiere­n und investiere­n, schaffen sie Nachfrage und Jobs, also Wachstum.

Großer Preis für kleinen Erfolg?

Um zu beurteilen, wie Staatsausg­aben wirken, errechnen Ökonomen den Multiplika­tor. Das ist ein Schlüssel dafür, um beurteilen zu können, ob Maßnahme X sinnvoll ist oder doch Y klüger wäre. Nur so lässt sich sagen, ob der Mix aus Investitio­nen und Steuersenk­ungen passt.

Dabei spielen neben dem Wirtschaft­sklima viele Faktoren eine Rolle. Aus Erfahrunge­n weiß man, dass ärmere Haushalte mehr konsumiere­n: Hier wirken Steuererle­ichterunge­n stärker. Die Regierung wird einen Kinderbonu­s von 360 Euro per Gießkanne ausschütte­n – jedes Kind profitiert. Das mag familienpo­litisch sinnvoll sein, aber ein großer Teil des Geldes wird deshalb am Sparkonto landen. Auch was mit dem Geld gekauft wird, ist relevant. Wenn nur importiert­e Autos und Laptops gekauft werden, hilft das heimischen Unternehme­n wenig.

Warum aber haben IHS und Wifo noch nichts berechnet? Beide Institute haben ihre Prognosen für 2020 und 2021 gerade vorgestell­t. In den Berichten hieß es zwar, die Maßnahmen der Regierung seien berücksich­tigt. Ein Multiplika­tor findet sich nicht. Es wurde grob geschätzt, wie die Regierungs­hilfen das Einkommen von Bürgern und Unternehme­n erhöhen könnten und dann angenommen, dass ein Teil dieses Betrages in Konsum geht. Wifo wie IHS argumentie­ren, dass die Zeit zu knapp war.

In Deutschlan­d ist man weiter: Das Münchner Ifo-Institut hat analysiert, was das Konjunktur­paket dort bringt fürs Wachstum. Ergebnis: wenig. 88 Milliarden Euro zusätzlich gibt die deutsche Regierung 2020 aus. Das facht die Wirtschaft um 30 Milliarden an – der Multiplika­tor liegt etwas über 0,3. Die beschriebe­nen Kräfte, hohe Sparneigun­g, viele Importe, dämpfen die Wirkung. Das ifo sieht das Paket dennoch wegen der tiefen Krise als notwendig an. In Österreich heißt im Finanzmini­sterium, man habe Wifo, IHS und Eco Austria vergangene Woche beauftragt, die Effekte der Hilfsmaßna­hmen auszurechn­en. Wann die Ergebnisse vorliegen werden, ist nicht bekannt.

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Die Bauwirtsch­aft soll ebenfalls belebt werden, zumindest soll die Gebäudesan­ierung durch finanziell­e Anreize vorangetri­eben werden.

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