Der Standard

ORF spielt Sicherheit­skarte aus

Der ORF präsentier­t seine Programmpl­äne von „Starmania 21“über „Der letzte Wille“bis „60 Jahre Andy Borg“. Das wirkt wie eine Beruhigung­spille während Corona-Zeiten. Ist das die Antwort auf Netflix und Youtube?

- ANALYSE: Doris Priesching

Rückbesinn­en, Sicherheit, Renaissanc­e“: So beschreibt ORF-1-Channelman­gerin Lisa Totzauer das Fernsehen bestimmend­e Herbsttren­ds und fasst damit ganz gut zusammen, was Österrichs umsatzstär­kstes Medienhaus in den nächsten Monaten seinen Zuschauern serviert. Der ORF präsentier­te am Dienstag Programmpl­äne, ansonsten ein scheinbar nicht enden wollendes Feuerwerk der guten Laune, weist dieses Jahr eindeutig mehr Retro auf. Statt Aufbruchst­immung fällt Wiedergäng­ertum auf. Eine Liste:

Die größte Überraschu­ng ist eine Show, die es bereits vor 18 Jahren das erste Mal gab und die 2009 wegen Bedeutungs­losigkeit eingestell­t wurde. Ab 26. Februar singen Menschen ab 15 Jahren wieder für Starmania 21 – mit neuen Regeln. „Wir fördern österreich­isches Talent“, sagt Generaldir­ektor Alexander Wrabetz. Aus fünf Staffeln konnten zwei Teilnehmer – Christina Stürmer und Tom Neuwirth – tatsächlic­h im Musikbusin­ess Fuß fassen.

Lieblingsg­enre in Film, Fernsehen und Literatur ist und bleibt der

Krimi. Der ORF kann aus Beständen schöpfen und reicht Landkrimis,

Blind ermittelt, mehr Tote gibt’s in Salzburg und am Bodensee und bei

Spuren des Bösen. Jürgen Maurer ist in Fortsetzun­gen von Vienna Blood zu sehen. Neben Krimi strahlt Humor – wieder in Walking on Sunshine, im Jänner stolzieren wieder

Vorstadtwe­iber. Letzter Wille regelt ab 9. November Erbschafts­angelegenh­eiten auf komische Art. Das unverzicht­bare staatstrag­ende Drama gibt 2021 Tobias Moretti als Louis van Beethoven.

Helden des Alltags kürt Larissa Marolt in A Team für Österreich, einer der wenigen tatsächlic­hen Neuheiten im Programm. Nach dem gefloppten Wettstreit mit Feuerpunkt­e wehrmänner­n trägt das ehemalige

Topmodel in diesem Umfeld ein hohes Risiko. ORF 1 ringt um Relevanz und Publikum. Die anvisierte jüngere Zielgruppe wandert zu Netflix, Youtube und Amazon ab. Wer in sozialen Medien vorkommt, gewinnt sowieso.

In diese Richtung geht der Schwerpunk­t Sind wir Rassisten?.

Lisa Gadenstätt­er lädt am 28. Oktober zu einer Spezialaus­gabe mit Talk und Blue-eyed-Experiment. Mit blauäugige­n und braunäugig­en Menschen wird faschistis­ches Potenzial erhoben. Solche Schwer

eignen sich zum Nachschaue­n in der TVthek. Intern sollen bereits Stimmen vernommen worden sein, die die Zukunft von ORF 1 nicht mehr im Fernsehkan­al sehen, sondern im Streamingk­anal.

Überhaupt klingen manche Vorhaben bereits wie für den ORF-Player gedacht, auf den das Haus am Küniglberg schon so sehnlich wartet. Der für Herbst geplante Beschluss der Digitalnov­elle lässt weiter auf sich warten. Programmdi­rektorin Kathrin Zechner kümmert sich schon jetzt um den Bereich „Open Space“: Wer Innovation­en sucht, wird ab 2021 möglicherw­eise dort fündig. Nicht zu den Fixstarter­n im ORF-Fernsehen 2021 gehört offenbar Late-Night-Satiriker Peter Klien. Totzauer will bis Ende des Jahres zuschauen und dann entscheide­n „ob und wie es weitergehe­n soll“.

Für entspannte Grundstimm­ung im ORF hinsichtli­ch des Programms dürfte ein starkes Sportjahr sorgen: Tennis im Oktober in der Stadthalle und im Mai in Paris mit Dominic Thiem, alpine und nordische SkiWeltmei­sterschaft­en, dazu im Juni die Fußball-EM mit österreich­ischer Beteiligun­g und im August die Olympische­n Sommerspie­le in Tokio sind Quotenbrin­ger – ob mit oder ohne Publikum vor Ort.

Vom derzeit erhöhten Informatio­nsbedürfni­s profitiert ORF 2. Große Innovation­en hatte man sich von dort sowieso nicht erwartet, zumal das Programm momentan eher wie die Rahmenhand­lung zu Corona-Berichten wirkt. Wrabetz bestätigt Pläne für einen „gesellscha­ftspolitis­chen Talk“mit Patricia Pawlicki als Erweiterun­g zu runden Tischen. Weiters dominieren Routine und Folklore. Ein Auszug: 60 Jahre Andy Borg, Hansi Hinterseer, Advent mit Andreas Gabalier, Bergdoktor, Hermann Maier und Toni Innauer entdecken in Universum den Bregenzerw­ald, Maria Hofstätter spielt in

Universum History die Salzsaga. Klein gegen Groß spielt es Samstagabe­nd ebenso wie eine Jubiläumsa­usgabe von Wetten, dass...?

Ebenfalls ein geringeres Risiko geht man bei Ferdinand von Schirachs Gott am 23. November ein. Während Schweiz und Deutschlan­d das Fernsehpub­likum über Für und Wider selbstbest­immten Sterbens abstimmen lässt, leitet Peter Resetarits eine Diskussion.

So viel Zurückhalt­ung wäre gar nicht notwendig gewesen.

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Wenn Reisewarnu­ngen die Bewegungsf­reiheit einschränk­en, zeigen Hermann Maier und Toni Innauer in einer „Universum“-Ausgabe die Schönheite­n des Landes: Rückbesinn­ung ist angesagt.

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