Erste Anhörung im Senat
Donald Trump tritt wieder öffentlich auf. Zweimal sei er negativ getestet worden, sagt sein Arzt. Eine Prüfung im Senat muss derweil seine Höchstrichterkandidatin Amy Coney Barrett bestehen.
Während der von Corona genesene US-Präsident Trump Küsse verteilen möchte, muss Höchstrichterkandidatin Amy Coney Barrett eine Prüfung im Senat bestehen.
Die Tage werden wieder länger. Zwar nicht auf der Nordhalbkugel allgemein, dafür aber im US-Wahlkampf. Stundenlang zogen sich am Montag schon die Anfangsstatements vor dem Senat, als es erstmals um die Bestätigung der konservativen Richterin Amy Coney Barrett für den vakanten Richterposten am Supreme Court ging.
Noch länger, so erwartete man, würde es in der Nacht auf Mittwoch: Da stand die erste Befragungsrunde durch die 22 Mitglieder des Justizausschusses an – jeweils eine halbe Stunde war dafür budgetiert. Im Vergleich fasste sich Präsident Donald Trump da fast schon kurz. Er absolvierte in Florida Montagabend seinen ersten Wahlkampfauftritt nach der Covid-19-Erkrankung.
65 Minuten sprach der Präsident da vor den eng zusammenstehenden Fans auf dem Orlando International Airport, die Air Force One und den Sonnenuntergang im Rücken. Er fühle sich großartig und „äußerst mächtig“, sagte er mit noch merklich heiserer Stimme, zumal er nun gegen das Virus immun sei. Sogar einen kleinen Tanz wagte Trump, später kündigte er an, er wolle ins Publikum herabsteigen und all „den Burschen und den schönen Frauen“einen dicken Kuss geben. Geschehen ist dies nicht, zumindest für die großteils maskenlosen Zuseherinnen und Zuseher wäre es wohl in der Tat ungefährlich gewesen: Trump war, so sein Leibarzt Sean Conley, zuvor „zweimal hintereinander“negativ getestet worden. Wie es sich mit der Immunität verhält, ist aber offen: Die Behandlung mit synthetischen Antikörpern und Steroiden könnte den Aufbau der eigenen Immunabwehr behindert haben.
Biden besetzt die Mitte
Aufzuholen hat Trump einiges. Mehr als zehn Prozentpunkte trennen ihn mittlerweile im landesweiten Durchschnitt von seinem demokratischen Konkurrenten im Präsidentschaftswahlkampf, Joe Biden. Auch in den wichtigsten SwingStates liegt Biden mehrere Prozentpunkte voran. Der Demokrat versuchte zuletzt, zunehmend die politische Mitte zu besetzen. In Reden in Michigan und Pennsylvania sprach er wörtlich die „weißen Demokraten aus der Mittelklasse“an, die er in seine Partei nach Hause holen wolle.
Deutlicher als bisher äußerte sich Biden auch zur Frage, ob er sich eine Erweiterung des U.S. Supreme Court vorstellen könne. Er sei „nie ein Fan“einer solchen Idee gewesen, sagte er – ließ sich aber offen, ob er sie als Präsident nicht vielleicht trotzdem umsetzen werde.
Die Forderung war rund um die Nominierung Barretts wieder laut geworden. Die streng katholische Juristin würde im Fall ihrer Bestätigung der verstorbenen Liberalen Ruth Bader Ginsburg folgen. Sechs der neun Stimmen im Höchstgericht wären klar dem konservativen Lager zuzuordnen. Ob sie das Recht auf Schwangerschaftsabbruch, das aus der Supreme-Court-Entscheidung Roe v. Wade von 1973 hervorgeht, für einen Fehler hält, wollte Barrett am Dienstag nicht sagen. Ebenso wenig wollte sie beurteilen, ob ein Präsident von sich aus eine Wahl verschieben könne – was eindeutig nicht der Fall ist, diese Kompetenz liegt beim Kongress. Auch zum Versicherungssystem Obamacare enthielt sie sich eines Urteils.
Letzteres ist es auch, das die Demokraten im Wahlkampf wieder für sich entdeckt haben. Vor allem in den Vorstädten und bei einkommensschwachen Gruppen im Mittleren Westen ist die Angst vor einem Verlust einer bezahlbaren Versicherung groß. Immer wieder haben die Senatorinnen und Senatoren bei der ersten Anhörung am Montag auf ein solches Szenario hingewiesen.
„Keine Demokratie“
Für Aufregung sorgte bei dem Hearing der republikanische Senator Mike Lee. Der Abgeordnete aus Utah war erst vor neun Tagen positiv auf Sars-CoV-2 getestet worden, erschien dennoch persönlich im Senat – obwohl eine Teilnahme via Video möglich wäre. Lee hatte kürzlich auch schon mit der Behauptung für Aufsehen gesorgt, die USA seien per Verfassung „keine Demokratie“.
Wenig demokratisch gestaltete sich Anfang der Woche auch die vorzeitige Stimmabgabe. In Georgia mussten sich Bewohner einer mehrheitlich demokratischen Gegend zehn Stunden lang anstellen. In Kalifornien tauchten Einwurfboxen für Wahlbriefe auf. Republikaner hatten die mit den Worten „offizielle Briefwahlbox“versehenen Kästen widerrechtlich aufgestellt.