Kein Disziplinarverfahren für heimliche Aufnahmen
Vertreter der WKStA hatten heimlich Dienstbesprechungen aufgezeichnet. Sektionschef Pilnacek kostete das langfristig wohl seinen Job. Die „nicht zulässige“Aufnahme blieb aber ohne Konsequenzen.
Schas“, „Scheißakt“, „derschlagt’s es“: So reden Vorgesetzte in internen Dienstbesprechungen mit Staatsanwälten. Zumindest wenn es „emotional“wird. Wie etwa beim Thema Eurofighter, das im Frühjahr 2019 für Verwerfungen zwischen der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) und deren Vorgesetzten sorgte.
Die Korruptionsstaatsanwälte hatten das riesige, seit Jahren laufende Verfahren kurz zuvor von der Staatsanwaltschaft Wien übernommen und wollten eine komplett neue Strategie fahren. Das verärgerte die Weisungskette in Form von Johann Fuchs von der Oberstaatsanwaltschaft Wien und Sektionschef Christian Pilnacek. Man lieferte einander ein heftiges Wortgefecht, dann tauchte plötzlich eine Mitschrift dieser Besprechung in den Medien auf.
Pflichtwidrig
Schnell kristallisierte sich heraus, dass Vertreter der WKStA die interne Besprechung aufgenommen hatten, ohne Pilnacek und Fuchs darüber zu informieren. Das „widerspricht den Standes- und Amtspflichten“, wie das Justizministerium nun in einer Anfragebeantwortung festhält.
Die Konsequenzen waren für die Aufgenommenen enorm; kaum ein Medienbericht über Pilnacek kommt ohne Verweis auf dessen Wortwahl in der Besprechung aus. Die WKStA zeigte Pilnacek und Fuchs zusätzlich wegen Amtsmissbrauchs an, die Staatsanwaltschaft Linz sah jedoch keinen Anfangsverdacht. Die Vorgesetzten reagierten mit einer eigenen Anzeige, Ermittlungen gab es auch hier keine. Der damalige Justizminister Josef Moser (ÖVP) versuchte, mit einer Mediation Ruhe in sein Ministerium zu bringen. Die öffentlichen Streitigkeiten wurden zwar weniger, hinter den Kulissen brodelte es aber nach wie vor.
Pilnacek beklagt „Mobbing“
Das Transkript der Besprechung, das auf dem heimlich aufgenommenen Tonband beruht, sorgte für eine intensive Beobachtung von Pilnaceks weiteren Handlungen. Er selbst sprach im U-Ausschuss von „Mobbing“seitens einiger Abgeordneter.
Man könnte jedenfalls argumentieren, dass die Aufnahmen den Anfang vom Ende der Ära Pilnacek in der Fachaufsicht eingeleitet haben. Justizministerin Alma Zadić (Grüne) teilte dessen „Megasektion“wieder in zwei Teile; Pilnacek hat sich für die Legistik beworben; über die Aktivitäten der Staatsanwaltschaften wird künftig jemand anderer wachen.
Der Akt der Aufnahme selbst hatte allerdings keine Konsequenzen. Eine Disziplinarstrafe sei nur zu verhängen, „wenn die Pflichtverletzung mit Rücksicht auf die Art oder Schwere der Verfehlung, auf die Wiederholung oder auf andere erschwerende Umstände ein Dienstvergehen darstellt“, so Zadić in der Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage der ÖVP.
Politische Fronten
In der politischen Wahrnehmung der WKStA sind die Fronten klar: Die ÖVP hat sich, auch im Ibiza-Ausschuss, mit deutlicher Kritik an den Korruptionsstaatsanwälten hervorgetan; während sich die anderen Parteien eher auf Pilnacek und Co eingeschossen haben. Im Jänner hatte sogar Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) in Hintergrundgesprächen harsche Kritik an der Staatsanwaltschaft geäußert.
Zuletzt übte der Präsident der Rechtsanwaltskammer Wien, Michael Enzinger, deutliche Kritik an der WKStA: Deren Arbeit sei „kein Ruhmesblatt“, er forderte eine Trennung der staatsanwaltschaftlichen Verantwortung für Wirtschaftsstrafsachen und Korruptionsdelikte. Seinen Aussagen widersprach prompt die Vereinigung der Staatsanwälte.
Und rasch gab es hinter den Kulissen Zweifel an Enzingers Motiven: Er ist zu 25 Prozent an der PRFirma der ÖVP-nahen Beraterin Heidi Glück beteiligt.
Treffen mit Beschuldigten
Für den türkisen U-AusschussFraktionsführer Wolfgang Gerstl wird bei den Behörden „mit unterschiedlichen Maßen gemessen“. Als Beispiel nennt er ein Treffen zwischen der Leiterin der Wirtschaftsund Korruptionsstaatsanwaltschaft mit dem Anwalt eines Beschuldigten im Buwog-Verfahren. Auch dieses habe laut Anfragebeantwortung keine disziplinarrechtlichen Konsequenzen gehabt. Als sich Pilnacek als Leiter der Fachaufsicht mit Josef Pröll (ÖVP) und Walter Rothensteiner, einem Beschuldigten im Casinos-Verfahren, traf, war der Aufschrei jedoch groß – inklusive einer Weisung der Justizministerin, dass derartige Treffen künftig zu unterlassen sind. Falls eine Ungleichbehandlung zwischen der WKStA und anderen Behörden tatsächlich bestehe, müsse man über eine Gesetzesänderung nachdenken, so Gerstl zum STANDARD.