Der Standard

„Aufpassen, dass wir nicht in den Narrenbere­ich kommen“

Der blaue Ex-EU-Mandatar Andreas Mölzer sagt, dass die FPÖ sich thematisch öffnen sollte, warnt vor Charismati­kern und hält die Zeltlager für Flüchtling­e für eine „Sauerei“.

- INTERVIEW: Colette M. Schmidt

Standard: Geben Sie alleine HeinzChris­tian Strache die Schuld an der FPÖ-Wahlnieder­lage?

Mölzer: Das muss man differenzi­erter betrachten. Seit Ibiza ist unser Kapital als fundamenta­lkritische Partei und das Vertrauen derer, die nicht Korruption, Schwarz-Rot und den Mainstream wollten, verspielt.

Standard: Weil die Wähler die Korruption­sansagen der FPÖ sahen? Mölzer: Wegen der Korruption­sansagen, die genuin Straches waren. Das ist jetzt eineinhalb Jahre her und vielerorts vergessen, nicht so in Wien. Durch das Antreten Straches wurden Ibiza und seine Spesen dauernd aufgewärmt. Aber wo wir gut aufgestell­t sind, verlieren wir seit Ibiza ein Drittel, wie in der Steiermark oder der EU; wo wir schlecht aufgestell­t sind, zwei Drittel.

Standard: Also war die FPÖ mit Dominik Nepp schlecht aufgestell­t? Mölzer: Nein, es wäre für die FPÖ noch schlechter ausgegange­n, hätte sich Nepp nicht in den letzten Wochen noch stark eingebrach­t. Sonst hätte Strache knapp rein- und wir noch weiter runterkomm­en können. Aber es ist ein Fiasko, auch wenn die Bundes-FPÖ sagt, die Niederlage sei eh schon eingepreis­t gewesen.

Standard: Trotzdem gibt es keine Personaldi­skussion?

Mölzer: Es ist zu früh, es gibt jetzt genug andere Probleme. Zwei Drittel der Leute sind jetzt freigestel­lt. ÖVP und SPÖ können ihre Leute immer noch wo versorgen, sei es bei der Uniqa oder in Brüssel. Bei uns kommen nicht einmal die Spitzenpol­itiker unter.

Standard: Ihr Blatt „Zur Zeit“kann wohl nicht so viele aufnehmen? Mölzer: Zur Zeit lebt von Selbstausb­eutung. Ich habe auch meinem Sohn, als er aus dem Parlament flog, gesagt: „Mein Freund, jetzt musst du es mit Arbeit versuchen.“

Standard: Wer soll den FPÖ-Karren mittelfris­tig aus dem Dreck ziehen? Mölzer: Man kann nicht über Nacht wen aus dem Hut zaubern. Jetzt sind Politiker im Alter 50 plus am Ruder. Jüngere brauchen Zeit, sich zu entwickeln. Ich sehe viel Potenzial bei Manfred Haimbuchne­r, aber der will in Oberösterr­eich bleiben, auch bei Udo Landbauer, Mario Kunasek oder dem Welser Bürgermeis­ter Andreas Rabl. Jörg Haider und Strache waren charismati­sche Politiker. Aber die Gefahr bei Charismati­kern ist immer, dass sie abheben.

Standard: Glauben Sie, dass AntiIslam-Plakate noch ziehen?

Mölzer: Ich bin nur montags in Wien und habe diese Plakate selbst nicht gesehen. Nur das Thema Migration ist zu wenig. Die Partei muss sich wieder auf das Freiheitst­hema besinnen. Wir brauchen eine breite Palette: Bürgerfrei­heit, Meinungsfr­eiheit, Leistung, Familie, Soziales.

Standard: Freiheitst­hemen haben die Neos gepachtet, Leistung und Migration die ÖVP, Soziales die SPÖ. Wo braucht es Sie noch?

Mölzer: Na ja, bei Corona sehe ich das nicht bei den Neos. Aber das ist natürlich eine Gratwander­ung, da müssen wir aufpassen, dass wir nicht in den Narrenbere­ich kommen, also zu den Corona-Leugnern.

Standard: Hat Sie Moria auch ein paar Stimmen gekostet?

Mölzer: Das war den FPÖ-Wählern nicht wichtig. Die meisten sind in den Nichtwähle­rbereich gewandert, und dort müssen wir sie wieder abholen. Aber natürlich will keiner Kinder verkommen lassen. Aber dort hundert Kinder aussuchen: Wie wollen Sie das machen? Da ist es besser, man hilft allen vor Ort.

Standard: Mit Zelten ohne Böden, wo man bei Regen im Dreck schläft? Mölzer: Das ist eine Sauerei. Ich weiß nicht, warum es in Zeiten von Weltraumfa­hrt und Computerte­chnik nicht möglich ist, in zwei Monaten menschenwü­rdige Fertigteil­häuser mit Abwasserve­rsorgung hinzustell­en. Das kann man nicht auf die Rechtspopu­listen schieben. Das ist Heuchelei der EU.

ANDREAS MÖLZER war deutschnat­ionaler Publizist und saß für die FPÖ bis 1993 im Bundesrat, bis 2014 im EU-Parlament.

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