Gänsegeier S98, ein gefährlicher Grenzgänger
Zwei neue Sammelbände fangen auf unterschiedliche Weise das Faszinosum der Vogelwelt ein: In „Die Flugbegleiter“berichten Wissenschaftsjournalisten über die besten ornithologischen Abenteuer. Und der Band „Im freien Feld“versammelt literarische Vogelbegeg
Die Geschichte ist fast zu gut, um nicht erfunden zu sein: Ein 2016 in Katalonien geschlüpfter Gänsegeier wird nach Israel ausgeflogen, weil es in Spanien ohnehin genug Geier gibt. In Israel hingegen braucht es Nachschub an diesen imposanten Greifvögeln, um die Bestände zu stabilisieren. Gänsegeier S98 wird ausgewildert, hat aber nichts Besseres zu tun, als wenig später nach Syrien zu fliegen und dort mitten im Bürgerkrieg entkräftet zwischen den Fronten zu stranden, halb am Verhungern.
Ein junger greifvogelkundiger Milizionär der syrischen Opposition entdeckt den Vogel, päppelt ihn wieder auf – und steht vor dem nicht gerade geringen Problem, wie man S98, der wegen seines Senders schnell unter Geheimdienstverdacht gerät, wieder zurück nach Israel bringen könnte. Eine auch logistisch äußerst komplizierte Rückreiseaktion wird eingefädelt, die kurz vor der israelischen Grenze zu scheitern droht ...
Die Reportage Der Friedensgeier stammt von Thomas Krumenacker, einem freiberuflichen Wissenschaftsjournalisten, der auch für die Journalismusplattform riffreporter.de schreibt.
Die sowohl journalistisch wie auch ornithologisch ausgewiesenen Vogelenthusiasten, die sich beim Riffreporter gefunden haben, nennen sich „die Flugbegleiter“und berichten über ihre besten Erlebnisse mit Vögeln und mit anderen Vogelliebhabern,
über die Bedrohungen der Vogelwelt oder eben: über einen in Syrien gelandeten Gänsegeier.
Christian Schwägerl, Mitbegründer vom Riffreporter und einer der Flugbegleiter, hat nun die bisher besten Texte seiner Kollegen ausgewählt und daraus ein feines Buch sowohl für angehende wie auch fortgeschrittene Vogelfreunde gemacht.
Vögel in der Literatur
Zu Letzteren ist der Kulturwissenschafter Florian Huber zu rechnen, der an der Uni Lüneburg über Beziehungen zwischen Literatur und Naturwissenschaft forscht. Auch Huber hat allerlei Preziosen für Lehnstuhl-Ornis zusammengetragen. Grundlage seiner Auswahl war freilich nichts weniger als die Weltliteratur der vergangenen paar Jahrhunderte. Und so finden sich in seiner Kompilation Vogelgedichte von Angelus Silesius oder Ossip Mandelstam bunt vermischt mit Vogelbetrachtungen von Adalbert Stifter oder Vilém Flusser, die erst recht wieder dazu animieren, den Lesesessel zu verlassen und sich ins freie Feld zu begeben.
Christian Schwägerl (Hg.), „Die Flugbegleiter. Von einem Geier, der Frieden stiftet, Hightech-Störchen und andere Reportagen über Vögel und Menschen“. € 20,60 / 298 Seiten. Kosmos, Stuttgart 2020 Florian Huber (Hg.), „Im freien Feld. Beobachtungen an Vögeln“. € 22,– / 176 Seiten. Czernin-Verlag, Wien 2020