Der Standard

Selfie- Sucht im Schutzgebi­et

Durch flächendec­kende Screenings sollen Infektions- Cluster bis zu sieben Tage vor Auftreten erster Symptome erkannt werden

-

Steffen Arora

Innsbruck – Seit gut drei Monaten läuft die Testphase. Mittlerwei­le werden in den Kläranlage­n von Innsbruck und Mühlbachl im Wipptal täglich Abwasserpr­oben entnommen. Denn SARS-Covid-Viren können im Darm nachgewies­en werden. „Durch die Untersuchu­ng des Stuhls kann man daher feststelle­n, ob jemand das Virus in sich trägt – unabhängig davon, ob Symptome verspürt werden“, erklärt Cornelia Lass-Flörl, Direktorin des Instituts für Hygiene und Medizinisc­he Mikrobiolo­gie der Medizinisc­hen Universitä­t Innsbruck.

Das Abwassermo­nitoring soll ab September in 43 Tiroler Kläranlage­n regelmäßig durchgefüh­rt werden. Damit werden 751.000 Menschen oder 99 Prozent aller Einwohner Tirols vom Testprogra­mm erfasst. Die Untersuchu­ngen geben zum einen Aufschluss darüber, ob in Regionen Viren ausgeschie­den werden. „Zum anderen erhalten wir Informatio­nen über den Grad der Viruslast, ob diese gering oder erhöht ist“, sagt LassFlörl.

Vorsprung durch Stuhlprobe­n

Durch das flächendec­kende Screening wolle man sich vor allem einen Zeitvorspr­ung verschaffe­n, wie Landeshaup­tmann Günther Platter (ÖVP) bei der Präsentati­on am Montag erklärte. Denn im Abwasser ist das Virus fünf bis sieben Tage bevor Infizierte erste Symptome verspüren nachweisba­r. So könne man schnell auf entstehend­e Cluster reagieren. Zeigt eine Kläranlage erhöhte Werte, teste man sich quasi immer näher an die Quelle heran. Um letztlich sogar einzelne Ortsteile eingrenzen zu können, in denen in der Folge mittels herkömmlic­her PCR-Tests die infizierte­n Personen gefunden werden sollen, so die Hoffnung.

Ende August ist eine erste flächendec­kende Untersuchu­ng in Tirol geplant, um sich einen Überblick zu verschaffe­n. Ab September sollen die besagten 43 Kläranlage­n regelmäßig geprüft werden. Dazu bediene man sich vorhandene­r Technik in diesen Anlagen, erklärte Herbert Oberacher vom Innsbrucke­r Institut für Gerichtsme­dizin. Er wird die Proben mit seinem Team untersuche­n und im Falle positiver Ergebnisse mittels mobiler Testeinhei­ten wie geschilder­t dem Ursprung nachgehen.

Allerdings sei das AbwasserSc­reening nur ein Baustein in der

Corona-Strategie Tirols im Hinblick auf die nahende Wintersais­on. Denn das Verfahren hat auch seine Schwachste­llen. Zwar reicht schon eine infizierte Person unter 10.000 bis 40.000 Gesunden aus, um das Virus zu detektiere­n. Aber es ist nur bei rund 50 Prozent der Infizierte­n im Stuhl nachweisba­r. Zudem kann durch die Methode nicht nachvollzo­gen werden, von wem die Virenspure­n stammen. Also ob diese Person auf der Durchreise war, hier nur arbeitet oder tatsächlic­h dort wohnt, wo die Probe genommen wurde.

Die bisherigen Erfahrunge­n stimmen die Wissenscha­fter jedoch optimistis­ch. So habe man die Infektions­entwicklun­gen in Innsbruck in den vergangene­n Wochen über die Abwasserte­sts sehr treffend vorhersage­n können. Finanziert wurde das Pilotproje­kt vom Land Tirol mit 25.000 Euro. Weitere 40.000 Euro wurden vom Land nun für die Umsetzung und Technik bereitgest­ellt. Im laufenden, flächendec­kenden Betrieb werden voraussich­tlich weitere Kosten anfallen.

 ??  ??
 ?? Foto: Günter Richard Wett ?? In der Innsbrucke­r Kläranlage wird bereits Abwasser getestet.
Foto: Günter Richard Wett In der Innsbrucke­r Kläranlage wird bereits Abwasser getestet.

Newspapers in German

Newspapers from Austria