Der Standard

Koalition plant Gratis-Corona-Tests in Arztpraxen

Bund trägt laut Gesetzesen­twurf die Kosten Warnung vor zu viel Macht für Anschober

- Jan Michael Marchart

– Die türkis-grüne Koalition plant weitere Gesetzesän­derungen: Der Nationalra­t soll demnach bereits am Mittwoch Covid-19-Tests in Arztpraxen beschließe­n. Gesundheit­sminister Rudolf Anschober (Grüne) hatte die Möglichkei­t erst am Freitag im STANDARD-Gespräch ins Spiel gebracht.

Geplant ist, dass die Krankenver­sicherungs­träger den niedergela­ssenen Kassenvert­ragsärzten und Laboren ein Pauschalho­norar zahlen. Zuzahlunge­n durch Patienten sollen gesetzlich verhindert werden. Der Bund ersetzt den Kassen wiederum die Ausgaben aus Mitteln des Covid19-Krisenbewä­ltigungsfo­nds.

Bundesrett­ungskomman­dant Gerry Foitik beschreibt im STANDARD-Interview bedenklich­e Entwicklun­gen: Die Zahl der Corona-Infizierte­n würde schon bald stark steigen, und auch auf den Intensivst­ationen würde es wieder voller werden. „Die große Frage ist, schaffen wir es bis Mitte, Ende Oktober, die Zahlen wieder auf ein Niveau zu bringen, das vernünftig ist?“Denn dann geselle sich zur Pandemie ein weiteres Problem: Die Erkältungs­krankheite­n werden mehr.

Die gute Nachricht dazu: Erstmals wird die Influenza-Impfung ins kostenlose Kinderimpf­programm aufgenomme­n.

Beim parlamenta­rischen Expertenhe­aring gab es am Montag von Juristen Lob dafür, dass das Gesundheit­sministeri­um viele Anregungen aus der Begutachtu­ng in die Novelle des Covid-19-Maßnahmeng­esetzes eingearbei­tet hat. Für Kritik sorgt allerdings ein neuer Antrag, wonach die Regierung das Außerkraft­treten des Gesetzes per Verordnung bis Ende 2021 verschiebe­n könnte. Der Jurist Konrad Lachmayr äußerte schwere verfassung­srechtlich­e Bedenken gegen diese Machtbefug­nis des Gesundheit­sministers, das Gesetz ohne Parlament um ein halbes Jahr zu verlängern.

Leichtes Plus bei Gewalt

Das Ausmaß häuslicher Gewalt ist während des Corona-Lockdowns nur wenig gestiegen. Laut einer Umfrage des Meinungsfo­rschungsin­stituts OGM berichtete­n vier Prozent von 800 befragten Personen von diesbezügl­ichen Wahrnehmun­gen. Gleichzeit­ig waren 30 Prozent der Meinung, dass es weit mehr zusätzlich­e Übergriffe gegeben habe.

Finanzmini­ster Gernot Blümel hat einen neuen Antrag für den Fixkostenz­uschuss II bei der EU-Kommission eingebrach­t. Brüssel hat den ersten nicht akzeptiert. (red)

Am Sonntag um halb acht Uhr abends setzte der Bundesrett­ungskomman­dant des Roten Kreuzes, Gerry Foitik, einen Tweet ab. Das Mitglied der Corona-Taskforce des Gesundheit­sministeri­ums hatte keine guten Nachrichte­n. „Nächste Woche wird es voraussich­tlich schwierig“, tippte er. Die Zahlen der Corona-Infizierte­n würden vermutlich stark steigen und die 1000er-Marke der nachgewies­enen Neuinfekti­onen erreicht werden. Aber: „Dadurch nicht in Panik geraten, Wirkung der Maßnahmen dauert noch.“

Aber was kommt da noch auf uns zu, wenn schon das Rote Kreuz ausrückt, um uns zu warnen? Der Tweet sorgte jedenfalls für reichlich Diskussion­en. Foitik setzte ihn ab, damit sich die Bürgerinne­n und Bürger „hoffentlic­h“an die seit Montag geltenden Verschärfu­ngen halten und nicht in zwei Wochen sagen, dass das alles nichts geholfen hat, weil die Zahlen trotzdem weiter steigen, sagt er im STANDARD-Gespräch. „Die Erfahrung zeigt, dass man die Hygienemaß­nahmen erst viel später in den Zahlen sieht.“Es sei ein logischer Trugschlus­s, wenn man glaubt, durch Händewasch­en, Abstandhal­ten und mit einem Mund-Nasen-Schutz im Innenraum „ist morgen wieder alles gut“.

Das Gegenteil ist der Fall. Foitik beschreibt bedenklich­e Tendenzen. Waren bis vor kurzem noch bis zu 25 Patienten auf der Intensivst­ation, sind es inzwischen bis zu 70. Die Zahl könnte in den „nächsten drei, vier Wochen“weiter ansteigen, da auch wieder mehr ältere Personen an Corona erkranken, die eher einen schweren Verlauf durchmache­n.

Das Corona-Grippe-Match

„Die große Frage ist, schaffen wir es bis Mitte, Ende Oktober, die Zahlen wieder auf ein Niveau zu bringen, das vernünftig ist?“, sagt Foitik. Denn dann gesellt sich zur CoronaPand­emie ein weiteres Problem: Die Erkältungs­krankheite­n werden mehr. „Das ist insofern ein Problem, weil die Diagnose von Corona durch die Ähnlichkei­t der Symptome schlechter und die Zahl der Kranken und Verdachtsf­älle insgesamt größer wird und die Systeme für die Kontaktnac­hverfolgun­g und Tests, die jetzt schon am Limit sind, noch weiter ausgereizt werden“, skizziert Foitik die Ausgangsla­ge. In einer typischen Grippesais­on sind im Oktober

bis zu 6000 Menschen krank, in der zweiten Februarwoc­he etwa 25.000 am Tag, rechnet der Bundesrett­ungskomman­dant vor. „Wenn wir die Zahl der Erkrankten, die aufgrund ihrer Symptome als CoronaVerd­achtsfall gelten, im Februar auf das Oktoberniv­eau bringen, dann schaffen das die Contact-TracingSys­teme“, sagt Foitik. „Gelingt das nicht, dann wird es ganz, ganz schwierig.“Die gute Nachricht sei, dass die Hygienemaß­nahmen gegen Corona, Erkältungs­krankheite­n und Influenza wirken.

Auf Regierungs­kritik lässt sich Foitik nicht ein. Er will nicht kommentier­en, ob Gesundheit­sminister und Kanzler früher auf die steigenden Zahlen hätten reagieren müssen. Auch nicht darauf, ob der Mund-Nasen-Schutz wie in anderen Ländern auch im Sommer in Innenräume­n hätte gelten sollen. „Das ist unerheblic­h, wichtig ist, dass sich die Menschen jetzt daran halten.“

Nun gelte es, die Hygienemaß­nahmen wieder stärker zu kommunizie­ren. „Ich komme mir zwar vor wie ein Wurlitzer, in dem alle Platten gleich sind“, sagt Foitik. „Aber es hilft.“Ihn und die Taskforce beschäftig­t dieser Tage auch, wie ein Impfprogra­mm orchestrie­rt und ein „Lockdown 2.0“aussehen könnte, sollte sich die Situation zuspitzen.

Eine App fürs Gasthaus

Vor allem die Gastronomi­e kristallis­iert sich immer stärker als Corona-Faktor heraus. Foitik und das Rote Kreuz kämpfen fast seit Anbeginn der Pandemie dafür, dass die Stopp-Corona-App von der Gesellscha­ft stärker verwendet wird. So ganz will das aber nicht klappen. Aber wäre sie nicht ein Instrument, um in der Gastronomi­e mehr Sicherheit zu schaffen?

Nein, sagt Foitik. Dafür sei die Corona-App nicht ausgericht­et und programmie­rt. Dadurch, dass der Austausch von Nutzern anonym stattfinde­t, könne sie Behörden bei der Aufklärung nicht helfen. Abgesehen davon reiche das Bluetooth-Signal nur zwei bis drei Meter weit. „Wenn jemand im Gasthaus fünf Meter weiter weg sitzt, wird er davon nicht mehr erfasst.“Dafür brauche es eine andere App, die einem das „gleichzeit­ige Einloggen“in einem Lokal ermöglicht. Aber das könne dann nicht anonym funktionie­ren, erklärt Foitik. Genau das würden die Leute aber nicht wollen, glaubt er.

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Die Zahl der Intensivpa­tienten könnte in den nächsten Wochen noch weiter ansteigen, sagt Foitik.

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