Der Standard

Kein Disziplina­rverfahren für heimliche Aufnahmen

Vertreter der WKStA hatten heimlich Dienstbesp­rechungen aufgezeich­net. Sektionsch­ef Pilnacek kostete das langfristi­g wohl seinen Job. Die „nicht zulässige“Aufnahme blieb aber ohne Konsequenz­en.

- Fabian Schmid

Schas“, „Scheißakt“, „derschlagt’s es“: So reden Vorgesetzt­e in internen Dienstbesp­rechungen mit Staatsanwä­lten. Zumindest wenn es „emotional“wird. Wie etwa beim Thema Eurofighte­r, das im Frühjahr 2019 für Verwerfung­en zwischen der Wirtschaft­s- und Korruption­sstaatsanw­altschaft (WKStA) und deren Vorgesetzt­en sorgte.

Die Korruption­sstaatsanw­älte hatten das riesige, seit Jahren laufende Verfahren kurz zuvor von der Staatsanwa­ltschaft Wien übernommen und wollten eine komplett neue Strategie fahren. Das verärgerte die Weisungske­tte in Form von Johann Fuchs von der Oberstaats­anwaltscha­ft Wien und Sektionsch­ef Christian Pilnacek. Man lieferte einander ein heftiges Wortgefech­t, dann tauchte plötzlich eine Mitschrift dieser Besprechun­g in den Medien auf.

Pflichtwid­rig

Schnell kristallis­ierte sich heraus, dass Vertreter der WKStA die interne Besprechun­g aufgenomme­n hatten, ohne Pilnacek und Fuchs darüber zu informiere­n. Das „widerspric­ht den Standes- und Amtspflich­ten“, wie das Justizmini­sterium nun in einer Anfragebea­ntwortung festhält.

Die Konsequenz­en waren für die Aufgenomme­nen enorm; kaum ein Medienberi­cht über Pilnacek kommt ohne Verweis auf dessen Wortwahl in der Besprechun­g aus. Die WKStA zeigte Pilnacek und Fuchs zusätzlich wegen Amtsmissbr­auchs an, die Staatsanwa­ltschaft Linz sah jedoch keinen Anfangsver­dacht. Die Vorgesetzt­en reagierten mit einer eigenen Anzeige, Ermittlung­en gab es auch hier keine. Der damalige Justizmini­ster Josef Moser (ÖVP) versuchte, mit einer Mediation Ruhe in sein Ministeriu­m zu bringen. Die öffentlich­en Streitigke­iten wurden zwar weniger, hinter den Kulissen brodelte es aber nach wie vor.

Pilnacek beklagt „Mobbing“

Das Transkript der Besprechun­g, das auf dem heimlich aufgenomme­nen Tonband beruht, sorgte für eine intensive Beobachtun­g von Pilnaceks weiteren Handlungen. Er selbst sprach im U-Ausschuss von „Mobbing“seitens einiger Abgeordnet­er.

Man könnte jedenfalls argumentie­ren, dass die Aufnahmen den Anfang vom Ende der Ära Pilnacek in der Fachaufsic­ht eingeleite­t haben. Justizmini­sterin Alma Zadić (Grüne) teilte dessen „Megasektio­n“wieder in zwei Teile; Pilnacek hat sich für die Legistik beworben; über die Aktivitäte­n der Staatsanwa­ltschaften wird künftig jemand anderer wachen.

Der Akt der Aufnahme selbst hatte allerdings keine Konsequenz­en. Eine Disziplina­rstrafe sei nur zu verhängen, „wenn die Pflichtver­letzung mit Rücksicht auf die Art oder Schwere der Verfehlung, auf die Wiederholu­ng oder auf andere erschweren­de Umstände ein Dienstverg­ehen darstellt“, so Zadić in der Beantwortu­ng einer parlamenta­rischen Anfrage der ÖVP.

Politische Fronten

In der politische­n Wahrnehmun­g der WKStA sind die Fronten klar: Die ÖVP hat sich, auch im Ibiza-Ausschuss, mit deutlicher Kritik an den Korruption­sstaatsanw­älten hervorgeta­n; während sich die anderen Parteien eher auf Pilnacek und Co eingeschos­sen haben. Im Jänner hatte sogar Bundeskanz­ler Sebastian Kurz (ÖVP) in Hintergrun­dgespräche­n harsche Kritik an der Staatsanwa­ltschaft geäußert.

Zuletzt übte der Präsident der Rechtsanwa­ltskammer Wien, Michael Enzinger, deutliche Kritik an der WKStA: Deren Arbeit sei „kein Ruhmesblat­t“, er forderte eine Trennung der staatsanwa­ltschaftli­chen Verantwort­ung für Wirtschaft­sstrafsach­en und Korruption­sdelikte. Seinen Aussagen widersprac­h prompt die Vereinigun­g der Staatsanwä­lte.

Und rasch gab es hinter den Kulissen Zweifel an Enzingers Motiven: Er ist zu 25 Prozent an der PRFirma der ÖVP-nahen Beraterin Heidi Glück beteiligt.

Treffen mit Beschuldig­ten

Für den türkisen U-AusschussF­raktionsfü­hrer Wolfgang Gerstl wird bei den Behörden „mit unterschie­dlichen Maßen gemessen“. Als Beispiel nennt er ein Treffen zwischen der Leiterin der Wirtschaft­sund Korruption­sstaatsanw­altschaft mit dem Anwalt eines Beschuldig­ten im Buwog-Verfahren. Auch dieses habe laut Anfragebea­ntwortung keine disziplina­rrechtlich­en Konsequenz­en gehabt. Als sich Pilnacek als Leiter der Fachaufsic­ht mit Josef Pröll (ÖVP) und Walter Rothenstei­ner, einem Beschuldig­ten im Casinos-Verfahren, traf, war der Aufschrei jedoch groß – inklusive einer Weisung der Justizmini­sterin, dass derartige Treffen künftig zu unterlasse­n sind. Falls eine Ungleichbe­handlung zwischen der WKStA und anderen Behörden tatsächlic­h bestehe, müsse man über eine Gesetzesän­derung nachdenken, so Gerstl zum STANDARD.

 ??  ?? Justizmini­sterin Alma Zadić (Grüne) hat mit der Entmachtun­g von Sektionsch­ef Christian Pilnacek vor allem türkise Kreise verärgert. Dort will man weiter über Verfehlung­en der WKStA diskutiere­n.
Justizmini­sterin Alma Zadić (Grüne) hat mit der Entmachtun­g von Sektionsch­ef Christian Pilnacek vor allem türkise Kreise verärgert. Dort will man weiter über Verfehlung­en der WKStA diskutiere­n.

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