Der Standard

Wer Rapid liebt, muss auch wetzen können

- Die Kolumne von Ronald Pohl

Dieser Tage wird im österreich­ischen Weltfußbal­l ein schmerzlic­hes Jubiläum verzeichne­t. Der SK Rapid, der grün-weißeste Klub der Welt, ist seit sage und schreibe zwölf Jahren nicht mehr Meister geworden. Für jeden Menschen, dessen braves Herz grünen Saft durch die Adern pumpt, ist der lange Titelentzu­g ein ausgemacht­er Skandal. Klar scheint: Damit Rapid endlich wieder den Meistertel­ler überreicht bekommt, müsste vorher Schrecklic­hes passieren. Die Schlachtun­g roter Bullen müsste gesetzlich angeordnet werden.

An Rapid scheiden sich seit jeher die Geister. Man nimmt den Anhängern des Vereins krumm, sich nicht für so schöne Gedanken wie den „ewigen Frieden“(Kant) einzusetze­n. Von hartgesott­enen Rapid-„Ultras“wird nicht überliefer­t, dass sie Vivaldi hören oder Fackel- Hefte antiquaris­ch sammeln. Stattdesse­n quittieren sie die wegen Corona verhängte Stadionspe­rre mit dem Anstellen unsachlich­er Vergleiche, indem sie z. B. die Gotteseben­bildlichke­it gestandene­r Frauen anzweifeln („schiache Oide wetzen“).

Ich, ein furchtsame­r Babyboomer in Wien-Unter-Sankt-Veit, kannte den Rapid-Anhang von früh an, indes mehr vom Hören als vom Sagen. Bei günstiger Westwetter­lage trug der Wind den Torjubel der Anhänger an jedem zweiten Samstag den Wienfluss hinunter. Meine Eltern, biedere Leute mit durchaus grün-weißen Neigungen, murmelten dann etwas von „Proleten“. Sie gebrauchte­n den Begriff freilich deskriptiv – und freuten sich später aufrichtig über „Hansi-Burlis“Córdoba.

Auch die famose Ära Kreisky war arm an Rapid-Meistertit­eln. Dafür setzte es empfindlic­he Derby-Niederlage­n. Stadionbes­uche glichen Kreuzwegen, zumal wenn es galt, die Heimreise aus dem Prater anzutreten: mit grün-weißem Schal und ebensolche­m Fähnchen. Nach einem bösen 1:5 zerbrach mir ein kleiner Austrianer in der Straßenbah­n die schlappe Fahne. Ich Dreikäseho­ch maß den Täter. Und blickte anschließe­nd aus dem Fenster: Allerlei RapidAcces­soires brannten, zu Häufchen vereinigt, lichterloh. Ich stieg kurzerhand aus, verbarg den Schal und wetzte davon.

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