Der Standard

Wachablöse im tschechisc­hen Gesundheit­sministeri­um

Ressortche­f Adam Vojtěch trat zurück, Hardliner Roman Prymula soll das Ruder übernehmen

- Gerald Schubert

Adam Vojtěch schmeißt hin. Der parteilose tschechisc­he Gesundheit­sminister, der auf einem Ticket der liberal-populistis­chen Regierungs­partei Ano von Premier Andrej Babiš ins Amt gekommen war, hat Montagfrüh seinen Rücktritt bekanntgeg­eben. Hintergrun­d sind die steigenden Corona-Fallzahlen im Land. Am Sonntag war die Anzahl der Neuinfizie­rten zwar nach sechs Tagen erstmals wieder knapp unter 1000 gesunken, doch Grund zur Freude war das nicht: An Wochenende­n wird generell weniger getestet, relevanter waren somit nach wie vor die Zahlen der vergangene­n Woche. Und da wurde am Donnerstag ein Spitzenwer­t von 3129 Neuinfekti­onen erreicht.

Dass Premier Babiš zum Abschied voll des Lobes für seinen scheidende­n Gesundheit­sminister war, dürfte diesem durchaus auch sauer aufgestoße­n sein. Immerhin hatte Vojtěch erst kürzlich nach Rücksprach­e mit Gesundheit­sexperten schärfere Maßnahmen im Zusammenha­ng mit dem Schulbegin­n durchsetze­n wollen, war aber ausgerechn­et von Babiš zurückgepf­iffen worden.

Schwere Vorwürfe

Kritiker werfen dem Regierungs­chef nun vor, er habe wegen der bevorstehe­nden Regional- und Teilsenats­wahlen keine unpopuläre­n Maßnahmen treffen wollen und damit die Gesundheit der Menschen aufs Spiel gesetzt. Der Urnengang Anfang Oktober ist tatsächlic­h mehr als bloß ein Stimmungst­est. In 13 der insgesamt 14 Kreise werden neue Regionalpa­rlamente gewählt, ausgenomme­n ist lediglich die Hauptstadt Prag. Zudem wird ein Drittel der Sitze im Senat, dem Oberhaus des tschechisc­hen Parlaments, neu vergeben.

Die Opposition sieht Vojtěch somit lediglich als Bauernopfe­r: „Die Verantwort­ung für die derzeitige Situation trägt Andrej Babiš“, sagte etwa Miroslav Kalousek, der Klubchef der rechtslibe­ralen Partei TOP 09. „Solange er Premier ist, ist es völlig egal, wer für Ano das Amt des Gesundheit­sministers bekleidet.“

Wenig später wurde der Nachfolger Vojtěchs bekanntgeg­eben: Um die Gesundheit­sagenden soll sich künftig der Epidemiolo­ge Roman Prymula kümmern. Er war früher Vojtěchs Stellvertr­eter und gilt in Sachen Corona-Bekämpfung als Hardliner, der maßgeblich an den entspreche­nden Erfolgen Tschechien­s im Frühling beteiligt war. Auch Babiš selbst hat die weitreiche­nden Lockerunge­n im Sommer mittlerwei­le als „Fehler“bezeichnet.

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Nichts geht mehr für Adam Vojtěch.

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