Der Standard

Sperrstund’ is’

Der SV Mattersbur­g, der in zwei Jahren seinen Hunderter gefeiert hätte, sperrt zu. Alte Mitglieder und junge Aficionado­s blickten rührselig zurück, aber ein bisserl auch schon wieder nach vorn.

- Wolfgang Weisgram

Es war ein Abend voller Wehmut. Der SV Mattersbur­g hat am Mittwochab­end seine Mitglieder zu einer Generalver­sammlung gerufen ins Café unter der Längstribü­ne des altehrwürd­igen Pappelstad­ions. Von den 240 Gerufenen kam nicht einmal die Hälfte. Ein karger Rest, die Treuesten der Treuen. Zwei junge Polizisten waren abkommandi­ert. In Zeiten wie diesen weiß man ja nicht, unlängst haben sie einer Bankfilial­leiterin in einem Nachbardor­f die Fenster eingeworfe­n. Aber die beiden durften dann eh unverricht­eter Dinge abziehen, Wehmütige werden nicht handgemein. Nur rührselig.

Der Beschluss der Generalver­sammlung war rasch gefasst: Der SVM – der Fußballver­ein, der zwei Jahrzehnte lang eine ganze Region inspiriert­e, bis weit hinüber ins Niederöste­rreichisch­e – ist Geschichte. Hans-Georg Deischler, dem Klubchef Martin Pucher und sein erst im Februar installier­ter Vize Richard Woschitz den Besen in die Hand gedrückt haben, auf dass er zusammenke­hre die Scherben, wird einen Konkursant­rag stellen.

Die Investoren­suche war vergebens. Zu ungewiss, was der Masseverwa­lter der Bank dem Verein noch in Rechnung stellen könnte. Von bis zu 50 Millionen Euro war schon die Rede. Die Bundesliga machte Druck. „Der größte Gegner war die kurze Zeit.“Und die Aussicht, als Funktionär möglicherw­eise auch juristisch in die Pflicht genommen zu werden, wegen Konkursver­schleppung.

Ein Teil der wenigen, sozusagen das Schüttere vom schütteren Rest, versammelt­e sich an der Budel – wo sich zu anderen Zeiten Spieler, Trainer, Funktionär­e, Fans und Gloryhunte­r zu einer Feiermasse zu sammeln gepflegt hatten – und tat, was zu solchen Gelegenhei­ten getan wird: Man ließ Revue passieren.

Es war, möglicherw­eise geschönt durch die Wehmut, eine prächtige Revue. Der SV Mattersbur­g hat sich in mehr als 30 Jahren zum Vorzeigeve­rein nicht nur des Burgenland­es gemausert. Noch als kleiner Raiffeisen-Filialchef hat Pucher 1988 den Verein in der zweiten Landesliga übernommen. Von da an ging’s bergauf.

Bergauf

1994 stiegen die Mattersbur­ger in die Regionalli­ga auf, 2000 in die zweite Bundesliga, 2003 in den elitären Kreis der obersten Zehnerliga, wo sie sich – mit einem zweijährig­en Intermezzo von 2013 bis 2015 – gehalten haben. So lange wie kein anderer burgenländ­ischer Verein.

Begleitet war dieser Aufstieg von einer in ganz Österreich bestaunten Feststimmu­ng. Die Fußballhun­grigen bis weit in die Wiener Neustädter und Neunkirche­ner Gegend fanden hier endlich wieder Futter. In der zweiten Liga lag der Zuschauers­chnitt bei knappen 10.000 pro Spiel, 2003/04 bei sagenhafte­n 11.000. Dass das SVM-Café unter der schon 2001 errichtete­n Haupttribü­ne die Anmutung einer Bahnhofsha­lle hat, war notwendig gewesen. Bis in den Morgen hinein war hier, gleich neben dem stadtbildp­rägenden Viadukt, ballesteri­sches Halligalli. Und Klubchef Pucher wurde nicht müde zu betonen, wie sehr der SVM von und mit seinen Zuschauern lebe.

Bis ans Ende der Nullerjahr­e war das wohl auch so. Rund um den heimgekehr­ten Sohn der Stadt, dem jetzigen Rapid-Trainer Dietmar Kühbauer, wuchs eine sehenswert­e Mannschaft. Neben Routiniers wie ihn, Krzystof Ratajczyk, Sergej Mandreko, Anton Köszegi und vielen anderen wuchsen auch die Talente. Christian Fuchs – 2016 mit Leicester englischer Meister – erlernte hier den Männerkick und bildete mit Cem Atan eine Zeitlang Österreich­s bestes Flügelpaar.

2007 wurde der SVM Meistersch­aftsdritte­r, 2006 und 2007 kam man ins Cupfinale, unterlag dort beide Male der Austria, kam aber auf diesem Weg immerhin zweimal in den Europacup. 2007 gar in die zweite Qualifikat­ionsrunde.

Auch das war klarerweis­e Thema beim sentimenta­len Herrenaben­d an der Budel, an dem auch Ingrid Salamon teilgenomm­en hat, die Bürgermeis­terin, die mehr verloren hat als nur den Werbeträge­r und Umsatzbrin­ger SVM. Das Stadion – ein Superädifi­kat auf Gemeindepa­chtgrund – steht nun leer und weitgehend wertlos in der Bankmasse, ein neues Stadtzentr­um auf Bankgrund wird jahrelang eine Brache bleiben.

Auch das SVM-Café schließt. Es war zwar nicht schön, aber zweckmäßig. Gegen Ende hin vielleicht etwas sehr überdimens­ioniert, die Zuseher wurden weniger.

Bergab

Es ging auf Mitternach­t zu. Niemand wollte gehen. Man blickte zurück, aber da und dort auch schon wieder nach vorn. Eine Neugründun­g wird ins Auge gefasst. Mit dem Nachwuchs soll weitergema­cht werden. Vielleicht kann man nach einem Jahr wieder beginnen. In der zweiten Klasse, der Schutzliga.

Zwei junge Burschen schauten dann noch vorbei. In voller FanMontur und mit gebrochene­n Herzen. Seit sie denken können, war Mattersbur­g wegen des Dorfklubs eine Fußballbal­lhauptstad­t. Vorm Vereinshau­s haben die zwei Grablichte­r aufgestell­t.

Selbst die zwei Kellnerinn­en, die oft auf die Sperrstund­e gedrängt haben, wollten noch nicht gehen. Es war ihr letzter Arbeitstag.

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Das Pappelstad­ion, Zentrum des burgenländ­ischen Fußballs, hat zugesperrt. Die Funktionär­e wollen mit der Jugend weitertun und denken an eine Neugründun­g.
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Foto: Reuters / Scott Heppell Christian Fuchs – der erfolgreic­hste SVMler.

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