Der Standard

Im Nebel der Klarheit

- Ljubiša Tošić

Wer sich mit der ZiB 1 auf das Sommergesp­räch mit Sebastian Kurz einstimmt, nimmt Sorge mit auf den Weg. Die Infektions­zahlen steigen, die ORFWissens­chaft mahnt zur Vorsicht. Ein Sekundenbe­such bei CNN zeigt gar US-Vizepräsid­ent Mike Pence mit Mund-Nase-Verhüllung. Corinna Milborn greift die Atmosphäre auf und reicht Zahlen an den Kanzler weiter. Übers Wochenende mehr als 180 neue Fälle, ist das die zweite Welle? Kurz gefällt der Begriff nicht. Sollte es noch

KANZLER SEBASTIAN KURZ IM „SOMMERGESP­RÄCH“AUF PULS 4

eine Weile bis zu Impfstoff und Medikament dauern, würde es nicht unbedingt eine erste und eine zweite Welle geben. „Wir werden viele unterschie­dliche Bewegungen erleben.“Kurz bleibt bei diesen Ausführung­en sommerlich entspannt, beim Zuschauer muss kein Angstschwe­iß ausbrechen. Gleichzeit­ig spürt er, es würde diese eine Stunde nicht ausreichen, um auch das für Kurz Unangenehm­e gründlich zu diskutiere­n.

Kurz’ Fähigkeit, Sprachnebe­l der Klarheit zu produziere­n, blüht ja in zeitlicher Enge auf. Da kann die Verteidigu­ngsministe­rin noch von ihrem jungen Chef lernen! Das Thema Ischgl nutzt Kurz, um patriotisc­h zu werden. Er widerlegt, was niemand behauptet hat: Ischgl war nicht der Ausgangspu­nkt der Pandemie, sondern Wuhan. Applaus im Studio, später Schmunzeln beim Thema Untersuchu­ngsausschu­ss. Warum er seinen Kalender nicht archiviere­n lassen hat? Privatsach­e, und: „Würde ich Verbotenes planen, würde ich es nicht in den Kalender schreiben.“Nicht schlecht. Aber natürlich hätte man auch gern etwas über Europas Geldrettun­g erfahren.

dst.at/TV-Tagebuch

Newspapers in German

Newspapers from Austria