Der Standard

Dienst am Kunden

- Sigi Lützow

Wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, dass selbst der spielerisc­h beste, leidenscha­ftlich vorgetrage­ne Fußball ohne entspreche­nde Stimmung im Stadion unbefriedi­gend ist, wäre er spätestens beim Re-Start der Champions League am vergangene­n Freitag erbracht worden. Wohl noch nie war ein Duell vom Kaliber Manchester United gegen Real Madrid eine derart matte Sache wie im leeren Etihad Stadium. Fußball ohne Fußballatm­osphäre ist nicht einmal für Puristen ein Erlebnis.

Solange der normale Fußballbet­rieb eine Illusion bleiben muss, ist es nichts Verwerflic­hes, sich einer Illusion zu bedienen, um den zahlenden (TV-)Kunden ein Erlebnis zu bieten, das dem Original möglichst nahekommt. Dazu gehört der „Stadion-Sound“– und wenn er vom Band kommt. Der Auftrag des europäisch­en Verbands für die in dieser Woche beginnende­n Finalturni­ere der Europa- und der Champions League, diesen Sound aus Tonaufnahm­en früherer Spiele der involviert­en Vereine zu erzeugen, ist ein legitimer Versuch, das bestmöglic­he Produkt zu liefern. Abdrehen kann jeder selbst.

Fans argwöhnen nun, dass sie auch nach der Pandemie im Stadion verzichtba­r sind, also weiter auf die pflegeleic­htere Illusion gesetzt wird. Deshalb unter dem Motto „Der Fußball gehört den Menschen“gegen die Atmosphäre vom Band zu protestier­en, ist aber unsinnig. Da schätzen die Fußballfre­unde ihre eigene, auch kommerziel­le Macht viel zu gering ein.

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