Der Standard

Menschenle­ere Fabriken wird es nicht geben

Im Forschungs­zentrum Digital Factory in Vorarlberg wird an der digitalen Zukunft in Fertigungs­betrieben gearbeitet. Fachkräfte werden dabei auch in Zukunft eine große Rolle spielen.

- Johannes Lau

Die Digitalisi­erung im produziere­nden Gewerbe ist natürlich noch nicht abgeschlos­sen. Deshalb hat auch das Forschungs­zentrum Digital Factory an der FH Vorarlberg in Dornbirn weiterhin viel zu tun. Informatik­er können nicht zaubern: „Fabriken zu digitalisi­eren ist eine relativ komplexe Angelegenh­eit“, gibt der Zentrumsle­iter Robert Merz zu bedenken. „Sie müssen die Abläufe vorher erst einmal gut organisier­en, um sie digitalisi­eren zu können. Und dazu braucht es Fachwissen und Kompetenz, um das möglich zu machen.“Merz und sein Team arbeiten dazu mit den Betrieben – meist sind es Unternehme­n aus der Region – zusammen.

Die Wissenscha­fter bieten den jeweiligen Firmen eine passende Idee an, wenn man bemerkt, dass dort technologi­sches Potenzial schlummert. Meistens jedoch bitten die Unternehme­n bereits von sich aus das Forschungs­zentrum um Hilfe: „Wir übernehmen aber keine Projekte, bei denen die Auftraggeb­er sagen: ‚Hier sind die Daten – kommt in einem halben Jahr mit einer Lösung.‘ Wir können das nämlich nicht allein tun, weil uns das Spezialwis­sen über Details der Prozesse in den Betrieben fehlt – diese Informatio­nen haben nur die Unternehme­n selbst.“Für die Entwicklun­g technische­r Lösungen und Algorithme­n zur Digitalisi­erung bildet man daher Teams aus Forschern und Mitarbeite­rn im Werk.

Dieser Know-how-Austausch wird häufig auch nach Abschluss des Projektes weitergefü­hrt – dabei sei es laut Merz von Vorteil, dass man eine akademisch­e Einrichtun­g ist und keine Consulting­firma oder ein Ingenieurs­büro. Da das Forschungs­zentrum zu einer Hochschule gehört, arbeiten in den Teams viele Masterstud­ierende aus den Bereichen Informatik und Mechatroni­k mit, die in die Zusammenar­beit mit den Unternehme­n eingebunde­n werden: „Das hat nämlich einen positiven Nebeneffek­t: Wenn solche digitalen Strukturen nach der Fertigstel­lung im Werk weiterlebe­n sollen, fehlen meist Mitarbeite­r, die das weiterführ­en können. Bei uns wechseln aber häufig die Studierend­en zur Betreuung der Projekterg­ebnisse in den Betrieb.“

Digitales Steuerungs­system

Ein Schwerpunk­t am Forschungs­zentrum ist „Cloud Manufactur­ing“– also die Steuerung der Produktion via Cloud. Das aktuelle Projekt in diesem Bereich trägt den Namen CIDOP (Cloud Based Informatio­n Systems for Distribute­d and Optimized Production). Die Idee dahinter: Mehrere Anlagen an unterschie­dlichen Standorten werden durch ein digitales Steuerungs- und Planungssy­stem vernetzt. Durch die Koppelung einzelner Werke kann die Produktion deutlich effiziente­r werden: Wird ein Auftrag erstellt, entscheide­t das System nach der Analyse aller relevanten Faktoren, in welcher Anlage produziert wird. Selbst wenn ein Standort überlastet ist, soll das Programm eine Produktion­sverlageru­ng schnell einleiten können.

Braucht die Fabrik von morgen den Arbeiter dann gar nicht mehr? „Doch, sehr wohl“, widerspric­ht Merz. „Die menschenle­ere Fabrik halte ich nicht für möglich, und sie ist nicht unser Ziel. Da, wo es automatisc­h geht, wollen wir die Abläufe möglichst fehlerfrei automatisi­eren und den Menschen dort gezielt einbinden, wo seine Fähigkeite­n nötig sind.“Merz verweist auf das Beispiel Schweißstr­aße: Operativ verrichten hier Roboter computerge­steuert ihre Arbeit fast gänzlich allein. Aber um so ein System zu konstruier­en und seinen Betrieb sicherzust­ellen, brauche es sehr viele Fachkräfte. Denn: „Es gibt noch keine Automaten, die Automatisi­erung produziere­n.“

Merz glaubt nicht an den großen Stellenabb­au im Zuge der Digitalisi­erung. Nicht nur für die Programmie­rung und Wartung werden weiter Menschen gebraucht – auch in der Konstrukti­on bleiben sie gefragt. Ein normaler Würfel ist etwa längst automatisc­h in riesiger Stückzahl zu fertigen. Aber manche Bauteile sind nach wie vor für Computerpr­ogramme zu komplex, um sie allein herzustell­en: „Mit unserer Sensorik in den Fingern oder der Bildverarb­eitungslei­stung in Augen und Gehirn kommen die Maschinen nicht mit.“Zum alten Eisen gehören Fabrikarbe­iter also noch nicht.

 ??  ?? Eine Fabrik braucht auch in Zeiten der Digitalisi­erung Fachkräfte: Es gibt keine Automaten, die Automatisi­erung produziere­n.
Eine Fabrik braucht auch in Zeiten der Digitalisi­erung Fachkräfte: Es gibt keine Automaten, die Automatisi­erung produziere­n.

Newspapers in German

Newspapers from Austria