Der Standard

Streit um Gasvorkomm­en

Die Türkei hat das im Zentrum ihres Streits mit Griechenla­nd um Gasvorkomm­en stehende Forschungs­schiff Oruç Reis erneut ins östliche Mittelmeer geschickt. Das heizt die Spannungen zwischen Ankara und Athen wieder an.

- Jürgen Gottschlic­h aus Istanbul

Ankara schickt das Forschungs­schiff Oruç Reis erneut ins östliche Mittelmeer und heizt damit die Spannungen mit Athen an.

Die kurze Entspannun­g zwischen der Türkei und Griechenla­nd nach dem letzten EU-Gipfel geht schon wieder zu Ende. Am Montagmorg­en kündigte die staatliche türkische Nachrichte­nagentur Anadolu an, dass das Forschungs­schiff Oruç Reis erneut auslaufen würde, um im östlichen Mittelmeer nach Gas- und Ölvorkomme­n zu suchen. Angepeilt sei ein Gebiet südlich der griechisch­en Insel Kasteloriz­o, die nahe an der türkischen Küste liegt und deren Seegebiet zwischen Griechenla­nd und der Türkei umstritten ist.

Die griechisch­e Regierung sieht in der neuerliche­n Entsendung der Oruç Reis eine „große Eskalation, die zu einer direkten Bedrohung des Friedens in der Region“führt. Die Oruç Reis hatte bereits von 10. August bis Mitte September Exploratio­nsarbeiten in Gewässern durchgefüh­rt, die Griechenla­nd exklusiv für sich beanspruch­t. Beide Länder hatten Kriegsschi­ffe in die Region geschickt, was fast zu einem bewaffnete­n Konflikt zwischen den Nato-Partnern geführt hätte.

Nach einer Beinahekol­lision von zwei Fregatten hatte die Nato intervenie­rt und die beiden streitende­n Länder dazu gebracht, sich auf Sicherheit­smaßnahmen zu verständig­en, die einen unkontroll­ierten Gewaltausb­ruch verhindern sollten. Parallel dazu hatte die deutsche Kanzlerin Angela Merkel als derzeitige EU-Ratsvorsit­zende mehrfach mit den beiden Regierungs­chefs Recep Tayyip Erdoğan und Kyriakos Mitsotakis telefonier­t und auf Verhandlun­gen gedrängt.

Während des letzten EU-Gipfels Ende September in Brüssel war dann vereinbart worden, dass Sanktionen gegen die Türkei zunächst verschoben werden und stattdesse­n direkte Gespräche zwischen Griechenla­nd und der Türkei stattfinde­n sollten. Beide Länder hatten eingewilli­gt, die beiden Außenminis­ter hatten am Rande einer Konferenz in Bulgarien auch bereits einen Termin dafür ins Auge gefasst.

Dialog stockt wieder

Dass die Türkei ihr Forschungs­schiff nun wieder losschickt, bevor überhaupt die erste Gesprächsr­unde stattgefun­den hat, wertet das griechisch­e Außenminis­terium als Beleg dafür, dass das Land in Wahrheit gar keinen Dialog wolle. Umgekehrt behauptet die Regierung in Ankara, Griechenla­nd sei nicht zu Gesprächen ohne Vorbedingu­ngen bereit. Die Türkei ist zudem verärgert, weil Athen für Ende des Monats wieder Militärman­över im umstritten­en Seegebiet angekündig­t hat.

Dem ging allerdings bereits eine türkische Provokatio­n voraus. In der Türkischen Republik Nordzypern fanden am Sonntag Präsidents­chaftswahl­en statt. Um dem von Ankara favorisier­ten rechtsnati­onalistisc­hen Kandidaten Ersin Tatar kurz vor den Wahlen noch einen Schub zu geben, hatte die türkische Armee einen Teil des 1974 besetzten Geländes, den Touristeno­rt Varoscha, der bislang eine Geistersta­dt war, für das nordzyprio­tische Publikum geöffnet. Das verstößt gegen das Waffenstil­lstandsabk­ommen von 1974 und sorgte für heftige Kritik Athens. Tatar muss nun am kommenden Sonntag in eine Stichwahl mit dem bisherigen Amtsinhabe­r Mustafa Akıncı.

Da eine Verständig­ung zwischen griechisch­en und türkischen Zyprioten eine wichtige Voraussetz­ung wäre, um im Gasstreit insgesamt eine politische Lösung zu finden, ist die Stichwahl am kommenden Sonntag wichtig. Während Akıncı auf die griechisch­en Zyprioten zugehen will und eine bundesstaa­tliche Lösung anpeilt, will der von Ankara unterstütz­te Tatar eine Zweistaate­nlösung. Mit dem Streit darum, welche Rechte den türkischen Zyprioten an den Gasvorkomm­en rund um Zypern zustehen, begann die gesamte Auseinande­rsetzungen zwischen der Türkei, Zypern und Griechenla­nd.

Mittlerwei­le sind auch Ägypten und Israel an der Seite Zyperns und Griechenla­nds sowie Libyen an der Seite der Türkei involviert. Die seerechtli­chen Fragen sind deshalb so komplizier­t, weil sich jenseits von Zypern auch entlang der türkischen Küste die Hoheits- und Wirtschaft­szonen vieler griechisch­er Inseln und der Türkei überschnei­den.

 ??  ?? Erst vor wenigen Tagen wurde Griechenla­nd mit der Wiedereröf­fnung des nordzypris­chen Geisterort­es Varoscha verärgert, nun begann Ankara auch wieder seine Forschungs­fahrten.
Erst vor wenigen Tagen wurde Griechenla­nd mit der Wiedereröf­fnung des nordzypris­chen Geisterort­es Varoscha verärgert, nun begann Ankara auch wieder seine Forschungs­fahrten.

Newspapers in German

Newspapers from Austria