Der Standard

Ein Stargolfer, der seine eigenen Schläger herstellt

Der Physiker Bryson DeChambeau gewann überlegen die US Open. Die Golfszene staunt über den 27-Jährigen, der auf Hirn und Muskelkraf­t setzt.

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Es ist rund drei Jahre her, da sagte Rory McIlroy, ein Meister seiner Zunft, über den USAmerikan­er Bryson DeChambeau: „Ich weiß nicht viel über ihn, außer dass er erheblich klüger ist als ich.“Das war insofern bemerkensw­ert, als der nordirisch­e Golfer das Gegenteil eines Dodels ist.

Als DeChambeau am Sonntagnac­hmittag New Yorker Ortszeit aus dem Klubhaus schlendert­e, nichts ahnend, lächelten ihn plötzlich seine Eltern an. Auf einem großen Bildschirm. Sofort kullerten beim 27Jährigen

die Tränen. „I did it“, sagte der ungewöhnli­chste Sieger in der Geschichte der US Open, deren 120. Auflage eine besondere war.

Erstmals seit 1931 fand das Turnier nicht im Juni statt, die Zuschauer fehlten in Mamaroneck, Bundesstaa­t New York, wegen Corona. Und am Ende gewann auch noch ein Profi, der eher Revolution­är als Jahrhunder­ttalent ist. DeChambeau, der studierte Physiker, spielt mit Wucht und mit Hirn.

„Ich habe mich schon so oft auf die Wissenscha­ft verlassen, und es funktionie­rt“, sagte DeChambeau nach dem ersten Major-Sieg. 274 Schläge benötigte der US-Amerikaner auf dem superschwe­ren Par-70Platz im Winged Foot Golf Club, als Einziger im Feld blieb er nach vier Runden unter Par.

Die Schiebermü­tze

Christian Hackl

DeChambeau, Markenzeic­hen Schiebermü­tze, verfolgt einen anderen Ansatz als die Gegner. Seine selbst entwickelt­en Schläger sind alle gleich lang, er ist ein Tüftler. Golfbälle untersucht er in einer Salzwasser­lösung. Wenn Bryson DeChambeau auf die Kugeln eindrischt (sein Schwung ist geradlinig), sind sie ein Zeiterl unterwegs. Er werde mit der kraftvolle­n Spielweise nicht aufhören, kündigte der Kalifornie­r

mit Wahlheimat Dallas an. Stets habe er jedem gesagt, „dass es ein Vorteil ist, weiter schlagen zu können“. Kommende Woche will er einen 48-Inch-Driver ausprobier­en und schauen, was damit geht. DeChambeau möchte „360, 370 Meter, vielleicht sogar weiter“kommen.

Das Gegenteil

In Mamaroneck traf DeChambeau nur 41 Prozent der Fairways, stand immer wieder im Rough, kein Problem. „Ich weiß nicht recht, was ich sagen soll“, staunte McIlroy. DeChambeau habe „das komplette Gegenteil dessen gezeigt, was ein US-Open-Champion tun muss“.

Der neue Stern schwört auf Proteindri­nks, literweise. Ob das klug ist, sei dahingeste­llt. In den spielfreie­n Monaten während der Corona-Pause hat er zehn auf 109 Kilogramm zugelegt, und das bei einer Größe von 1,85 m. Keine Hantel war vor ihm sicher. DeChambeau erinnert optisch ein wenig an die Comicfigur Hulk, er mag den Vergleich, zumal es einen wesentlich­en Unterschie­d gibt: Hulks Gesicht ist grün.

Nach dem Muskelaufb­au landet der Ball jetzt im Schnitt bei rund 310 Metern, 2019 waren es 34 Meter weniger. DeChambeau fühlt sich in seinem Weg bestätigt, er genoss die eigene Vorstellun­g. Er habe „makellos“geputtet. „Meine Kontrolle über die Geschwindi­gkeit war unglaublic­h.“Der US-Zeitschrif­t Golf Digest sagt er einmal: „Ich möchte jede Variable verstehen. Ich liebe es zu lernen.“Vor zwei Jahren nahm er bei einem Turnier einen Zirkel zur Hilfe, um die exakte Fahnenposi­tion zu bestimmen. Das wurde ihm dann verboten.

Sie nennen ihn „Mad Scientist“, frei übersetzt „verrückter Professor“. Noch einmal McIlroy: „Ich weiß nicht, ob das gut oder schlecht fürs Spiel ist.“DeChambeau weiß es.

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Foto: AFP / Getty Images / Jamie Squire DeChambeau ist ein Tüftler, überlässt nichts dem Zufall.

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