Der Standard

ZITAT DES TAGES

Als „Karpaten-Maradona“ist Gheorghe Hagi die rumänische Fußballleg­ende. Der Vater von Teamspiele­r Ianis Hagi kann Österreich­s Mannschaft, die heute in Ploieşti gastiert, gar nicht hoch genug loben.

- INTERVIEW: Dimitrios Dimoulas

„Eine EM ohne Fans ist sehr schwer vorstellba­r und hinnehmbar.“

Die rumänische Fußballleg­ende Gheorghe Hagi über Fußballspi­ele unter Corona-Bedingunge­n

Als Spieler begleitete Gheorghe Hagi aufgrund seiner exzellente­n Ballbehand­lung und seiner Spielintel­ligenz der Beiname „Karpaten-Maradona“. Dank dieser Spielmache­rqualitäte­n streifte er das Trikot von Steaua Bukarest, Real Madrid, Brescia und dem FC Barcelona über, ehe er mit Galatasara­y Istanbul im Mai 2000 seine Karriere krönte: Er holte mit den Türken den Uefa-Cup. Mit der rumänische­n Nationalma­nnschaft nahm Hagi an drei WM- und ebenso vielen EMEndrunde­n teil. Heute lebt der 55Jährige in seiner Geburtssta­dt Constanța am Schwarzen Meer, wo er als Eigner und Manager seines „Geschöpfs“Viitorul (Zukunft) Constanța fungiert. Der Fußballver­ein wurde 2009 gegründet und ist seit 2012 erstklassi­g.

STANDARD: Die rumänische Nationalma­nnschaft verpasste mit der 1:2Niederlag­e in Island die EM. Sind Sie arg enttäuscht?

Hagi: Natürlich überwiegt nach solch einem Resultat die Enttäuschu­ng, zumal in Bukarest drei Vorrundens­piele und ein Achtelfina­le ausgetrage­n werden, ohne dass unsere Nationalma­nnschaft nun auch nur ein Spiel vor heimischer Kulisse austragen kann. Das ist schon ein Jammer. Zum Spiel gegen Island muss ich gestehen, dass Island über eine bessere Organisati­on und über mehr Erfahrung verfügte. Insofern war das Resultat irgendwie gerechtfer­tigt. Das 0:4 in Norwegen war eine unerfreuli­che Folge.

STANDARD: Das Coronaviru­s hat das gesellscha­ftliche Leben arg eingeschrä­nkt. Können Sie sich vorstellen, dass die bereits verschoben­e EM nächstes Jahr vor leeren Rängen stattfinde­t? Hagi: Das Virus hat die ganze Welt auf den Kopf gestellt, nicht nur den Fußball. Wir müssen uns diesen Gegebenhei­ten, die wir uns vor einem Jahr nicht hätten vorstellen können, anpassen und dafür beten, dass wir in ein paar Monaten zur Normalität zurückfind­en können. Eine EM ohne Fans ist sehr schwer vorstellba­r und hinnehmbar.

STANDARD: Sie waren bis zum vergangene­n Sommer in Personalun­ion Eigner, Manager und Trainer von Viitorul Constanța. Nun haben Sie den Trainerpos­ten mit dem Spanier Ruben de la Barrera bekleidet. Warum? Hagi: Es gab letzte Saison einen Moment, in dem ich den Entschluss fasste, einen anderen Trainer zu bringen und mich überwiegen­d dem administra­tiven Teil zu widmen. Gleichzeit­ig wollte ich mich um die Belange der Jugendakad­emie kümmern, was eigentlich auch die Gründungsi­dee des Vereins war. Sie dürfen nicht vergessen, dass ich über zehn Jahre lang ununterbro­chen in allen Bereichen des Klubs, organisato­risch, sportlich und im Scouting, gearbeitet habe. Irgendwann ist es dann auch genug.

STANDARD: Sie beteuern immer wieder, dass Fußball Ihr Leben ist. Schließen Sie aus, noch einmal auf die Trainerban­k zurückzuke­hren?

Hagi: Keineswegs. Ich werde im passenden Moment eine neue Herausford­erung annehmen und auf die Trainerban­k zurückkehr­en. Ich hatte auch jetzt sehr interessan­te und verlockend­e Angebote, als Trainer zu arbeiten. Ich wollte jedoch vom Trainerdas­ein momentan ein bisschen Abstand nehmen.

STANDARD: Ihr 21-jähriger Sohn Ianis wechselte vom belgischen KRC Genk zu den Glasgow Rangers. Haben Sie ihm dazu geraten, und welche Rolle spielte die Präsenz von Steven Gerrard auf der Trainerban­k der Rangers? Hagi: Natürlich bespreche ich solche Themen mit meinem Sohn. Ausschlagg­ebend für diesen Transfer waren sowohl die Reputation des Klubs als auch die Tatsache, dass Steven Gerrard und dessen Assistent Gary McAllister Ianis unbedingt haben wollten. Mit der Qualifikat­ion zur Europa League, ausgerechn­et gegen meinen Ex-Verein Galatasara­y, hat er einen gebührende­n Einstand gefeiert und eine gute Hypothek für die Saison hinterlegt. Er war übrigens an diesem Abend der einzige Spieler, der in Istanbul geboren ist.

„Eine EM ohne Fans ist sehr schwer vorstellba­r und hinnehmbar.“Gheorghe Hagi

STANDARD: Ianis spielt die gleiche Position wie Sie. Hat der Sohn die Gene vom Vater geerbt?

Hagi: Im Gegensatz zu mir ist er beidbeinig, schlanker und größer. Er tendiert mit seiner Spielweise eher zu Zinédine Zidane als zu Gheorghe Hagi. Damit kann ich auch leben.

STANDARD: Am Mittwoch trifft Ianis mit der rumänische­n Nationalma­nnschaft im Rahmen der Nations League in Ploieşti auf Österreich. Kann sich das Team von Mirel Rădoi nach den bitteren Niederlage­n in Island und Norwegen fokussiere­n?

Hagi: Fußball ist bekanntlic­h ein schnellleb­iges Geschäft. Man muss permanent zur Tagesordnu­ng zurückfind­en, sei es nach Erfolgen oder Niederlage­n. Rumänien ist hoffnungsv­oll in die Nations League gestartet und hat mit dem Sieg in Klagenfurt eine gute Ausgangspo­sition für den weiteren Verlauf des Wettbewerb­s geschaffen. Es gilt jetzt, den Fokus auf das kommende große Turnier, die WM in Katar, zu richten. Denn es zählt jeder gewonnene Punkt, um im Ranking nach oben zu klettern und ein möglicherw­eise besseres Los bei der Gestaltung der Qualifikat­ionsgruppe­n zu erwischen.

STANDARD: Welches Bild haben Sie von der österreich­ischen Mannschaft? Hagi: Österreich verfügt über eine Mannschaft mit riesigem Potenzial, die gespickt ist mit Spielern, die in diversen europäisch­en Ligen unter Vertrag stehen, was natürlich einen enormen Erfahrungs­schatz darstellt. Ich habe den Eindruck, dass diese Mannschaft an jene große Generation der Österreich­er der 1970er- und 1980er-Jahre anknüpft, als Krankl, Prohaska, Schachner und Pezzey internatio­nal für Furore sorgten.

GHEORGHE HAGI (55) bestritt für Rumänien 125 Länderspie­le (35 Tore). Für ein Jahr war er auch Teamchef seines Landes. Rumäniens Jahrhunder­tfußballer, der 1989 mit Steaua Bukarest das Finale des Meistercup­s 0:4 gegen Milan verlor, war auch Trainer bei Steaua und Galatasara­y.

 ?? Fotos Imago ?? Gheorghe Hagi dirigierte die rumänische Nationalma­nnschaft bei jeweils drei WM- und EM-Endrunden.
Fotos Imago Gheorghe Hagi dirigierte die rumänische Nationalma­nnschaft bei jeweils drei WM- und EM-Endrunden.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria