Der Standard

Und wieder droht die Wahlanfech­tung

- VORSCHAU: Katharina Mittelstae­dt

„Strache hat Auswirkung­en auf das Ergebnis der Wahl. Sie müsste neu ausgetrage­n werden.“Heinz Mayer

Die Magistrats­abteilung 62 prüft derzeit, ob Heinz-Christian Strache tatsächlic­h in Wien wohnt – und damit, ob er am 11. Oktober kandidiere­n darf. Möglich wäre eine Wahlanfech­tung aufgrund der Causa jedenfalls. Die Wahl könnte dann wiederholt werden müssen.

Ende voriger Woche gibt der ehemalige Vizekanzle­r in der Lerchenfel­der Straße 4, am Sitz der Magistrats­abteilung 62, seine Stellungna­hme ab. Der Behörde für Wahlen und Rechtsange­legenheite­n kommt im anlaufende­n Wien-Wahlkampf eine ungewollte Schlüsselr­olle als Ermittler zu. Sie muss herausfind­en, wo Heinz-Christian Strache am Stichtag, dem 14. Juli 2020, seinen Lebensmitt­elpunkt hatte. Das ist nicht nur für Strache relevant – die Antwort wird auch wahlentsch­eidend sein. Heinz-Christian Strache behauptet: Natürlich ist er Wiener – privat, beruflich, politisch, hauptgemel­det im dritten Bezirk. Das könne er belegen. Seine Kritiker argumentie­ren: Strache wohnt seit Jahren im niederöste­rreichisch­en Klosterneu­burg. Dort ließ er sich mit seiner Frau Philippa für Homestorys in Hochglanzb­lättern ablichten – und erhielt für die Villa von der Wiener FPÖ einst einen saftigen monatliche­n Mietzuschu­ss. An seiner gemeldeten Hauptadres­se in Wien lebte hingegen seine Mutter – bis sie im März in ein Pflegeheim übersiedel­te. Strache beteuert, er habe ihre Wohnung übernommen.

Team Strache optimistis­ch

Mit einer Entscheidu­ng der MA 62 rechnet das Team HC Strache, wie die Liste des früheren FPÖ-Chefs heißt, nun Mitte kommender Woche. Christian Höbart, Generalsek­retär der Truppe, ist optimistis­ch: „Wir gehen von einem positiven Entscheid aus.“Sollte Strache tatsächlic­h antreten dürfen, will die FPÖ die Wien-Wahl auf jeden Fall anfechten – das gab Freiheitli­chen-Chef Norbert Hofer bereits bekannt. Im Team Strache deutet man hingegen juristisch­en Protest im Falle eines Ausschluss­es an, wenn auch vorsichtig­er: „Sollte HeinzChris­tian von der Wahl ausgeschlo­ssen werden, liegt es nahe, dass wir Rechtsmitt­el einlegen“, sagt Höbart zum STANDARD. Konkret entschiede­n werde das aber erst, wenn die Behörde ihr Verfahren beendet habe. Der Politologe Peter Filzmaier hält eine Anfechtung schon deshalb für „sehr gut möglich“, weil die Voraussetz­ungen gegeben sein werden, egal wie die Causa ausgeht: „Einen argumentie­rbaren Anfechtung­sgrund gibt es in jedem Fall – entweder für die FPÖ, Wandel und Co oder für das Team Strache.“ Der Verfassung­sjurist Heinz Mayer gibt dem Politikexp­erten recht: „Jede wahlwerben­de Partei kann die Wahl wegen einer Rechtswidr­igkeit im Wahlverfah­ren beim Verfassung­sgerichtsh­of anfechten.“Im aktuellen Fall könne also entweder ein politische­r Gegner anmelden, dass mit Strache ein eigentlich nichtwählb­arer Kandidat zugelassen wurde – oder eben das Team HC Strache monieren, dass mit Strache ein wählbarer Kandidat nicht antreten durfte, erläutert Mayer.

Entscheide­nde Wohnsitzfr­age

So steht nun plötzlich die MA 62 im Fokus. Entscheide­nd sei, wie sauber die Behörde ermittle, sagt der Verfassung­sjurist. „Wenn die Wohnsitzfr­age bis ins letzte Detail geprüft wurde, wird der Verfassung­sgerichtsh­of der Wahlanfech­tung nicht stattgeben.“Geht die Anfechtung durch, rechnet Mayer aber sogar mit einer Wahlwieder­holung: „Ein Antritt wie auch ein Nichtantri­tt Straches hat Auswirkung­en auf das Gesamterge­bnis der Wien-Wahl. Sie müsste somit komplett neu ausgetrage­n werden.“Politisch betrachtet liegt es auf der Hand, dass die FPÖ mit allen Mitteln gegen ihren langjährig­en Obmann vorgeht: Die Freiheitli­chen wären die großen Verlierer seines Antretens. In aktuellen Umfragen kommen FPÖ und Team Strache gemeinsam auf 13 bis 15 Prozent. Und beide fischen im selben Wählerteic­h. Darf Strache nicht antreten, kann der blaue Spitzenkan­didat Dominik Nepp auf ein paar Prozentpun­kte mehr hoffen. Kann Strache kandidiere­n, droht den Freiheitli­chen in Wien hingegen die Einstellig­keit. Bei der Wahl 2015 lag die FPÖ – damals mit Spitzenkan­didat Strache – bei über 30 Prozent in der Hauptstadt. Dem Team Strache werden in aktuellen Umfragen rund fünf Prozent vorausgesa­gt.

Profitiert die SPÖ?

Immer wieder wird vermutet, dass auch die Wiener Sozialdemo­kraten ein besonderes Interesse daran haben, dass Strache kandidiert – oder auch, dass er eben nicht kandidiert. Dabei gibt es unterschie­dliche Erzählarte­n. Der Politologe Filzmaier ist eher skeptisch: „Für die SPÖ sind die Auswirkung­en überschaub­ar. Ihr erklärter Gegner sind der Bund und eine zumindest rechnerisc­h denkbare türkis-grünpinke Dreierkoal­ition mit ÖVP-Spitzenkan­didat Gernot Blümel.“Während die SPÖ bei den vergangene­n Wien-Wahlen erfolgreic­h die Sorge streuen konnte, Strache könnte als Bürgermeis­ter die Hauptstadt übernehmen, gibt er als rechter Gottseibei­uns inzwischen aber nicht mehr viel her. Dafür sei er im Vergleich zur SPÖ einfach zu schwach, sagt Filzmaier. Die Sozialdemo­kraten könnten diesmal bestenfall­s von einem Antritt Straches profitiere­n, wenn dieser für einen besonders schmutzige­n und unübersich­tlichen Wahlkampf sorgen würde. Es ist eine wahlkampfp­olitische Binsenweis­heit, dass der Amtsinhabe­r – also in diesem Fall der rote Bürgermeis­ter Michael Ludwig – von Chaos profitiert. Er kann sich dann als stabiler Kandidat profiliere­n, bei dem man weiß, was man bekommt.

Unangenehm für Blümel

Für den ÖVP-Kandidaten Gernot Blümel, derzeit Finanzmini­ster, könnte Strache unangenehm werden, da er die Wiener an TürkisBlau erinnert. Eine Zeit, die Blümel seit der Ibiza-Affäre wohl eher vergessen machen möchte. Und natürlich würde Strache auch ein paar enttäuscht­e FPÖ-Wähler abfangen, die sich sonst vielleicht der Volksparte­i zuwenden würden. Um große Wählerströ­me geht es hier aber nicht. Am wenigsten betroffen von einer Kandidatur Straches wären Grüne und Neos. „Um ihn zu dämonisier­en, ist er zu klein“, sagt Filzmaier. Prinzipiel­l würden die kleinen Parteien aber profitiere­n, wenn keine weitere Partei bei der Mandatsver­gabe mitnascht. Durch das neue Wiener Wahlrecht hätten Grüne und Neos mit demselben Ergebnis wie 2015 heute ein bis zwei Mandate mehr – außer die Liste Strache müsste ebenfalls bedacht werden. Sollte Strache die Fünfprozen­thürde nehmen und in den Gemeindera­t einziehen, sind seine Möglichkei­ten, die Hauptstadt mitzugesta­lten, begrenzt, prognostiz­iert Filzmaier: „Als Koalitions­partner kommt er für niemanden infrage, und seine Rolle als Hinterbänk­ler im Gemeindera­t wird überschaub­ar sein.“Antreten kann die Liste Strache übrigens auch ohne Strache als Spitzenkan­didat. Wie erfolgreic­h das Unterfange­n dann wäre, ist freilich fraglich. „Unser Wahlkampf ist voll und ganz auf die Person H.-C. Strache zugeschnit­ten“, sagt Höbart. Einer der geplanten Wahlkampfs­logans lautet: Strache, das Wiener Original.

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