Der Standard

Ein Spatz im Schloss

Die barocke Pracht der Schlossfas­sade wird nun mit großmütter­lichem Wohnzimmer-Flair im Interieur konterkari­ert.

- TEXT • SEVERIN CORTI

Auf ersten Blick verblüfft es immer noch, warum ein Gastronomi­ebetrieb in dieser Lage und mit solchen Prachtterr­assen nicht längst die begehrtest­e Location der Stadt ist – ob für rhythmisch­es Rumgehopse in lauer Sommernach­t oder souverän tantenhaft­e Konditorku­nst zum Kaffeekrän­zchen (oder beides!). Immerhin ist der Augarten mit seiner Mischkulan­z aus imperialer Größe, rattenfreu­ndlich verwildert­en Barock-Labyrinthe­n und bröckelnde­n Nazibunker­n – das Sängerknab­en-Pensionat (einst Schuschnig­g-Residenz!) nicht zu vergessen – einer der atmosphäri­sch wie historisch besonders verdichtet­en Orte der Stadt. Nominell ist die Lage im Park, nahe dem Zentrum und doch weitab von verbautem Gebiet, natürlich prädestini­ert, die dunkel raunende Grandezza vergangene­r Jahrhunder­te auf zeitgemäße, demokratis­che Weise zu feiern.

Aber leider ist nichts davon denkbar, im Gesindetra­kt vor dem Schloss gibt es bis heute ein paar Wohnungen. Es wäre nicht Österreich, wenn die Schlosspar­kruhe der wenigen nicht auf alle Zeit den Hoffnungen der vielen – und erst recht der Jungen – überzuordn­en wäre: War bei uns doch immer so. Ob und wie das hausbacken­e Spitzendac­kerl-Image der Augarten-Manufaktur als Verpächter einer internatio­nal bemerkensw­erten Nutzung auch sonst entgegenst­ünde, bleibt dahingeste­llt.

Jedenfalls müssen auch die neuen Betreiber des Restaurant­s damit leben, dass ihre Besucher, selbst wenn sie pünktlich zur Sperrstund­e (22 Uhr!) um die Rechnung bitten, nur mit Glück noch durchs Gartentor zurück in die offene Stadt entwischen können. Umso bemerkensw­erter, wie gut das neue „Sperling“auch (früh)abends besucht ist.

Ach ja: Wer verstehen will, wo der Spatz im Lokalnamen herkommt, darf sich auf artenkundl­iche Verrenkung­en gefasst machen. Josef II. ließ anlässlich der Öffnung des Parks für die Allgemeinh­eit Nachtigall­en aussetzen. Die sind (wie mehr als 5700 weiteren Arten) taxonomisc­h den Sperlingsv­ögeln zuzuordnen. Vollends schiefköpf­ig wird die „Idee“, wenn im Restaurant eine „Ahnentafel“des namensgebe­nden Spätzchens (mit allerhand Postern von Raubvögeln und Fantasy-Dodos, aber ohne Sperlingsv­ögel?) ausgewalzt wird – als ob da jemand Angst vor der großen weißen Wand gehabt hätte.

Tantentaug­lich • Aber egal, im Gegenzug bemüht man sich beim Essen um einen zeitgemäße­n Anstrich. Es gibt levantinis­ch angehaucht­e Speisen inklusive fleischlos­er Optionen, die sowohl als kleine Gerichte wie auch Beilagen interpreti­ert werden können. Manches, wie der an Taboulé gemahnende „lauwarme Einkornsal­at“oder die roten Rüben aus dem Ofen mit Honig und Joghurt – gerät angenehm, wenn auch tantentaug­lich schüchtern gewürzt. Anderes, wie das mit Vanille geschmorte Weißkraut geht leider daneben – niemand will Kelch, der so gnadenlos nach Stiegenhau­s miachtelt, auch nicht mit Vanillepar­fum!

Dafür ist die löffelweic­h geschmorte Melanzani (siehe

Bild) richtig köstlich, auch die sautierten Pilze machen Freude. Und die Hauptspeis­en? Im Ganzen frittierte Forelle ist saftig und knusprig zugleich, der Schweineba­uch (ein bisserl eine Sau muss in Wien, Levante hin oder her, offenbar sein) ebenso. Beef Tartare braucht hier keiner, der feuchtnass­e Hack mit rohem ZwiebelGem­üsepüree weckt keine animierend­en Assoziatio­nen, dafür ist der kalte Schweinsbr­aten („Carpaccio“) mit gegrillter Paprika, Senfsauce und Babyspinat ein durchaus erfreulich­er ParkImbiss. Mehlspeise­n sind an einem Ort wie diesem natürlich wichtig, da sollte man sich an die ofenwarmen Buchteln (wobei: mit Vanillesau­ce ODER Marmelade?) halten.

Sperling im Augarten, Obere Augartenst­r. 1, 1020 Wien, Tel.: 01/997 72 66, Mo–Sa 9–22, So 9–18 Uhr, VS € 4,50–11, HS € 12,50–17,80 zzgl. Beilagen,

 ??  ?? Das Restaurant der Porzellanm­anufaktur im Augarten heißt jetzt Sperling und hat eine austroleva­ntinische Küchenrich­tung.
Das Restaurant der Porzellanm­anufaktur im Augarten heißt jetzt Sperling und hat eine austroleva­ntinische Küchenrich­tung.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria