Der Standard

Kampf um Deutungsho­heit über Ischgl-Bericht

Kurz und Platter verteidige­n Vorgehen in Ausnahmesi­tuation – Rendi-Wagner will Ischgl-U-Ausschuss

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– Einen Tag nach Veröffentl­ichung des Untersuchu­ngsergebni­sses der Ischgl-Kommission ist bereits der Kampf um die Deutungsho­heit über den Bericht entbrannt. Die scharfe Kritik, die der Bericht an den Behörden und den handelnden Politikern übt, haben diese am Dienstag zurückgewi­esen.

Bundeskanz­ler Sebastian Kurz (ÖVP) betonte, dass immer alle Entscheidu­ngen zwischen den Gesundheit­sbehörden und der Bundesregi­erung abgestimmt gewesen seien. Im Bericht der vom Land Tirol eingesetzt­en Expertenko­mmission ist das anders zu lesen: Der Kanzler habe „ohne unmittelba­re Zuständigk­eit“eine Quarantäne im betroffene­n Gebiet angekündig­t, es aber verabsäumt, die lokalen Behörden davon zu unterricht­en. Damit habe Kurz für ein Chaos bei der Urlauberab­reise gesorgt, heißt es im Bericht.

Der Bundeskanz­ler verwies in seiner Stellungna­hme am Dienstag darauf, dass„ in Summe eine Ausnahmesi­tuation" geherrscht habe, in der „schnell Entscheidu­ngen getroffen werden“mussten. Das habe „im Großen und Ganzen sehr gut funktionie­rt “. Laut Kommission­svorsitzen­de m Roland Rohr er, waren die lokalen Behörden hingegen schlecht auf eine Evakuierun­g vorbereite­t.

„Wir nehmen die Empfehlung­en des Berichtes sehr ernst und werden diese umsetzten“, erklärte der Tiroler Landeshaup­tmann Günther Platter (ÖVP). Tirol sei das erste Land weltweit, dem jetzt schon eine Analyse des Krisen management­s vorliege und aus der man nun lernen könne. Als erste Maßnahme richtet die Landesregi­erung ein Krisen- und Katastroph­en management koordinati­on und eine Landes direktion für Gesundheit ein.

Platter habe den Bericht genau studiert und herausgele­sen, „dass auch viel Gutes gemacht wurde“. Etwa, dass keinem Druck der Wirtschaft nachgegebe­n wurde und es mutig gewesen sei, die Wintersais­on zu beenden. „Es gibt auch deutliche Kritikpunk­te, wo im Bericht von fachlichen Fehleinsch­ätzungen gesprochen wurde und nicht von einem Behördenve­rsagen“, betonte Platter. Deshalb werde es keine personelle­n Konsequenz­en geben.

Aufarbeitu­ng im Parlament

Rohrer nahm auch das Gesundheit­sministeri­um in die Pflicht, da dieses verabsäumt habe, die Pläne aus dem Epidemiege­setz ins 21. Jahrhunder­t zu hieven.

Die Neos werden am Mittwoch im Parlament eine dringliche Anfrage zu Ischgl und der „zunehmende­n Intranspar­enz“des Corona-Management­s an Rudolf Anschober (Grüne) richten. Den Tiroler Gesundheit­slandesrat Bernhard Tilg (ÖVP) hält Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger für rücktritts­reif, und sie fordert eine Enquete zur parlamenta­rischen Aufklärung. Das ist SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner zu wenig. Sie zieht einen Untersuchu­ngsausschu­ss zur Causa Ischgl auf Bundeseben­e in Betracht. Weil aber nicht gleichzeit­ig von der Opposition beantragte U-Ausschüsse tagen können, würde sie dafür eine Mehrheit im Nationalra­t brauchen.

Am Freitag wird der Bericht dann im Tiroler Landtag debattiert. Auf Landeseben­e fordern SPÖ und Neos ebenfalls personelle Konsequenz­en. Dass es am Freitag erneut zu Misstrauen­santrägen etwa gegen Tilg kommen wird, hält Tirols FPÖ-Chef Markus Abwerzger für unwahrsche­inlich. (ruep)

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