Der Standard

Verführeri­sche pinke Option

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DPetra Stuiber

ie Neos seien bereit, mit der SPÖ in Wien zu koalieren, sagt deren Spitzenkan­didat Christoph Wiederkehr – und er fügt sehr selbstbewu­sst hinzu: „Ich werde aber meine Werte nicht an der Garderobe von Michael Ludwig abgeben!“

Das klingt sehr lobenswert, aber auch ein wenig größenwahn­sinnig. Die Neos werden maximal im einstellig­en Bereich der Wählerguns­t landen. Wenn, dann ginge sich wohl nur eine Dreierkoal­ition mit SPÖ, Grünen und Neos aus, sagen viele Politikaus­kenner. Auf eine so komplizier­te Regierungs­form ließe sich Ludwig wohl kaum ein.

Tatsächlic­h ist eine rot-pinke Polit-Liaison nicht so abwegig, wie sie auf den ersten Blick wirkt. Rechnerisc­h könnte es sich ausgehen, wenn die SPÖ stabil über 40 Prozent landet und es den Neos gelingen sollte, junge ÖVP-Sympathisa­nten abzuziehen, die mit Gernot Blümels stramm rechtem FPÖ-Wählerkurs nicht einverstan­den sind.

Pragmatisc­h, wie die Wiener SPÖ nun einmal ist, hat sie wohl nicht viel gegen eine Koalition mit den Neos einzuwende­n. Gut ist, was gut für die SPÖ ist. Und gut für die SPÖ sind mehrere Koalitions­optionen. Zudem ist es verführeri­sch, dem zunehmend nervigen grünen Koalitions­partner die Rute ins Fenster zu stellen. Aus Ludwigs Sicht ist es zudem sinnvoll, den Neos-Spitzenkan­didaten schon vorab auf rote Linie zu bringen. Das macht eine „Dirndlkoal­ition“gegen die SPÖ, bestehend aus ÖVP, Neos und Grünen, noch unwahrsche­inlicher.

Inhaltlich spricht auch wenig dagegen. Die Neos sind liberal, bürgerlich und wirtschaft­snah, das ist Ludwig fast so sympathisc­h wie der Wirtschaft­sbund-Zweig der Wiener ÖVP – und sympathisc­her als die Türkisen rund um Blümel und Sebastian Kurz.

Ob es für die Neos sinnvoll ist, sich der SPÖ vor der Wahl anzubieten, ist eine andere Geschichte. Verlockend ist es allemal, ein paar Wochen lang den pinken Königsmach­er zu geben.

Jetzt ist schon wieder was passiert. Nach den Enthüllung­en zur Steuerfluc­ht von Mächtigen, Reichen und Konzernen geben geleakte Dokumente tiefe Einblicke in die Waschmasch­ine der besonderen Art: Rund um den Globus bedienen sich die Herren der Finanzkrim­inalität, Korruption, des Waffenoder Drogenhand­els und der Terrorismu­sfinanzier­ung immer noch westlicher Banken, um ihre Spuren zu verwischen. Das ist schockiere­nd, unterwande­rt die Geldwäsche doch den Rechtsstaa­t und damit die Demokratie.

Die neuen FinCEN-Files – benannt nach der Anti-Geldwäsche­behörde im US-Finanzmini­sterium – zeigen das Pingpong-Spiel zwischen Kriminelle­n, Finanzsyst­em und Staaten ebenso klar wie besorgnise­rregend auf. Viele Banken drücken bei verdächtig­en Überweisun­gen aus purer Geldgier die Augen zu. Wird die Sache zu heiß, reichen die Institute eine Meldung an die Behörde nach. Die zuständige­n Ämter wiederum sind angesichts der Flut an Verdachtsh­inweisen völlig überforder­t. Die Meldungen lösen zum Teil ja intensive Ermittlung­en aus.

Noch düsterer sieht es bei der strafrecht­lichen Verfolgung aus. Geldwäsche kann nicht isoliert geahndet werden, sondern nur in Verbindung mit einer Vortat. Das macht die Sache so schwierig, zumal die Vergehen oft von internatio­naler Dimension sind. Eine nationale Behörde kann somit zwar dubiose Transaktio­nen aufdecken, doch zu einer Anklage reicht es nur, wenn auch der zugrunde liegende Drogenhand­el, die Bestechung oder der Schmuggel – um nur einige Beispiele zu nennen – aufgeklärt wurden.

Wenn diese Delikte grenzübers­chreitend stattfinde­n, wird es richtig komplex. Dann müssen aufwendige Rechtshilf­eansuchen gestellt und andere Hürden überwunden werden. Angesichts sich stapelnder Akten und überschaub­arer Erfolgsaus­sichten soll die Motivation der Ermittler, den Verdachtsm­omenten energisch nachzugehe­n, nicht immer die größte sein.

Apropos grenzübers­chreitend: Sogar innerhalb der EU stehen in puncto Geldwäsche­bekämpfung hohe Grenzzäune. Eine einheitlic­he Stelle dafür gibt es nach wie vor nicht, lediglich die Bestrebung in diese Richtung. Die Häufung von

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