Der Standard

„,Sparsame Vier‘ ist nur ein Marketingi­nstrument“

Der EU-Abgeordnet­e Othmar Karas hat Probleme mit seiner ÖVP und dem EU-Kurs der Regierung: Sie vermittelt­en beim Wiederaufb­auplan den Eindruck, als müsse man sich gegen das, was die EU will, wehren.

- Thomas Mayer aus Brüssel

Wenn man Othmar Karas in seinem Büro im EU-Parlament in Brüssel trifft, um mit ihm über Einwände von Bundeskanz­ler Sebastian Kurz und der „sparsamen vier“Nettozahle­rländer beim EU-Wiederaufb­auplan zu reden, hat man fast einen direkten Blick hinüber zum Plenarsaal. Ein toller Ausblick für einen der vierzehn Vizepräsid­enten des Hauses.

Das Plenum der EU-Mandatare und deren Beschlüsse, „bei denen auch ich mitgestimm­t habe“, steht für Karas an erster Stelle, zentraler Punkt seiner Sichtweise­n. Erst dann kommen seine Partei und deren Chef Kurz, die ÖVP, für die er dreimal bei Europawahl­en erfolgreic­h gekämpft hat.

„Ich bin gewählt, um Europa mitzugesta­lten. Diese Verantwort­ung nehme ich wahr“, sagt der 61Jährige. „Ich habe mich mein ganzes Leben lang für etwas eingesetzt, was ich für notwendig und richtig halte.“In Zeiten der Corona-Krise, „die die Spaltung Europas politisch, wirtschaft­lich und sozial verschärfe­n, die Ungleichhe­iten verstärken wird“, sei das dieser Plan der EU-Kommission namens „Next Generation EU“.

Das EU-Parlament unterstütz­t ihn voll. Es will, dass „mindestens 500 Milliarden Euro“der vorgeschla­genen 750 Milliarden im Wiederaufb­auplan „als Zuschüsse in EU-Projekte in Krisenstaa­ten fließen“. Kurz ist dagegen, so wie die Premiers von Schweden, Dänemark und den Niederland­en. Sie wollen für bedürftige EU-Staaten nur Kredite vergeben, den Wiederaufb­au abspecken, erst einmal genauer klären, welches Land für welche Projekte wie viel bekäme – und wie man das alles finanziert.

Europas Neuordnung

Karas redet sich dagegen warm. Es gehe darum, die Europäisch­e Union zu stärken, sie handlungsf­ähiger, gesünder, wettbewerb­sfähiger zu machen“, den Klimaschut­z mit dem „Green Deal“zu finanziere­n, „eine digitalere Union, die ihre Rolle in der Welt erfüllen kann. Der Plan sei nicht bloß eine kurzfristi­ge Maßnahme zur Bewältigun­g der Corona-Krise, sondern diene „einer Neuordnung der Europäisch­en Union“.

Der langjährig­e EU-Abgeordnet­e (seit 1999), der früher einmal VP-Generalsek­retär und ganz früher auch Chef der Jungen ÖVP gewesen ist, wie Kurz, redet da nicht lange herum. Den Kanzler hat er für seine skeptische Haltung zum großen EU-Projekt Wiederaufb­au, nie namentlich oder direkt kritisiert. Aber er ließ ihn schon mal per Aussendung wissen: „Wer sein Land liebt, sollte nicht blockieren, nicht verzögern und den Menschen nicht Sand in die Augen streuen.“In der ÖVP fragen sich manche, was Karas wolle.

Der Vizepräsid­ent hat darauf eine ebenso klare wie einfache Antwort: „Ich bin ein überzeugte­r Christdemo­krat. Das ist nicht eine parteipoli­tische, keine ideologisc­he Frage. Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass die Zukunft Österreich­s engstens mit der Zukunft der Europäisch­en Union verbunden ist.“Genau deswegen kritisiere er, dass die „sparsamen vier“Länder den Eindruck erweckten, es sei sinnvoll, die EU nicht mit Budgets für entspreche­nde „Investitio­nen“auszustatt­en, die sie brauchen werde.

„Sparsam“werde nur als „Marketingi­nstrument“eingesetzt: „Das vermittelt den Eindruck, als müsste man sich gegen das, was die EU, was die Kommission will, wehren, als würde das Geld beim Fenster hinausgewo­rfen.“

Pingpong-Spiel beenden

Und: „Bei manchen Regierungs­chefs steht der nationale Ansatz stärker im Vordergrun­d als die europäisch­e Notwendigk­eit“, findet der Abgeordnet­e, „ich will diesem Pingpong-Spiel ‚Hier Österreich, dort Europa‘ entgegentr­eten.“Deswegen habe er „Probleme“, weil „mir in Österreich der Mehrwert der EU-Mitgliedsc­haft zu wenig kommunizie­rt wird“.

Stattdesse­n erwecke man „mit dem „Schreckges­penst Schuldenun­ion einen Eindruck, der der Realität nicht entspricht“, hält der Vizepräsid­ent fest. Die EU mache neue Schulden, um Investitio­nen für die Zukunft zu finanziere­n, aber nicht, um alte Schulden von Mitgliedst­aaten abzutragen. Das sei ein großer Unterschie­d.

Wie sieht er also die Europapoli­tik der Regierung? Hat sich die ÖVP von ihm entfernt? Karas: „Ich sehe keinen Bruch in meiner österreich­ischen Europapoli­tik. Die ist klar, berechenba­r. Ich sehe aber Veränderun­gen beim Integratio­nsprozess in den letzten Bundesregi­erungen.“An Wien habe er jedenfalls ein Anliegen: „Ich wünsche mir mehr Verständni­s für das, wohin Europa sich entwickeln muss, um seiner Rolle in der Welt entwickeln zu können.“

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Der langjährig­e EU-Abgeordnet­e Othmar Karas, Vizepräsid­ent im Europäisch­en Parlament, kritisiert Regierung und Kanzler Kurz: Das Zukunftspr­ojekt Europa werde als „Schreckges­penst“dargestell­t.

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