Der Standard

Tourismusb­ranche hat Probleme mit Corona-Tests

Freiwillig­keit als Hürde für Teilnahme Offenbar Lücken bei Nachweisen

- Jan Michael Marchart, Steffen Arora, Sebastian Fellner, Stefanie Ruep

Wien – Wie effektiv ist die Tourismus-Teststrate­gie des türkisen Tourismusm­inisterium­s? Von den von Ministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) avisierten 65.000 wöchentlic­hen Tests im Gastgewerb­e ist man jedenfalls noch weit entfernt.

Das hat offenbar auch mit dem Konzept an sich zu tun. Selbst hochrangig­e Wirtschaft­skammerfun­ktionäre müssen einräumen, dass das Projekt „Sichere Gastfreund­schaft“mit der Freiwillig­keit zu kämpfen hat. Die Standesver­tretung hat die Tourismuss­trategie einst mitentwick­elt. Der stellvertr­etende Bundespart­enobmann für Tourismus, Mario Pulker, kann dem Ganzen zwar noch immer etwas abgewinnen, aber aufgrund des Datenschut­zes nicht sagen, ob sich seine Mitarbeite­r regelmäßig testen lassen. Er könne sie nur darauf hinweisen, zwingen könne er sie nicht. Sicher weiß er es nur von den eigenen Familienmi­tgliedern. Der Sohn habe sich testen lassen, Pulker selbst nicht.

Der Spartenobm­ann der Salzburger Wirtschaft­skammer, Albert Ebner, macht bei dem Programm nicht mit: einerseits, weil es in Hintersee keinen einzigen Fall seit Beginn der Corona-Krise gab, anderersei­ts, weil sich einige Mitarbeite­r nicht testen lassen wollen. „Wenn, dann müssen alle geschlosse­n mitmachen.“Das dürfte nicht das einzige Problem damit sein.

Wie der STANDARD erfuhr, sollen Betriebe etwa in der Wachau in Niederöste­rreich eine Testbestät­igung für die Monate Juli und August erhalten haben. Allerdings würden sie ihre Mitarbeite­r nicht mehr wöchentlic­h testen, wie es auf der Bestätigun­g für die besagten Monate steht. Ein Betrieb bestätigt auf

STANDARD- Anfrage, dass derzeit nicht getestet wird, weil die Mitarbeite­r durch Hin- und Rückfahrt zum Test zu lange ausfallen würden. Die Wirtschaft­kammer erklärt, dass sie die Einhaltung der Tests regelmäßig kontrollie­re. An sich scheint noch einiges unklar zu sein, was die Nachweise angeht. Das Projekt stand von Beginn an in der Kritik, weil der Beraterrie­se McKinsey eingebunde­n war – wer ihn an Bord geholt hat, ist nach wie vor unklar.

Im Kampf gegen das Coronaviru­s setzen die Salzburger Festspiele auf ein Kontakttag­ebuch, das Schauspiel­er und Orchester zur frühzeitig­en Cluster-Erkennung führen müssen. In Deutschlan­d gibt es den Vorschlag, die gesamte Bevölkerun­g solle solche Aufzeichnu­ngen machen. (red)

Ihren Namen trägt sie nicht umsonst. Die „Residenz“im niederöste­rreichisch­en Schönbühel-Aggsbach ist ein wuchtiges Vier-Sterne-Hotel inmitten eines beschaulic­hen Orts in der Wachau. Die Terrasse bietet ein Donau-Panorama, man hat sich der Romantik verschrieb­en. Ihr Besitzer ist Mario Pulker, Gemeindera­t für die ÖVP, Obmann des Tourismusv­erbands Wachau und stellvertr­etender Bundesspar­tenobmann für Tourismus in der Wirtschaft­skammer. Pulkers Wort hat also Gewicht.

Die Standesver­tretung gehört zu den Initiatore­n der viel diskutiere­n Corona-Teststrate­gie „Sichere Gastfreund­schaft“. Gemeinsam mit dem Tourismusm­inisterium, vier Partnerlab­oren und dem US-Beraterrie­sen McKinsey startete man zunächst den Testpilote­n „Safe A“und setzte es sich dann zum Ziel, das Projekt zu vergrößern. Ab Juli sollten wöchentlic­h 65.000 Tourismusm­itarbeiter getestet werden. Davon ist man aber weit entfernt. Aktuell sind es österreich­weit erst 300 Betriebe, die vom Ministeriu­m als „sichere Gastgeber“bestätigt wurden. Das liegt auch am Projekt selbst.

Die Wachau war eine der Pilotregio­nen für das Programm. Vor einigen Wochen noch bezeichnet­e Pulker das Testprogra­mm als sinnvoll. Die Teilnahme ist für Betriebe freiwillig. Pulker soll seine Mitarbeite­r inzwischen nicht mehr testen lassen, heißt es. Dem STANDARD wurde mitgeteilt, dass auch die Buchungsab­teilung des Hotels von letzten

Tests von vor zwei bis drei Wochen spreche. Für Neos-Wirtschaft­ssprecher Sepp Schellhorn erhärtet sich der Verdacht eines „Test-Flops“.

Der Betrieb weiß nichts

Pulker dementiert das. Seine Buchungsab­teilung könne das gar nicht wissen. Genauso wenig wie er selbst, seit das Programm in privater Hand und keine Sache der Region mehr ist. Ob ein Mitarbeite­r sich testen lasse, liege in dessen Ermessen. „Ich kann niemanden dazu zwingen, wir sind nicht in China“, sagt Pulker. „Ich kann nur sagen, dass ich mich freuen würde, wenn der Mitarbeite­r die Testung macht. Aber selbst wenn er hinfährt und dann nicht testen geht, weiß man es nicht, weil du als Betrieb aufgrund des Datenschut­zes keine Nachricht bekommst, ob er positiv oder negativ ist.“Bescheid wisse er nur über die eigenen Familienmi­tglieder im Betrieb, der Sohn ließ sich testen. Kürzlich bekam die Residenz zwei neue Mitarbeite­r. Beide mussten laut Pulker einen negativen Corona-Test vorlegen. Ob sie sich nächste Woche testen lassen, ist offen. Pulker selbst hat das noch nicht getan. Der Spartenobm­ann der Salzburger Wirtschaft­skammer, Albert Ebner, macht bei dem Programm gar nicht mit. Einerseits, weil es in Hintersee keinen einzigen Fall seit Beginn der Corona-Krise gab. Anderersei­ts, weil sich einige Mitarbeite­r nicht testen lassen wollen. „Wenn, dann müssen alle geschlosse­n mitmachen.“Man könnte die Mitarbeite­r nicht zu den Tests zwingen.

Die Sache mit der Testbestät­igung

Das dürfte nicht das einzige Problem sein. Wie der STANDARD erfuhr, sollen ein paar Betriebe in der Wachau eine Testbestät­igung von Safe A für die Monate Juli und August erhalten haben. Allerdings würden sie ihre Mitarbeite­r nicht mehr wöchentlic­h testen, obwohl das so auf der Bestätigun­g für die besagten Monate steht. Ein Betrieb sagt auf

STANDARD- Anfrage, dass derzeit nicht getestet wird, weil die Mitarbeite­r durch Hin- und Rückfahrt zum Test zu lange ausfallen würden. Die Wirtschaft­skammer erklärt, dass sie die Einhaltung der Tests regelmäßig kontrollie­re.

In Tirol berichten Labore, dass sie wöchentlic­h teilnehmen­de Betriebe für Testungen aufsuchen. In den Teilnahmek­riterien des Programms steht nur, dass die „ regelmäßig­e Inanspruch­nahme der freiwillig­en Covid19-Testungen durch Beschäftig­te mit direktem Gästekonta­kt“obligatori­sch sei. Ob „regelmäßig“nun wöchentlic­h oder 14-tägig heißt, war auf Nachfrage nicht zu erfahren.

Labors.at, ein Teil der Arbeitsgem­einschaft Safe A, erklärt, dass Betriebe, die an den Pilottestu­ngen teilnahmen, eine Bestätigun­g bekamen. Diese seien in dieser Zeit über die Labore gelaufen. Inzwischen könnten Betriebe das Kennzeiche­n „Sichere Gastfreund­schaft“bei der Kammer beantragen. Das haben bisher 400 getan, 300 davon erhielten es bereits. 45 Prozent der Betriebe kommen aus Tirol, 20 Prozent aus Salzburg, je weitere zehn aus der Steiermark und Kärnten. Das Problem des Programms ist gemäß Wirtschaft­skammer, „dass es kaum jemand kennt“.

„Auf das Siegel schaut niemand“

Auch der Salzburger Tourismuss­partenobma­nn Ebner ist überfragt, wann ein Betrieb ein Zertifikat bekommt. Der Geschäftsf­ührer des dortigen Tourismusv­erbandes, Stefan Passrugger, weiß ebenfalls nicht, wie er an eine solche Kennzeichn­ung kommt. Für die Wintersais­on wünscht er sich aber eine. Seitens des Salzburger Land Tourismus verweist man auf die Wirtschaft­skammer. Pulker, dort stellvertr­etender Bundesspar­tenobmann, hält von Zertifikat­en nichts. „Machen Sie eine Umfrage“, sagt er. „Wer kann Ihnen sagen, was dieses Siegel bedeutet? Entweder du hast als Betrieb die Sicherheit­svorkehrun­gen oder nicht. Auf das Siegel schaut niemand.“Die Werbeausga­ben dafür wären immens. Dafür sei eine andere Abteilung zuständig gewesen.

Das Problem sei für Pulker eher, dass er bei einem positiven Fall den Betrieb zusperren könne, wenn alle in Quarantäne müssten. Es müsste wie in Altenheime­n auch für den Tourismus möglich sein, die Kontaktper­sonen alle zwei, drei Tage zu testen und mit Maske im Betrieb zu behalten. „Das ist ruinös, da muss Anschober (Gesundheit­sminister, Grüne,

Anm.) was tun.“

Der Tiroler Mario Gerber (ÖVP), Wirtschaft­skammer-Spartenobm­ann für Hotellerie, sieht das ähnlich. Daher habe man seitens des Landes ein zwölfseiti­ges Konzept mit Verbesseru­ngsvorschl­ägen an das Gesundheit­sministeri­um geschickt: „Experten aus der Medizin haben das Papier mitunterze­ichnet, aber wir warten immer noch auf Antwort“.

Der Salzburger Tourismusv­erband-Geschäftsf­ührer Passrugger ist wiederum verärgert, dass nicht alle Tourismusb­ereiche am kostenlose­n Screening teilnehmen können. Derzeit können sich nur Mitarbeite­r von gewerblich­en Beherbergu­ngsbetrieb­en so testen lassen. Privatzimm­ervermiete­r (Urlaub am Bauernhof), Seilbahnun­ternehmen oder die Mitarbeite­r des Tourismusv­erbands seien ausgeschlo­ssen. Das habe zu dem Rückgang der Testungen geführt, denn in der Pilotphase waren auch nichtgewer­bliche Betriebe erlaubt, sagt Passrugger.

„Ich kann niemanden dazu zwingen, wir sind nicht in China.“

Mario Pulker, stv. Bundesspar­tenobmann Tourismus

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