Die Angst vor der zweiten Welle
Die Unsicherheit bezüglich der Corona-Pandemie ist nun auch wieder an den Börsen deutlich zu spüren. Es wird Kasse gemacht, Corona-Verlierer werden verkauft, Homeoffice-Profiteure wieder stark nachgefragt.
Der Sommer ist vorbei. Der kühler werdende Wind macht nicht nur das Klima langsam wieder rauer. Die steigenden Corona-Infektionszahlen bringen die Sorgen vom Frühling zurück. Es gilt, einen zweiten Lockdown zu vermeiden – wenngleich das in Israel etwa gerade passiert ist und auch in Großbritannien immer lauter über diese radikale Maßnahme zur Eindämmung der Neuinfektionen nachgedacht wird.
Wie viel verkraftet die Wirtschaft noch? Das ist eine Frage, die auch Anleger dieser Tage sehr beschäftigt. Die Reisebranche liegt darnieder, die Eventbranche ebenso. Neue Reisewarnungen machen es dem Städtetourismus nicht leichter. Die Wintersaison steht vor der Türe.
Die neue Normalität
Wie kann das Leben mit Pandemie ohne große Gefahr von Neuansteckungen organisiert werden? Wie kann der sanfte Aufschwung gehalten werden? Wann werden wir Covid-19 effektiv behandeln können, was wird uns ein Impfstoff bringen? Fragen über Fragen. Die Antwort:
Man weiß es nicht genau. Die geballte Unsicherheit war in den vergangenen Tagen auch an den Börsen wieder spürbar. Viele Investoren haben jetzt einmal Gewinne mitgenommen und Papiere verkauft.
Die Corona-Verlierer
Die Titel der größten Corona-Verlierer wie etwa Reiseveranstalter oder Fluggesellschaften büßten zuletzt dementsprechend stark ein. Unter Druck kam aber auch die Bankenbranche aufgrund der geleakten FinCEN-Papiere. Demnach sollen, wie berichtet, Banken aus aller Welt über Jahre hinweg Geschäfte mit hochriskanten Kunden abgewickelt haben. Die Institute hätten trotz strenger Regularien mutmaßliche Kriminelle als Kunden akzeptiert und für diese Überweisungen in Milliardenhöhe ausgeführt.
Doch auf der Bankenbranche lastet noch ein anderer Druck. Nicht alle Banken werden die Corona-Krise nach Ansicht der deutschen Finanzaufsicht BaFin überstehen. „Der Gesamtheit der Banken kann man ausreichende Stressresistenz ausstellen, aber das gilt nicht für alle“, sagte BaFin-Exekutivdirektor Raimund Röseler bei einer Branchenkonferenz in Frankfurt. „Wie bei Menschen gilt hier: Wer Vorerkrankungen hat, hat ein größeres Risiko, an Corona zu sterben.“
Niemand könne seriös vorhersagen, wie sich die Situation weiter im Detail entwickle und sich die Pandemie auf die Realwirtschaft auswirke, machte Röseler deutlich. Es sei aber nicht auszuschließen, dass es trotz der vielen staatlichen Hilfsprogramme zu einer schweren Rezession komme und Unternehmen ihre Kredite nicht mehr bedienen könnten. „Die Banken müssen damit rechnen, dass noch einiges auf sie zukommt.“
Schneller als gedacht
Es ist also ein giftiger Cocktail aus Angst, Sorgen, Hilfspaketen, Hoffen und Bangen, der derzeit dafür sorgt, dass die Märkte sich wieder volatiler präsentieren. „Es scheint, als würden die Investoren damit beginnen, sich an die Aussicht zu gewöhnen, dass eine zweite Infektionswelle schneller kommen wird als ein Impfstoff“, sagte Jochen Stanzl, Marktanalyst
beim Handelshaus CMC Markets. Nach dem Ausverkauf greifen die Anleger aber wieder zu.
Runter und wieder rauf
Nach den Korrekturen zum Wochenbeginn haben sich die Börsen am Dienstag wieder ruhiger gezeigt. In Europa schafften es viele Märkte, ein Plus mitzunehmen. Auch am Ölmarkt folgte eine Stabilisierung. Der Preis für Nordseeöl Brent stieg ein Prozent, die US-Sorte WTI verteuerte sich um 0,8 Prozent. „In dieser Woche stellt sich der Markt wieder auf einen wahrscheinlichen Stillstand der wirtschaftlichen Erholung in Europa ein, da mehrere Länder in der Region neue Beschränkungen auferlegen, um den Anstieg der Coronavirus-Infektionen einzudämmen“, erklärt Vandana Hari, Energieanalystin bei Vanda Insights in Singapur.
Auch die Wall Street hat sich stabilisiert. „Anleger versuchen abzuschätzen, ob dieser Rücksetzer noch weitergeht“, so Sam Stovall vom Research-Haus CFRA. Außerdem machten die nahenden US-Wahlen Investoren nervös.