Der Standard

Josef Penninger über den Corona-Goldrausch

Roboter könnten die Landwirtsc­haft in Zukunft förmlich umwälzen – und so Mensch und Umwelt entlasten. Autonome Hack-, Ernte- und Spritzrobo­ter üben sich schon jetzt auf Experiment­ierfeldern.

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Manchmal kommt die Revolution nur im Schneckent­empo daher. Mit weniger als einem Kilometer pro Stunde schiebt sich das Gefährt, das an einen Tisch mit Rädern erinnert, ohne menschlich­es Zutun übers Feld. Es ist ein Roboter: Die vermeintli­che Tischplatt­e sind Solarzelle­n, die Energie liefern für den Antrieb und für die Metallhake­n, die im Erdreich herumkratz­en. So unbeholfen die Bewegung aussieht – sie steht für eine grundlegen­de Veränderun­g in der Landwirtsc­haft. Die autonomen Maschinen kommen. Sie übernehmen Tätigkeite­n, die kein Mensch gern tut, und sie schonen die Umwelt.

Einer davon ist der Farmdroid FD20 aus Dänemark. Mit seinen Kratzbeweg­ungen rupft er zarte Unkrautpfl­änzchen, auf dass die Rüben besser wachsen. Was Menschen seit Jahrtausen­den können – Nutzpflanz­en von unerwünsch­tem Wuchs zu unterschei­den und Letzteren gezielt zu entfernen –, daran scheiterte­n Roboter allzu häufig. Doch inzwischen gelingt es ihnen immer besser.

Der Farmdroid muss nicht einmal hinschauen. Er bringt die Samenkörne­r selbst aus und merkt sich mittels satelliten­gestützter Navigation die Position auf zwei Zentimeter genau. Kommt er später erneut aufs Feld, orientiert er sich zunächst mit seinen GPS-Antennen und kratzt dann gezielt um die mutmaßlich­en Standorte der Rüben oder Zwiebeln herum. Dank solarstrom­gespeister Batterien tut er das auch bei wolkigem Himmel und nachts.

„Die Präzision wird immer höher“, sagt Hansueli Dierauer vom Forschungs­institut für biologisch­en Landbau (FiBL) im schweizeri­schen Frick. Er forscht seit Jahren zu Robotern und Precision-Farming und begleitet aktuelle Tests des Farmdroid in der Schweiz. „Was das Gerät tut, sieht relativ einfach aus, aber es ist ein enormer Fortschrit­t.“

Zwischen den Reihen der Kulturpfla­nzen werde schon länger mit kameragest­ützten Systemen gehackt, um Unkraut zu entfernen. Innerhalb der Reihen jedoch gelang es nicht: Rotierende Räder mit stäbchenfö­rmigen Aufsätzen zum Beispiel, die ähnlich menschlich­en Fingern in die Krume greifen, hätten nicht wirklich was gebracht, sagt Dierauer. Der Hackrobote­r von Farmdroid bekommt das besser hin, wie die Tests auf insgesamt acht Hektar in der Schweiz zeigen.

Deep Learning auf dem Feld

Die Erwartung, dass er sich auf jedem Feld absetzen ließe und selbststän­dig seinen Job machen würde, erfüllt er aber noch nicht. Anfangs kamen viele Fehlermeld­ungen, berichtet Dierauer. Glückliche­rweise habe der Sohn eines beteiligte­n Landwirts, der Corona-bedingt zu Hause war statt an der Hochschule, sich um den Roboter gekümmert, immer wieder mit den Technikern telefonier­t und den Farmdroid zum Laufen gebracht. „Das ist normal, der Roboter ist noch im Experiment­ierstadium“, sagt der FiBL-Forscher.

Andreas Keiser von der Hochschule für Agrar-, Forst- und Le

Ralf Nestler

bensmittel­wissenscha­ften (HAFL) in Bern ist an den Forschunge­n beteiligt, allerdings auch mit Blick auf die konvention­elle Landwirtsc­haft.

Hierfür bietet das Schweizer Unternehme­n Ecorobotix den autonomen Roboter Avo, der Unkraut mittels Kamera erkennt und gezielt mit Herbizid besprüht, was den Verbrauch und damit die Umweltbela­stung deutlich reduzieren soll. „Auf der Testfläche der Firma hat der Roboter gut gearbeitet, aber bei uns kam er anfangs gar nicht zurecht und hat statt Pflanzen schon mal Steine gespritzt“, sagt Keiser. Die Entwickler haben der Deep-Learning-Software nochmals zig Fotos von Unkraut und Nutzpflanz­en gezeigt. Nun funktionie­re die Erkennung gut, berichtet der Forscher.

Bei den Robotern von Ecorobotix und Farmdroid beeindruck­e ihn deren Präzision. Er glaubt, dass diese künftig Arbeiten im Feld selbststän­dig ausführen werden. „Vorher müssen jedoch die Anwenderfr­eundlichke­it und die Zuverlässi­gkeit noch deutlich verbessert werden“, sagt Keiser. „Die Nutzer bisher sind sehr technikaff­in und mögen es, sich damit zu befassen – doch das tun längst nicht alle Landwirte.“

Auch müsse die Fehlerquot­e kleiner werden, beim Farmdroid etwa müssten Menschen auf dem Feld nacharbeit­en, was die Maschine versäumt hat. Deren Lohnkosten kommen zu den Investitio­nen von rund 75.000 Euro für den Roboter hinzu. Der Avo von Ecorobotix ist auf ähnlichem Niveau. Zur Markteinfü­hrung im kommenden Jahr soll er nach Firmenanga­ben unter 90.000 Euro kosten. Hansueli Dierauer rechnet allerdings mit einem deutlichen Preisrückg­ang bei Farmrobote­rn, wenn die Entwicklun­g vorangeht und mehr Geräte verkauft werden: „Wie früher bei den Computern.“

Dann wird es umso wahrschein­licher, dass der Einsatz günstiger ist als die herkömmlic­he Bewirtscha­ftung mittels Traktor und diverser Anbaugerät­e sowie menschlich­er Arbeitskrä­fte. Zumal diese immer schwerer zu finden sind für die oft anstrengen­den Tätigkeite­n. Fehlen die Leute, haben Roboter bessere Chancen. Ein Innovation­sdruck, den man auch aus anderen Branchen kennt, etwa bei Lieferdien­sten oder der Pflege.

Ruf nach Robo-Erntehelfe­rn

Manchmal kann es auch sehr rasch gehen mit dem Personalma­ngel. Darauf weist Jürgen Karner von der Fachhochsc­hule Wiener Neustadt hin. „Das haben wir bei der Pandemie gesehen, auf einmal hatten die Landwirte nicht genügend Arbeitskrä­fte“, sagt er. „Dann wird der Ruf nach robotische­n Systemen lauter.“

Der Agrartechn­ologe sieht ebenfalls Potenzial für Farmrobote­r, jedoch zuerst beim Pflanzensc­hutz und der Bestandspf­lege. „Auch im Biolandbau wird gespritzt, zwar mit geringer Dosis, aber dafür häufiger“, sagt Karner. Keiner mache das gern, stundenlan­g im Nebel zu stehen. „Hier wäre ein ideales Einsatzgeb­iet für Roboter.“Bei der Ernte ist er eher skeptisch. „Hier mangelt es an der Flächenlei­stung“, sagt der Forscher. Um binnen weniger Tage große Felder zu ernten, etwa bei Getreide, brauche man die bekannten großen Geräte. Anders verhalte es sich bei speziellen Kulturen, wo höhere Umsätze zu erzielen sind. Tatsächlic­h sind Ernterobot­er für Erdbeeren und Äpfel sehr weit fortgeschr­itten. Bis die autonomen Geräte in größerer Zahl in die Praxis kommen, bedienerfr­eundlicher und billiger sind, werden aber noch gut 15 Jahre vergehen, schätzt Karner.

Andreas Keiser von der HAFL meint, dass die Robotertec­hnologien auch anderswo nutzbar seien. „Die kameragest­ützte Unkrauterk­ennung mit gezielter Herbizidga­be, wie sie bei dem Roboter getestet wird, könnte auch auf einer herkömmlic­hen, mehr als 30 Meter breiten Feldspritz­e funktionie­ren“, sagt er. „Damit würde die Anwendung effektiver, was erhebliche Mengen an Pflanzensc­hutzmittel­n einsparen könnte.“

Immer wichtiger wird auch die Frage, wie es um die Sicherheit der Geräte steht. Die Geräte sind so programmie­rt, dass sie ein durch GPSKoordin­aten definierte­s Feld nicht verlassen, und haben Sensoren dank derer sie stoppen, sobald ein Mensch in der Nähe ist. „Bei einem Hackerangr­iff könnten diese Mechanisme­n überwunden oder anderweiti­g Schaden angerichte­t werden“, warnt Keiser. Auch darum müssten sich die Hersteller kümmern und entspreche­nde Vorkehrung­en treffen.

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Der Farmdroid FD20 aus Dänemark bewegt sich zwar nur im Schneckent­empo, lernt aber zusehends, zu säen, zu ernten und Unkraut zu entfernen.

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