Corona geht, Ardern dürfte bleiben
100 Tage ohne neue Corona-Fälle: Die neuseeländische Premierministerin Jacinda Ardern reitet auf einer Welle von Erfolgen in Richtung Wahlsieg.
Eine bessere Nachricht zum Auftakt des Wahlkampfs hätte es kaum geben können: Just an dem Wochenende, an dem Neuseeland den hundertsten Tag ohne neue Corona-Infektionen melden konnte, gab Premierministerin Jacinda Ardern ihr Programm für die Parlamentswahlen am 19. September bekannt. Die 40-Jährige stellte in Aussicht, im Fall eines Wahlsieges ihrer Labour-Partei Unternehmen bei der Rekrutierung von mindestens 40.000 Beschäftigten finanziell unterstützen zu wollen.
Die Hilfe solle an jene gehen, die stark von der Corona-Krise betroffen seien und denen Langzeitarbeitslosigkeit drohe. Auch wolle sie Arbeitslosen helfen, ein Unternehmen zu gründen. Dies solle durch ein Selbstständigkeitsprogramm geschehen, das den Gegenwert des Mindestlohns für bis zu 30 Stunden pro Woche bietet.
Die Ankündigung kam zu jenem Zeitpunkt, als der oberste Vertreter des Gesundheitsamtes, Ashley Bloomfield, meinte, hundert Tage ohne Übertragung seien „ein wichtiger Meilenstein. Jedoch wissen wir alle, dass wir uns keine Nachläs
sigkeit erlauben dürfen.“Neuseeland habe von anderen Ländern gelernt, wie rasch sich das Virus wieder an Orten ausbreiten könne, wo es bereits unter Kontrolle gewesen sei. „Wir müssen darauf vorbereitet sein, neue Fälle in Neuseeland schnell auszumerzen.“
Harte Linie
In dem Land mit fünf Millionen Einwohnern sind von 1569 Infizierten 22 Menschen an den Folgen von Covid-19 gestorben. Mitte Juni erklärte sich der Inselstaat im Südpazifik offiziell für Coronavirus-frei. Alle Beschränkungen wurden wieder aufgehoben. Am Sonntag gab es noch 23 aktive Fälle. Die Infizierten hätten sich aber allesamt nicht im Land angesteckt, hieß es. Es handle sich bei ihnen vielmehr um Rückkehrer aus dem Ausland, die bei der Einreise getestet wurden und anschließend in Selbstisolation gegangen seien.
Die positive Entwicklung bestätigt auch die Meinung von Experten, denen zufolge die harte Linie der neuseeländischen Regierung nach Ausbruch der Pandemie korrekt gewesen sei. Die Weltgesundheits
organisation (WHO) hat das Krisenmanagement der neuseeländischen Regierung ebenfalls als vorbildlich gelobt. Ardern hatte rasch strikte Regeln erlassen, was die Bewegungsfreiheit und das Verhalten der Bürger in der Öffentlichkeit anging. Im März verhängte sie eine Ausgangssperre. Die Grenzen des Landes bleiben von wenigen Ausnahmen abgesehen geschlossen, alle Einreisenden müssen für 14 Tage in Quarantäne. Diverse Beobachter glauben, Touristen würden frühestens im ersten Halbjahr 2021 wieder einreisen dürfen.
Fünf-Millionen-Team
Die Premierministerin hatte den Kampf gegen das neuartige Coronavirus wiederholt als gemeinsame Aufgabe für ein „fünf Millionen Köpfe zählendes Team“bezeichnet. Dieser inklusive Lösungsansatz für ein potenziell katastrophales Problem hat ihr wohl selbst unter Kritikern neue Freunde geschaffen.
Hatten Umfragen vor der Abschottung der Landesgrenzen noch auf einen knappen Wahlausgang schließen lassen, verschob sich die Wählergunst seither weiter in Richtung von Arderns sozialdemokratischer Partei. In der jüngsten Befragung sprachen sich 60 Prozent der Wählerinnen und Wähler für Labour aus. Die konservative Nationale Partei unter ihrer neuen Chefin Judith Collins verlor an Beliebtheit.
Große Popularität
Labour ist der stärkste Partner in einer Dreiparteienkoalition. Falls die Partei die derzeitige Unterstützung aufrechterhalten kann und 50 Prozent der Stimmen erhält, könnte sie nach der Wahl sogar alleine regieren. Jacinda Ardern war eine wenig bekannte Abgeordnete, als sie kurz vor der Wahl 2017 in die Labour-Führung gedrängt wurde. Damals räumte man ihr nur geringe Gewinnchancen ein.
Dank ihrer versöhnlichen Politik und ihrer Führungsqualitäten vor allem in Krisensituationen wie dem terroristischen Anschlag in Christchurch im März 2019, dem katastrophalen Ausbruch des Vulkans White Island im vergangenen Dezember und während der Corona-Pandemie gilt Ardern inzwischen als eine der beliebtesten Politikerinnen weltweit.