Der Standard

Inszeniert­e Sicherheit im Tourismus

Die Coronaviru­s-Teststrate­gie entpuppt sich zusehends als unausgegor­en

- Fabian Schmid

Wenn Sie der Anregung der Bundesregi­erung gefolgt sind, im wunderschö­nen Österreich Urlaub machen und in Ihrem Hotel ein Siegel bezüglich Corona-Testungen sehen – dann heißt das so gut wie gar nichts. Denn wie Recherchen des STANDARD zeigen, reicht es für die Verleihung eines derartigen „Zertifikat­s“offenbar, dass der betroffene Betrieb ein einziges Mal einige Mitarbeite­r zum Coronaviru­s-Test geschickt hat.

In Niederöste­rreich sagt der zuständige Tourismus-Landesspar­tenvize, ein „Siegel“wäre quasi egal; in Salzburg weiß man gar nicht, wie man an das Zertifikat gelangt. Das Chaos regt sogar Beteiligte schon so auf, dass sie sich als Whistleblo­wer bei Medien melden. D ie Corona-Teststrate­gie im Tourismus, ersonnen im türkisen Tourismusm­inisterium ohne Einbindung des grünen Gesundheit­sministeri­ums, war von Beginn an von Verwirrung geprägt.

Da gab es die Vorfälle rund um den US-Beraterrie­sen McKinsey, der plötzlich Vorträge vor Tourismusv­erbänden hielt und dessen Logo Broschüren zum damals „Safe A“genannten Testprojek­t schmückte. Bis heute ist unklar, wer McKinsey involviert hat; Geld soll angeblich nicht geflossen sein.

Dann dauerte es wochenlang, bis klar war, dass das Projekt „Safe A“gar nicht mehr existiert, sondern nur der Name für das Pilotproje­kt der Tourismust­ests war. Auch hier gibt es viele Fragen, etwa warum die vier beteiligte­n Labore dennoch erst Ende Juni eine „Safe A“-Webseite aufsetzten und auch im August noch das entspreche­nde Siegel an Betriebe, etwa in der Wachau, verleihen.

Mit Ruhm bekleckert haben sich die Behörden auch beim Coronaviru­s-Cluster in St. Wolfgang nicht – die zuständige­n Krisenmana­ger der oberösterr­eichischen Landesregi­erung. Legendär bleibt der Satz vom Krisenstab-Mitglied und ärztlichen Leiter des Salzkammer­gutKliniku­ms, ein Schwangers­chaftstest schütze ja auch nicht vor einer Schwangers­chaft.

Dazu kommt die tief involviert­e Wirtschaft­skammer, deren Landesverb­ände offenbar stark unterschie­dliche Meinungen vertreten. Dass die Regierung ihre Kernaufgab­en so an die Wirtschaft­skammer auslagert (man denke auch an die Wirtschaft­shilfen), sorgte dafür, dass zum Beispiel Jugendherb­ergen und andere Betriebe, die nicht Mitglied der Kammer sind, gar nicht für die Testungen infrage kommen.

Angesichts dieser Melange aus Chaos, Inkompeten­z und Intranspar­enz darf sich Österreich glücklich schätzen, dass es bislang nicht zu mehr Coronaviru­sClustern im Tourismus gekommen ist. Hart ist die Situation vor allem für die vielen Touristike­r, die um ihr Überleben kämpfen und sich redlich darum bemühen, für die Sicherheit ihrer Mitarbeite­r und Gäste zu sorgen.

Das Tourismusm­inisterium muss sich hingegen deutliche Kritik gefallen lassen. Viel Zeit war zwischen Lockdown und Beginn der Sommersais­on zwar nicht – aber selbst die ist offenbar nicht ausreichen­d genutzt worden. Anstatt einer ganzheitli­chen, nachvollzi­ehbaren Strategie wurde die Organisati­on der Tourismus-Testungen ausgelager­t. Das hielt das Ministeriu­m nicht davon ab, permanent für den sicheren Urlaub in Österreich zu werben. Nachdem der heimische Tourismus (Stichwort Ischgl) ein europäisch­er Supersprea­der war, hätte man hier deutlich mehr leisten müssen.

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