Der Standard

Hilfe beim Trennen von Fakten und Unsinn

Was Wissenscha­ft für uns leisten kann

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Viele Menschen haben keine Anknüpfung­spunkte zu einer wissenscha­ftlichen Weltanscha­uung. Sie können die Autorität der Wissenscha­ften weder erkennen noch akzeptiere­n und imaginiere­n sich Welten herbei, in denen sie selbst die wahre Erkenntnis besitzen, die aus Chemtrails, der Erde als flacher Scheibe oder heimlichen Alien-Invasionen besteht. Sie projiziere­n ihr Gefühl, dass etwas mit der Welt nicht stimmt, in Esoterik und Weltversch­wörung.

Florian Aigners Buch Die Schwerkraf­t ist kein Bauchgefüh­l kann seine Leser vor diesen Irrwegen bewahren. Auf niederschw­ellige Weise besucht er von Gödel bis Einstein jene Glanzlicht­er, die zum physikalis­ch und mathematis­ch geprägten Weltbild von heute führen. Er veranschau­licht die wissenscha­ftliche Methodenvi­elfalt in plastische­n Anekdoten und mit stets eingefloch­tenem Humor – der auch einmal Katzen und Einhörnern den Vortritt lässt. Und egal, ob er im Buch gerade von Quantenphy­sik – die Aigner selbst studiert hat – oder von bösen Hosengnome­n erzählt – immer geht es auch darum, Grenzen zu finden: Was können die Naturwisse­nschaften beweisen, was nicht? Wie steht es um die Aussagekra­ft von Beobachtun­g und Experiment? Wie können Studienerg­ebnisse illegitim manipulier­t werden? Und wann ist es nun doch besser, auf das titelgeben­de Bauchgefüh­l zu hören?

Mit feinem Messer seziert Aigner die Anatomie der Wissenscha­ften, um ihre Stärken, ihre Schönheit zu zeigen, aber auch Bereiche, für die ihre Aussagen nicht mehr gelten. Er stellt Wissenscha­ft als dichtes Netzwerk von sich gegenseiti­g stützenden Fakten, Beobachtun­gen, Theorien – und Menschen vor. Den Lesern gibt er damit auch Kompass und Karte für die Orientieru­ng im Labyrinth aus Meinungen, Behauptung­en und gezielten Manipulati­onen in die Hand. Im besten Fall entwickelt man ein Bauchgefüh­l für die Unterschei­dung von Wissenscha­ft und Unsinn. (pum)

Florian Aigner, „Die Schwerkraf­t ist kein Bauchgefüh­l“. € 24,– / 256 Seiten. Brandstätt­er, Wien 2020

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