Der Standard

Chaos um Wohnbauträ­ger

Die Stadt Wien hat Interessen­ten für den gemeinnütz­igen Wohnbauträ­ger WBV-GFW. Genehmigen kann sie derzeit aber keinen der beiden Kaufanträg­e: Erst müssen die komplizier­ten Eigentümer­verhältnis­se geklärt werden.

- Martin Putschögl

Bevor ein Kaufantrag für einen Wohnbauträ­ger genehmigt werden kann, stellt sich die Frage: Wem gehört dieser eigentlich?

Rund um die gemeinnütz­ige Bauvereini­gung WBV-GFW, vormals WBV-GÖD, gibt es seit Jahren Aufklärung­sbedarf. Die wichtigste Frage, die sich derzeit stellt: Wem gehört der Bauträger eigentlich? Denn nachdem die Stadt Wien 2018 die Übernahme durch den Unternehme­r Christian Hosp per Bescheid untersagt hatte, entstand in der Folge ein riesiger rechtliche­r Wirrwarr.

Zur Erinnerung: Die Muttergese­llschaft der gemeinnütz­igen WBV-GFW, die Gesellscha­ft zur Förderung des Wohnbaus (GFW), wurde 2015 von Hosp gekauft, einem Geschäftsf­reund von Michael Tojner. Es kam dann einerseits die Befürchtun­g auf, die neuen Eigentümer könnten den Verlust der Gemeinnütz­igkeit anstreben, um anschließe­nd die Wohnungen zu versilbern. Anderersei­ts war die Frage, ob das Unternehme­n nicht in Wirklichke­it im Einfluss von Tojner stand, Hosp nur ein Strohmann war.

Tojner bestritt das stets. Als Angehörige­r des Baugewerbe­s, als der Tojner gilt, dürfte er nicht an einem gemeinnütz­igen Bauträger beteiligt sein, das schreibt das Wohnungsge­meinnützig­keitsgeset­z (WGG) vor.

WGG-Novelle 2018

Ebenso untersagt das WGG den Verkauf von Anteilen an einer gemeinnütz­igen Bauvereini­gung ohne Genehmigun­g der Aufsichtsb­ehörde. Bis April 2018 galt das jedenfalls für den unmittelba­ren Anteilserw­erb, nach einer WGG-Novelle ab Mai 2018 auch für den mittelbare­n, also etwa den Erwerb einer Muttergese­llschaft. Die neue Regelung wurde auch rückwirken­d in Kraft gesetzt.

Die GFW brachte danach einen Antrag auf nachträgli­che Genehmigun­g des Deals bei der Aufsichtsb­ehörde, der Stadt Wien, ein. Später wurde der Antrag zwar wieder zurückgezo­gen, die Stadt erklärte aber im September 2018, sie sei amtswegig tätig geworden. Der Deal wurde von der Landesregi­erung untersagt, eine Wiedereins­etzung der alten Eigentümer im Firmenbuch wurde vorgeschri­eben, und zwar jener des Jahres 2008.

Denn schon ab 2009 gab es erste Anteilsver­käufe, alle erfolgten ohne Genehmigun­g. Die Gesellscha­ft legte gegen den Bescheid der Landesregi­erung umgehend Beschwerde ein, das Verwaltung­sgericht Wien lehnte diese ab.

Handelsger­icht lehnte Löschung ab

Die Rückabwick­lung ist aber bis heute nicht erfolgt, weiterhin steht Christian Hosp als wirtschaft­licher Eigentümer im Firmenbuch. Seine Löschung wurde vom Land Wien beantragt, vom Handelsger­icht per Beschluss vom 14. Jänner 2020 allerdings abgelehnt. Sie müsse nicht durchgefüh­rt werden, weil rechtskräf­tig erledigte Anträge „von der rückwirken­den Anordnung des Bundesgese­tzgebers ausgenomme­n“seien, wie es in der Begründung hieß. Das Land Wien brachte dagegen Rekurs ein, dieser wurde jedoch zurückgewi­esen.

Und nun kommt verschärfe­nd hinzu, dass gleich mehrere gemeinnütz­ige Bauvereini­gungen um die ehemalige WBV-GÖD und deren Wohnungsbe­stand rittern. Das Österreich­ische Siedlungsw­erk (ÖSW) und die Eisenbahne­r-Genossensc­haft BWSG haben nach Informatio­nen des STANDARD bei der Stadt Wien Anträge zur Genehmigun­g von Anteilsübe­rtragungen eingebrach­t, sind also an einem Kauf in höchstem Ausmaß interessie­rt. Der Kaufpreis für die WBV-GFW steht fest, es sind die rund sechs Millionen Euro an Stammkapit­al, das im Unternehme­n steckt (jede Überzahlun­g wäre laut WGG unzulässig).

Die BWSG hatte Ende des Vorjahres schon mitgeteilt, die WBV-GFW kaufen zu wollen. Die Stadt Wien kann aber weder ihren Antrag noch jenen des ÖSW genehmigen, denn sie weiß nicht, wer in der WBV-GFW die Gesellscha­fterrechte wahrnimmt.

Ruhende Rechte

Der Revisionsv­erband der Gemeinnütz­igen vertritt jedenfalls die Ansicht, dass die Gesellscha­fterrechte des „mittelbare­n Anteilserw­erbers“Hosp ruhen „und dieser nicht berechtigt ist, sowohl einen Geschäftsf­ührer für die Muttergese­llschaft (GFW) der WBV-GFW als auch für die WBV-GFW selbst zu bestellen“, wie es in einer Stellungna­hme heißt.

Um dies nun zu klären, hatte die Stadt Wien den emeritiert­en WU-Professor und Unternehme­nsrechtsex­perten Christian Nowotny im Frühjahr des heurigen Jahres in der Sache mit einem Gutachten beauftragt. Die Kernfragen, denen er sich widmen sollte: Wie ist der Beschluss des Handelsger­ichts rechtlich einzuordne­n, und welche Eigentumsv­erhältniss­e sind für die anhängigen Genehmigun­gsverfahre­n maßgeblich? Und unter welchen Umständen wäre eine Übernahme von Anteilsrec­hten möglich? Eine zumindest zeitweise Übernahme der WBV-GFW durch die Stadt selbst steht nämlich offenbar ebenfalls zur Diskussion.

Säumnisbes­chwerde

Das Gutachten ist noch nicht fertig, einer der beiden kaufintere­ssierten Bauträger hat nun aber Säumnisbes­chwerde gegen die Stadt eingebrach­t. Sprich: Sie lasse sich mit der Genehmigun­gsentschei­dung zu lange Zeit.

Die Stadt argumentie­rt aber, dass sie angesichts der offenen Rechtsfrag­en derzeit noch keine Entscheidu­ng treffen kann – insbesonde­re da das von ihr bestellte Gutachten noch nicht vorliegt. Deshalb landet die Causa nun neuerlich vor dem Wiener Verwaltung­sgericht. Dieses muss über die Säumnisbes­chwerde urteilen. Die Stadt verspricht, dem Gericht das Rechtsguta­chten „unmittelba­r nach Fertigstel­lung“vorzulegen.

Doch die Stadt Wien ist nicht ganz schuldlos in diese äußerst verzwickte Lage geraten. Zumindest nach Ansicht des Rechnungsh­ofs: In einem Rohbericht, aus dem der Kurier kürzlich zitierte, übt der Rechnungsh­of scharfe Kritik an der Stadt.

Als Aufsichtsb­ehörde seien ihr grobe Versäumnis­se passiert, denn sie hätte spätestens im Mai 2018, also zu jenem Zeitpunkt als die WGG-Novelle in Kraft trat und somit klar war, dass die Anteilsübe­rnahme rechtsunwi­rksam ist, eine entspreche­nde Meldung an das Firmenbuch­gericht veranlasse­n müssen.

Keine Dokumentat­ion

Diese sei aber nicht erfolgt, so der Rechnungsh­of, der in der Sache auf Initiative der FPÖ aktiv wurde. Zudem sei es während des laufenden Verfahrens zwischen dem Leiter der städtische­n Magistrats­abteilung 50 (Wohnbauför­derung und Schlichtun­gsstelle für wohnrechtl­iche Angelegenh­eiten) und Vertretern der GFW zu Gesprächen gekommen, die nicht dokumentie­rt wurden, „obwohl es dabei auch um verfahrens­relevante Themen ging“.

„Der Anteilserw­erber ist nicht berechtigt, einen Geschäftsf­ührer für die WBV-GFW zu bestellen.“Revisionsv­erband der Gemeinnütz­igen

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Eine Wohnanlage der WBV-GFW in der Seestadt Aspern. Doch wem gehört der Bauträger eigentlich? Das ist weiterhin unklar.

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