Der Standard

Lukaschenk­o setzt seinen Wahlwillen durch

Präsident wahrte jahrzehnte­lang mit Schaukelpo­litik zwischen Ost und West die Unabhängig­keit von Belarus

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Spezialein­heiten lässt der belarussis­che Präsident Alexander Lukaschenk­o gegen all jene aufmarschi­eren, die nicht so recht glauben mögen, dass er tatsächlic­h mit mehr als 80 Prozent wiedergewä­hlt wurde. Die Fronten sind verhärtet, beharrt die drangsalie­rte Opposition doch auf dem Sieg von Swetlana Tichanowsk­aja – ebenfalls mit bis zu 80 Prozent. Doch im Gegensatz zu Lukaschenk­o verfügt sie über keine Spezialein­heiten, die ihre Wahrheit auf der Straße durchzuset­zen vermögen.

Ein schwierige­r Charakter war Alexander Lukaschenk­o wohl schon immer. In Kindertage­n war der heute 65-jährige Sohn einer Melkerin wegen diverser Delikte bei der örtlichen Miliz registrier­t. Immerhin gelang ihm später nach dem Dienst bei den Grenztrupp­en des KGB trotzdem eine sowjetisch­e Partei- und Kaderkarri­ere. Vom Politoffiz­ier in einer Panzerkomp­anie zum stellvertr­etenden Direktor eines Baukombina­ts und später Direktor eines sowjetisch­en Landwirtsc­haftsbetri­ebs – kurz Sowchose.

In dieser Position ließ er sich in Perestroik­a-Zeiten zum Abgeordnet­en des belarussis­chen Parlaments wählen und stimmte eigenen Angaben nach als einziger Deputierte­r gegen das Abkommen von Beloweschs­k, das den Zerfall der Sowjetunio­n manifestie­rte.

Mit den Wahlverspr­echen, die Verarmung der Bevölkerun­g zu stoppen, die Korruption auszurotte­n und die Integratio­n auf dem postsowjet­ischen Gebiet wieder in Gang zu bringen, wurde er 1994 Präsident.

Wie auch Wladimir Putin bezeichnet­e er einmal den Zusammenbr­uch der Sowjetunio­n als „die größte geopolitis­che Katastroph­e des 20. Jahrhunder­ts“. Immer wieder versuchte er, im Kreml mit seiner Sowjetnost­algie zu punkten, zugleich verwahrte er sich stets gegen

Moskauer Pläne einer Wiedervere­inigung beider Länder. Lukaschenk­o begriff schnell, dass er in solch einem Konstrukt nicht viel mehr als ein Provinzgou­verneur wäre.

Eigener Weg

Darum existiert der seit den 90erJahren deklariert­e „Unionsstaa­t“zwischen Russland und Belarus (Weißrussla­nd) bis heute mehr auf dem Papier als in der Realität. Mit größerer Integratio­n verbindet Lukaschenk­o vor allem die Forderung nach Binnenmark­tpreisen für russisches Öl und Gas. Die Aufgabe politische­r Kompetenze­n aber versucht er stets zu umschiffen. Erfolgreic­h wehrte er sich auch gegen Avancen, russische Außenpolit­ik abzusegnen. So hat Belarus weder die von Moskau annonciert­e Unabhängig­keit Abchasiens oder Nordosseti­ens noch die Zugehörigk­eit der Krim zu Russland offiziell anerkannt.

Immer wieder kommt es daher zu Zerwürfnis­sen im bilaterale­n Verhältnis. Mehrere Fleisch-, Milchund Gaskriege hat Lukaschenk­o mit seinem Nachbarn ausgefocht­en. Dabei macht er sich die Schaukelpo­litik zunutze. Um Zugeständn­isse im Osten zu erzwingen, liebäugelt er mit einer Annäherung an den Westen. Mit Erfolg: Im März war sogar US-Außenminis­ter Mike Pompeo zur Aufwertung Lukaschenk­os in Minsk zu Besuch. (ab)

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Foto: AFP / Sergei Gapon Seit 26 Jahren im Amt: Alexander Lukaschenk­o.

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