Der Standard

Mühen der Ebene beim Klimaschut­z

Verletzt der Staat die Schutzpfli­cht gegenüber Bürgern, weil er klimaschäd­lichere Reisen begünstigt? Die heikle Frage beschäftig­t das Höchstgeri­cht. Der Mindestflu­gticketpre­is lässt auf sich warten.

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Derzeit stehen Flugreisen für viele Menschen nicht auf der Tagesordnu­ng. Reisewarnu­ngen, abgesagte Großverans­taltungen, ausfallend­e Messen und Kongresse, unsichere Lage in Urlaubsdes­tinationen: Für die schleppend­e Erholung im Reisebusin­ess nach dem jähen Lockdown-bedingten Einbruch im Frühjahr gibt es viele gute Gründe.

Von einer Rückkehr auf Vor-Corona-Niveau geht in der Luftfahrtb­ranche niemand vor 2024 oder sogar noch später aus. Viele Unternehme­n in Tourismus- oder Transports­ektor oder nachgelage­rten Branchen werden die Durststrec­ke wohl gar nicht durchtauch­en, manche ihr Business-Modell grundlegen­d überdenken müssen.

Dazu gehören auch Fluggesell­schaften, die mit der Klimadebat­te auch immer stärker in den Fokus der Klimaschüt­zer gerückt sind. Reisen mit dem Flugzeug sind 31-mal klimaschäd­licher als Reisen mit der Bahn und dennoch werden Erstere steuerlich

Bahn im Nachteil

Regina Bruckner, Nora Laufer

begünstigt. So lautet der Vorwurf der Umweltorga­nisation Greenpeace, die im Februar Österreich­s erste Klimaklage am Verfassung­sgerichtsh­of (VfGH) eingebrach­t hat. Mehr als 8000 Personen haben sich an der Sammelklag­e beteiligt, darunter zahlreiche Prominente und Klimaforsc­her. In der am Montag beginnende­n und bis 10. Oktober dauernden Session wird die Klage nun auch Thema im Gerichtsho­f selbst. Mit einem Spruch der Verfassung­srichter ist erst in den kommenden Wochen zu rechnen.

Aus Sicht der Initiatore­n ist das Bahnfahren im Vergleich zum Fliegen in Österreich gleich mehrfach benachteil­igt: Die Umweltschu­tzorganisa­tion kritisiert, dass auf den grenzübers­chreitende­n Bahnverkeh­r eine Umsatzsteu­er entfällt, für internatio­nale Flüge hingegen nicht. Zudem würde die Kerosinste­uerbefreiu­ng zu einer Bevorzugun­g von klimaschäd­lichen Verkehrsmi­tteln

führen, argumentie­ren die Initiatore­n.

Greenpeace sieht in der Behandlung der Klimaklage laut Aussendung einen „historisch­en Moment“, immerhin müsse der Staat seine Bürger vor den Auswirkung­en der Klimakrise schützen. Laut Rechtsanwä­ltin Michaela Krömer, die die Klage betreut, würde der VfGH mit seiner Entscheidu­ng einen „Scheideweg definieren“.

Es ist eine heikle Materie, mit der sich die Höchstrich­ter zu beschäftig­en haben. Nicht auszuschli­eßen, dass der VfGH Formalgrün­de geltend macht, um sich nicht mit dem heißen Thema gar nicht erst befassen zu müssen. Denn spricht sich das Höchstgeri­cht dafür aus, dass die Ausnahme für Airlines nicht tolerierba­r sind, weil sie die Schutzpfli­cht des Staates gegenüber den Bürgern verletze, wäre das auch ein politische­s Signal.

An der juristisch­en Umsetzung eines solchen wird auch an anderer Stelle derzeit gefeilt. Im Klimaschut­zministeri­um wird an den legistisch­en Vorgaben für den von der türkis-grünen Regierung im Zuge der AUA-Rettung geplanten Mindestpre­is für Flugticket­s gearbeitet. Auch das keine leichte Aufgabe, sollen doch die Gesetzesvo­rlagen so konzipiert sein, dass sie EU-Vorschrift­en nicht zuwiderlau­fen.

Im Verzug

Im Klimaschut­zministeri­um betont man, keine klassische, in Hinsicht auf EU-Wettbewerb­srecht erfahrungs­gemäß problemati­sche Preisregel­ung zu konzipiere­n, sondern eine Regelung, die eine verpflicht­ende Weitergabe von Steuern und Abgaben an die Konsumente­n vorsieht. Womit man etwa zu dem genannten Mindestpre­is von 40 Euro käme. Aus dem Plan, mit der Umsetzung bereits im Herbst zu starten, wird aber nichts. Man wolle ein gutes Gesetz zustande bringen, heißt es aus dem Ministeriu­m. Da käme es auf einige Wochen mehr nicht an.

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