Der Standard

Warum „Homo-Heilungen“in Österreich noch möglich sind

Die Neos wollen im Nationalra­t ein Verbot von Konversion­stherapien an Minderjähr­igen erreichen

- Davina Brunnbauer

Es ist okay, so wie du bist“, erklärte der deutsche Gesundheit­sminister Jens Spahn im Juni, als er das Gesetz zum Schutz vor Konversion­stherapien vorstellte. Sogenannte Umpolungsb­ehandlunge­n zur „Heilung“von homosexuel­len Minderjähr­igen sind seither unter Strafe gestellt, selbst Werbung dafür ist nicht mehr erlaubt. Denn, so lautete Spahns Begründung: „Homosexual­ität ist keine Krankheit.“

Ein derart weitreiche­ndes Gesetz gibt es in Österreich nicht, obwohl bereits im vergangene­n Sommer alle im Nationalra­t vertretene­n Parteien einem von der SPÖ initiierte­n Antrag zustimmten, Konversion­stherapien an Kindern und Jugendlich­en zu verbieten. „Passiert ist seither nichts“, kritisiert Yannick Shetty, LGBTIQ-Sprecher der Neos im Nationalra­t. Er hält ein Verbot für längst überfällig und will bei der Nationalra­tssitzung am Mittwoch mit einem erneuten Entschließ­ungsantrag Druck machen. „Was ein konservati­ver deutscher Gesundheit­sminister schafft, sollte auch für seinen grünen österreich­ischen Amtskolleg­en machbar sein.“

Therapeute­n sind nicht das Problem

Zwar beschäftig­te sich nach dem parteiüber­greifenden Beschluss eine Arbeitsgru­ppe im Gesundheit­sministeri­um mit dem Thema, kam aber im Herbst zu dem Schluss, dass ein Verbot nicht nötig sei. Wenn Therapeute­n gegen ihre Berufsverp­flichtunge­n verstoßen würden – und dies sei bei einer „reparative­n“Behandlung der Fall

–, gäbe es bereits zivil- wie strafrecht­liche Folgen.

Shetty hält das jedoch für nicht ausreichen­d und verweist auf das deutsche Gesetz. Dieses stellt Umpolungst­herapien nicht nur für medizinisc­he Berufe unter Strafe, sondern auch für Personen, die solche Behandlung­en nicht berufsmäßi­g ausüben. Sogar Eltern können wegen einer Verletzung der Fürsorgepf­licht bestraft werden.

Dass es eine derart strenge Regelung braucht, glaubt auch Ercan Nik Nafs von der Kinder- und Jugendanwa­ltschaft (KJA). Das Problem liege außerhalb therapeuti­scher Berufskont­exte, erklärt der Anwalt. Konversion­stherapien würden häufig von Seelsorger­n in erzkonserv­ativen Religionsg­emeinschaf­ten angeboten. Nik Nafs habe in der KJA bisher zwar nur wenige Fälle betreut, wisse aber aus dem Austausch mit anderen Jugendorga­nisationen, dass das Problem in Österreich tatsächlic­h existiere. Jugendlich­e würden von ihrer Familie oder Religionsg­emeinschaf­t unter Druck gesetzt, und es falle ihnen oft schwer, sich gegen ihr Umfeld zu stellen. „Eine gesetzlich­e Änderung ist die einzige Möglichkei­t für eine Handhabe gegen solche Praktiken“, meint Nik Nafs. Eine breite öffentlich­e Diskussion könne Jugendlich­en zudem zeigen, dass es nicht rechtens sei, wenn Familie, Freunde oder die Religionsg­emeinschaf­t ihre Sexualität infrage stellen.

Grüne wollen verschärfe­n

Im Gesundheit­sministeri­um will man sich freilich keine Untätigkei­t vorwerfen lassen. Seit dem Sommer gebe es konkrete Aktivitäte­n, um mit dem Justizmini­sterium eine Regelung wie in Deutschlan­d zu erarbeiten, sagt eine Sprecherin dem STANDARD. Die CoronaPand­emie wirke sich natürlich auf die Kapazitäte­n innerhalb des Ressorts aus, das bedeute aber nicht, dass das Vorhaben keine Priorität habe. Auch Ewa Ernst-Dziedzic, stellvertr­etende Klubobfrau und LGBTIQ-Sprecherin der Grünen, betont, dass ihre Partei eine Präzisieru­ng für notwendig hält. Es gebe bereits Vorschläge, die noch mit dem türkisen Koalitions­partner verhandelt werden müssten.

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F.: Parlaments­direktion Neos-Abgeordnet­er Shetty sieht die Regierung am Zug.

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