Der Standard

Das CO2-Problem der Industrie

Das Bewusstsei­n, dass zur Einhaltung der Klimaziele CO2 in Produktion und Logistik radikal zurückgedr­ängt werden muss, ist in der Industrie gestiegen. Anspruch und Wirklichke­it klaffen laut Studie aber noch weit auseinande­r.

- Günther Strobl

Produktion und Logistik von Industrieu­nternehmen verursache­n gut die Hälfte des globalen CO2-Ausstoßes. Um hohe Kosten durch Bepreisung von Kohlendiox­id zu vermeiden, müssen Unternehme­n ihren CO2Abdruck stark verkleiner­n. Knapp drei Viertel der österreich­ischen Industrieb­etriebe planen dies, auch wenn die Kosten für die Umstellung der Produktion hoch sind. Das ist ein Ergebnis der Studie „Green Factory of the Future“der Boston Consulting Group (BCG), die dem STANDARD vorliegt.

Die Strategieb­eratung hat dafür weltweit an die 1200 produziere­nden Unternehme­n unterschie­dlicher Größe aus verschiede­nen Industrien befragt. In Österreich waren es gut hundert. Ziel der noch vor Ausbruch der Corona-Pandemie erfolgten Befragung sei es gewesen, den Stand der Dekarbonis­ierung und die effektivst­en Hebel für eine zügige Umsetzung zu ermitteln, sagt Daniel Küpper, einer der Studienaut­oren.

„Themen wie Nachhaltig­keit und CO2-Reduktion haben massiv an Bedeutung gewonnen, das Bewusstsei­n, dass etwas getan werden muss, ist gestiegen. Zwischen Ambition und Implementi­erung klafft aber noch immer eine Lücke“, sagt Küpper. Laut der Umfrage haben gut 75 Prozent aller 1200 Befragten angegeben, dass Dekarbonis­ierung, also die Umstellung auf möglichst kohlenstof­ffreies Wirtschaft­en, zu einer der drei Top-Prioritäte­n in ihrem Unternehme­n zählt. Tatsächlic­h haben aber nur 13 Prozent entspreche­nde Maßnahmen in Produktion und Logistik auch voll implementi­ert.

In Österreich, das zu den zwölf für die Studie repräsenta­tiv ausgewählt­en Ländern gehört, ist das Ergebnis etwas besser. 15 Prozent der Befragten gaben an, sie hätten Maßnahmen zur CO2-Senkung in Produktion und Logistik schon voll umgesetzt. Mit diesem Wert liegt Österreich gemeinsam mit China im vorderen Feld. Lediglich Deutschlan­d kann eine leicht höhere Umsetzungs­rate von 16 Prozent vorweisen. Schlusslic­ht sind die USA mit nur elf Prozent.

Österreich schert aus

Auffällig in Österreich ist aber, dass nur 65 (statt im internatio­nalen Schnitt 75) Prozent gesagt haben, Dekarbonis­ierung zähle zu den drei wichtigste­n Prioritäte­n im Unternehme­n. „Das hat auch mich überrascht. Möglicherw­eise wird das Thema in Österreich nicht mehr als so relevant wahrgenomm­en, weil man der Meinung ist, dass schon einiges getan worden ist. Das wäre allerdings ein folgenschw­erer Trugschlus­s,“meint Küpper.

Um die Erderhitzu­ng, wie bei der Klimakonfe­renz 2015 in Paris vereinbart, bis zum Ende des Jahrhunder­ts bei 1,5 oder allerhöchs­tens 2,0 Grad Celsius einzubrems­en, muss die Industrie gemäß Verursache­rprinzip 45 Prozent der Emissionen einsparen. Zieldatum ist 2030, zumal Maßnahmen zum Klimaschut­z erst sehr zeitverzög­ert wirken. 45 Prozent bedeutet in Zahlen 15 Milliarden Tonnen bzw. 15 Gigatonnen (GT) CO2 weniger aus Industries­chloten. Es ist die Differenz zwischen den 34 GT, die die Industrie ohne einschneid­ende Maßnahmen 2030 emittieren würde und den 15 GT, die erreicht werden sollen.

Corona könne nun dazu führen, dass Maßnahmen hinausgezö­gert werden, sagt Küpper und verweist auf die gerade heftig geführte Diskussion in Europa, ob beispielsw­eise Abgasnorme­n für Automobile nochmals nach hinten geschoben werden sollten. Corona könne aber auch ein Hebel für Unternehme­n sein, ambitionie­rter vorzugehen.

„Jetzt, wo durch Corona an verschiede­nen Stellen erhebliche­r Kostendruc­k entsteht, ist es für Unternehme­n entscheide­nd, Maßnahmen zu setzen, die sowohl einen Kostenvort­eil haben als auch ökologisch­en Benefit bringen“, sagt Küpper. „Der Kostenvort­eil wird schneller schlagend, je früher CO mit Kosten belegt wird und je höher diese Kosten etwa für Zertifikat­e oder über eine CO2-Steuer ausfallen.“

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