Der Standard

441 Millionen Geldschein­e ebneten den Weg zur deutschen Einheit

Vor 30 Jahren brachte die Währungsun­ion den DDR-Bürgern die D-Mark

- Birgit Baumann aus Berlin

Mehr Geld vom Staat – wenn am heutigen 1. Juli die größte Senkung der Mehrwertst­euer und andere Konjunktur­maßnahmen in Deutschlan­d in Kraft treten, dann passiert das an einem historisch­en Datum. Auch vor 30 Jahren, am 1. Juli 1990, gab es für Millionen Deutsche Neuerungen in der Geldbörse, allerdings in sehr viel größerem Ausmaß: Drei Monate vor der deutschen Einheit kam die D-Mark in den Osten.

So schnell hätte es mit der Währungsun­ion – genauso wie mit der Einheit – eigentlich nicht gehen sollen. Im November 1989 war die Mauer gefallen. Zunächst war die Freude über Reisefreih­eit und das Ende des SED-Regimes groß.

Bald jedoch wurde der Ruf nach Westgeld immer lauter, die Menschen wollten konsumiere­n und sich endlich das leisten, worauf sie in der DDR hatten verzichten müssen. „Kommt die D-Mark, bleiben wir, kommt sie nicht, geh’n wir zu ihr“, lautete der Schlachtru­f im Winter 1989/90.

Hunderttau­sende verließen in dieser Zeit ihre Heimat, um ihr (finanziell­es) Glück in Westdeutsc­hland zu suchen. Ostdeutsch­land drohte auszublute­n.

Der damalige deutsche Bundeskanz­ler Helmut Kohl (CDU) handelte rasch und gegen den Rat vieler Ökonomen. „Es kann nicht Sinn einer Währungsun­ion sein, die durch jahrzehnte­lange Misswirtsc­haft in der DDR aufgebläht­en Geldbestän­de nunmehr im Zuge der Umwandlung in D-Mark in ihrer Kaufkraft aufzuwerte­n“, warnten ihn die Wirtschaft­sweisen.

Tauschkurs von eins zu eins

Doch Kohl setzte für Löhne, Gehälter, Renten und Mieten einen Tauschkurs von eins zu eins durch. Es war eine politische Entscheidu­ng, denn eigentlich war der Kurswert eins zu vier. Und so wurden 441 Millionen D-Mark-Banknoten gedruckt, 102 Millionen Münzen geprägt.

Im Frühsommer 1990 rollten nach nur wenigen Wochen unzählige Transporte der Bundesbank mit der begehrten Fracht Richtung Osten. Die Bürger empfingen die harte D-Mark begeistert, überall wurden Bündel von Scheinen in die Kameras gehalten.

Das böse Erwachen kam später. Unzählige Betriebe mit ohnehin geringerer Produktivi­tät als im Westen blieben auf ihren teuren Waren sitzen, mussten höhere Löhne zahlen und brachen zusammen. Bald war die mit der Währungsun­ion entstanden­e Euphorie verflogen. „Ihre Stelle“, erklärten die Wirtschaft­sweisen, „haben Unsicherhe­it und Furcht und Bitternis besetzt.“

fstt

 ??  ?? Freude über die harte D-Mark, die die „Alu-Chips“der DDR-Mark ablöste, herrschte im Sommer 1990 in der DDR. „Eins zu eins, oder wir werden niemals eins“, hatten die Ostdeutsch­en in puncto Umtauschku­rs gefordert. So kam es dann auch.
Freude über die harte D-Mark, die die „Alu-Chips“der DDR-Mark ablöste, herrschte im Sommer 1990 in der DDR. „Eins zu eins, oder wir werden niemals eins“, hatten die Ostdeutsch­en in puncto Umtauschku­rs gefordert. So kam es dann auch.
 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria