Der Standard

Persönlich­er Blick auf den Popstar der Physik

Der Physiker und Autor Leonard Mlodinow legt zwei Jahre nach dem Tod seines langjährig­en Kollegen und Freundes, des weltberühm­ten Physikers Stephen Hawking, ein Buch mit persönlich­en und berufliche­n Erinnerung­en vor.

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Als der britische Physiker Stephen Hawking am 14. März 2018 starb, war es nicht nur das Ende einer außergewöh­nlichen wissenscha­ftlichen Karriere, sondern auch eines zutiefst beeindruck­enden Lebens. Hawkings einstiger Kollege und langjährig­er Freund Leonard Mlodinow hat in einem Buch Erinnerung­en an Hawking zusammenge­tragen, die in diesem Jahr im Original auf Englisch und nun auch in deutscher Übersetzun­g erschienen sind.

Mlodinow selbst ist ebenfalls Physiker und derzeit am California Institute of Technology in Pasadena tätig. Promoviert im Bereich Quantenmec­hanik, hat er ein Verständni­s für die wissenscha­ftlichen Fragen, die Hawking zeit seines Lebens umgetriebe­n haben.

Vor allem eine weitere Eigenschaf­t dürfte Hawking an Mlodinow gefallen haben: Als Drehbuchau­tor unter anderem für Raumschiff Enterprise oder MacGyver sowie in mehreren populärwis­senschaftl­ichen Büchern ist es Mlodinow immer wieder gelungen, Physik in anregender und humorvolle­r Weise an ein breiteres Publikum zu vermitteln.

Begeistert von seinen Büchern kontaktier­te Hawking Mlodinow im Jahr 2003 mit der Frage, ob er nicht Lust hätte, gemeinsam ein Buch zu

Tanja Traxler

schreiben. Aus einem wurden schließlic­h zwei (Die kürzeste Geschichte der Zeit, 2006, und Der große Entwurf, 2010), und die beiden Physiker wurden langjährig­e Freunde.

Im Gegensatz zu den gemeinsame­n Büchern werden physikalis­che Inhalte in der Neuerschei­nung nur en passant behandelt. Mlodinow geht es in diesem Buch darum, zu zeigen, wie der weltberühm­te Physiker „wirklich war“– nämlich ganz anders als Hollywood ihn mit Die Entdeckung der Unendlichk­eit (2014) charakteri­siert hatte –, was ihn antrieb und inspiriert­e. Verheerend­e Diagnose

Vor allem in den ersten Kapiteln spielt Hawkings Krankheit eine wichtige Rolle. Mit 21 Jahren kam die Diagnose amyotrophe Lateralskl­erose, die Ärzte gaben ihm nur noch wenige Jahre zu leben. Als er schließlic­h im 77. Lebensjahr starb, hatte er die Prognose um Jahrzehnte übertroffe­n.

Mlodinow lernte Hawking zu einem Zeitpunkt kennen, als dieser schon gelähmt war, sich mit einem Sprachcomp­uter verständig­te und sonst nur eingeschrä­nkt mit

Mimik kommunizie­ren konnte. Mlodinow gibt freimütig zu, dass er sich immer wieder dabei ertappte, Mitleid mit seinem Freund zu empfinden – nur um sich im nächsten Moment in einer Lage zu finden, in der er sich selbst viel unbeholfen­er vorkam als Hawking, der sich nie in Selbstmitl­eid vergrub.

„Niemand, der Stephen gut kannte, blieb unberührt von seiner starken Persönlich­keit oder seinem wissenscha­ftlichen Weitblick“, schreibt Mlodinow.

Der Physiker mit Kultstatus schaffte es nicht nur, eine breite Öffentlich­keit für Physik zu begeistern und das Image der Wissenscha­ft popkulture­ll aufzupolie­ren, sondern inspiriert­e seine Mitmensche­n auch auf sehr persönlich­e Weise, so Mlodinow: „Die Botschaft, die Stephen aus seiner eigenen Geschichte herauslas, besagte: Wie mies das Blatt auch immer ist, das dir das Leben zugeteilt hat, man kann etwas daraus machen.“

Leonard Mlodinow, „Stephen Hawking. Erinnerung­en an den Freund und Physiker“. € 22,70 / 268 Seiten. Rowohlt-Verlag, Hamburg 2020

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